Artikel vom 04.03.2024

Vorgaben für Stickoxid und Feinstaub werden mit unrealistischem Tempo verschärft. Deutschen Kommunen droht Klagewelle - und Gerichten der Kollaps.

Als wären die extremen Verschärfungen der EU bei den Grenzwerten für die Saubere Luft in der Mitte der ersten Dekade dieses Millenniums nicht schon drastisch genug gewesen, hat die EU in diesen Tagen eine massive Herabsetzung der Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in einem unrealistischen Tempo beschlossen.

Wir erinnern uns noch an die Schlagzeilen in den Jahren 2017 bis 2019. Damals hat die Deutsche Umwelthilfe die deutschen Städten mit Klagen überzogen, um großflächige Fahrverbote zu erwirken. Hintergrund der damaligen Klagen war eine entsprechende EU-Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2007. Diese Richtlinie sah Grenzwerte von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft vor. Ende des Jahres 2017 waren es sage und schreibe 90 bundesdeutsche Städte, in denen diese Grenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Damit stand aber Deutschland nicht allein, sondern weitere acht Mitgliedsstaaten der EU wurden mit Vertragsverletzungsverfahren durch die EU überzogen. Im Ergebnis erfolgte übrigens sogar eine Verurteilung der Bundesrepublik durch den Europäischen Gerichtshof (EUGH). Dass diese Verurteilung letztlich keine Strafzahlungen auslöste, ist der Tatsache geschuldet, dass die Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft ergriffen hat.

Dafür musste aber die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft zwei Mrd. Euro aufwenden. Im Ergebnis gelang es, dass heute nur noch zwei Städte, nämlich München und Essen, nicht in der Lage sind, diese Grenzwerte einzuhalten. Das war sicher ein großer Erfolg, der aber - wie gesagt - teuer erkauft werden musste.

Jetzt wiederholt die EU die Fehler der Vergangenheit. Sie wird den Grenzwert für Stickoxide um genau 50 Prozent auf 20 Mikrogramm pro Kubikmeter herabsetzen. Nach überschlägigen Berechnungen sind heute bis zu 300 deutsche Städte nicht in der Lage, diese massiv verschärften Grenzwerte einzuhalten. Damit gibt man wieder eine Steilvorlage für massenhafte Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen unsere Städte

Die Situation hat sich inzwischen aber noch weiter dramatisch dadurch verschärft, dass die EU für die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger individuelle Klagerechte begründet, falls Grenzwerte nicht eingehalten werden.

Der bereits am 22. Oktober 2022 vorgelegte Vorschlag der EU sieht vor, dass die Bürgerinnen und Bürger im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften zur Luftqualität sogar Anspruch auf Entschädigungen haben, bzw. sich kollektiven Schadenersatzklagen von Nichtregierungsorganisationen anschließen können.

Man braucht nicht viel Fantasie, um die Konsequenzen dieser Klagemöglichkeiten abzuschätzen. Viele bereits heute schon überlastete Gerichte drohen mit Klagen komplett lahmgelegt zu werden.

Verschärft werden die Herausforderungen für unsere Städte aber auch dadurch, dass die Probleme mit der sauberen Luft nicht mehr nur den Bereich der Mobilität betreffen, sondern durch das Heizungsgesetz der Berliner Ampel-Regierung zusätzliche Brisanz erhalten.

Auch wenn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf Druck der FDP sein Heizungsgesetz abgeschwächt hat, wird er insgeheim damit rechnen, auf der Basis der verschärften EU-Grenzwerte seine ursprünglichen Pläne mit Verweis auf die EU durchzudrücken.

Die Diskussion der vergangenen Monate hat deutlich gemacht, dass mit diesen Maßnahmen eine schleichende Enteignung verbunden ist.

Es muss verhindert werden, dass Privathaushalte und Unternehmen durch die neuen Regelungen der Luftqualitätsrichtlinie unverhältnismäßig stark belastet werden. Zuem steht zu befürchten, dass Unternehmen gezwungen werden, ihre Aktivitäten in Nicht-EU-Länder zu verlagern.

QOSHE - Radikale Grenzwerte: EU-Feinstaubverordnung bedroht Städte und Wirtschaft - Siegfried Balleis
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Radikale Grenzwerte: EU-Feinstaubverordnung bedroht Städte und Wirtschaft

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04.03.2024

Artikel vom 04.03.2024

Vorgaben für Stickoxid und Feinstaub werden mit unrealistischem Tempo verschärft. Deutschen Kommunen droht Klagewelle - und Gerichten der Kollaps.

Als wären die extremen Verschärfungen der EU bei den Grenzwerten für die Saubere Luft in der Mitte der ersten Dekade dieses Millenniums nicht schon drastisch genug gewesen, hat die EU in diesen Tagen eine massive Herabsetzung der Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in einem unrealistischen Tempo beschlossen.

Wir erinnern uns noch an die Schlagzeilen in den Jahren 2017 bis 2019. Damals hat die Deutsche Umwelthilfe die deutschen Städten mit Klagen überzogen, um großflächige Fahrverbote zu erwirken. Hintergrund der damaligen Klagen war eine entsprechende EU-Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2007. Diese Richtlinie sah Grenzwerte von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft vor. Ende des Jahres 2017 waren es sage und schreibe 90 bundesdeutsche Städte,........

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