Artikel vom 08.12.2023

Die Erbschaftssteuer steht auf dem Zettel der Haushaltspolitiker als mögliche Einnahmequelle, die aus der Misere hilft. Tatsächlich geht es beim Erben nicht immer gerecht zu. Alle Reformversuche sind bislang gescheitert.

Wie kommt der Staat zu Geld, das ihm gerade dringend fehlt? Es gibt drei Methoden: Ausgaben verringern, Einnahmen erhöhen – oder beides. Dabei sind die Einnahmen an sich mehr als solide: Knapp 900 Milliarden Euro waren es im vergangenen Jahr, die aus Steuern an Bund, Länder und Gemeinden geflossen sind. Dies entsprich einem satten Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch hat es angesichts einer munteren Ausgabenpolitik nicht gereicht im Jahr 2023 und 2024 weiß auch noch keiner, wie es funktionieren soll. Also strengen Politiker ihre Fantasie an und denken sich neue Einnahmen aus.

Einer von ihnen ist zum Beispiel Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Er will mehr Geld aus der Erbschaftssteuer einnehmen. Weil das natürlich zu platt klingt, verkauft er seine Forderung so, als würde er mit der Erfüllung seines Wunsches ein langjähriges Unrecht beheben: Im Schnitt werden in Deutschland pro Jahr rund 400 Milliarden Euro vererbt. Meistens geht das Geld an die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft. „Ich will eine Reform bei der Erbschaftssteuer, um Firmenerben daran zu hindern, die Steuer legal zu umgehen“, sagt Bayaz.

Hat er recht? „Erben gleicht einer Lotterie“, stellt der Verein „Finanzwende“ fest, ein Berliner, eher grün orientierter Think Tank, der die Finanzindustrie kritisch begleitet. Manche Familien können Vermögen weitergeben – andere nicht. Lediglich 30 Prozent der Menschen in Deutschland erben überhaupt in einem nennenswerten Umfang. Jene 400 Milliarden Euro, die vererbt werden, entsprechen zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Gleichzeitig machen die Einnahmen aus Erbschaft- und Schenkungsteuer nur etwa 0,2 Prozent des Staatshaushalts aus. Das ist zu wenig, argumentieren die Befürworter einer höheren Erbschaftssteuer. Das ist noch immer zu viel, denn das Vermögen ist ja bereits schon einmal vom Erbonkel oder wem auch immer versteuert worden, sagen die Kritiker der Erbschaftssteuer.

Unter ihnen sind nicht zufällig besonders viele Erben großer Familienvermögen, die tüchtige Unternehmer erwirtschaftet haben. Und die Generation dieser Erben hat ein nicht von der Hand zu weisendes Argument für sich: Der Staat gefährdet womöglich mit seinem Eingriff den Fortbestand der Unternehmen. Die Stiftung Familienunternehmen hat das in einer Studie, die allerdings auch schon fünf Jahre alt ist, ausgerechnet: Betrachtet man in einem internationalen Vergleich von 18 OECD-Ländern die Vererbung einer Kapitalgesellschaft an einen Alleinerben, nimmt Deutschland in der Steuerbelastung die Schlussposition ein. Allerdings steht das nur auf dem Papier, denn wurde die Erbschaftsteuer ausgehöhlt. Die Löcher sind genau da, wo es um die ganz großen Vermögen geht.

Momentan gilt in Deutschland im Schnitt: Je höher das Erbe, desto niedriger die Steuern. Damit ist die Verteilung der Steuerlast genau umgekehrt, wie bei der Einkommensteuer: Wer mehr Geld verdient, zahlt dort auch mehr Steuern für die Gemeinschaft. Normalerweise sind für Erbschaften je nach Verwandtschaftsgrad oberhalb der möglichen Freibeträge zwischen sieben und 50 Prozent Steuern fällig. Das gilt aber häufig nicht für Superreiche – sie zahlen im Gegensatz zu allen anderen viel weniger. Zum Beispiel lag der durchschnittliche Steuersatz für Erbschaften und Schenkungen jenseits von 20 Millionen Euro im Zeitraum zwischen 2011 und 2020 bei nur 2,8 Prozent, während bei niedrigeren Erbschaften im Schnitt neun Prozent gezahlt werden musste, stellt der Verein Finanzwende fest.

Hauptgrund dafür ist ein sogenanntes Steuerprivileg, das Ausnahmen von der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen zulässt. Für vererbte Betriebe werden nur sehr selten überhaupt Steuern fällig. Ein großer Teil der Vermögen in Deutschland besteht jedoch aus Firmenanteilen. Das gängige Argument für dieses Ausnahme ist, dass ein Erbfall ohne ein solches Privileg Arbeitsplätze gefährden könnte. Dem widerspricht ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, allerdings stellen die Autoren dort fest, dass niedrigere Steuern an anderer Stelle und die Möglichkeit, Steuern auch verzögert zu zahlen, eine höhere Erbschaftssteuer bei Unternehmensübergaben begleiten müssten.

Auf dieses Gutachten berief sich der Bundesfinanzhof 2012 (BFH), als er feststellte, dass eine Erbschaftsteuer-Reform von 2008 verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die Auffassung 2014. Der so erzwungene Reformversuch der damaligen Bundesregierung scheiterte 2017 erneut vor dem Bundesfinanzhof. Im Kern ging es bei dem Urteil von 2017 um eine besonders absurde Regelung in der Erbschaftsteuer: Der Besitz von Wohnimmobilien ab 300 Wohnungen wird pauschal als Betriebsvermögen klassifiziert, was dazu führt, dass Erben von drei Wohnungen ordentlich Steuern auf den Tisch legen müssen, Erben von 300 Wohnungen aber fein raus sind. Das geht so nicht, entschied der Bundesfinanzhof.

Doch statt die Regelung abzuschaffen, erließen die obersten Finanzbehörden einen sogenannten Nichtanwendungserlass. Konkret heißt das: Die Finanzämter sollen die Entscheidung des Bundesfinanzhofes ignorieren: „Das Urteil ist über den Einzelfallfall hinaus nicht anzuwenden. An der bisherigen Betrachtungsweise ist weiterhin festzuhalten." Abgestimmt wurde dieses Vorgehen mit dem damals zuständigen Bundesfinanzministerium, das vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geleitet wurde. Einen Monat zuvor hatte das Ministerium in einem Rundschreiben bezüglich der BFH-Entscheidung vor negativen Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt gewarnt.

Auch heute begründet das Ministerium die Steuerfreiheit bei über 300 Wohnungen mit der Gefahr, dass Erben von mehr als 300 Wohnungen, die mit der Erbschaftssteuer belastet würden, die Wohnungen verkaufen müssten, was zu Mieterhöhungen führen könnte. Dass kleinere Vermieter entweder verkaufen oder die Mieten saftig anheben müssen, um die Erbschaftssteuer zu begleichen, spielt offenbar keine Rolle. Würden solche Privilegien abgeschafft, könnte der Staat rund 5 Milliarden Euro mehr aus der Erbschaftssteuer kassieren, hat der Verein Finanzwende ausgerechnet.

Unternehmer sind angesichts der Diskussion inzwischen nachdenklicher geworden. Isabel Grupp, Nichte vom abtretenden Trigema-Chef Wolfgang Grupp, wurde jüngst im Rundfunk nach ihrer Einschätzung zur Erbschaftssteuer gefragt. Denn sie könnte von ihrem Vater Johannes Grupp die Firma Plastro Mayer erben, die Kunststoffteile herstellt. Sie ist der Meinung, dass man beim Erben zwingend zwischen Privat- und Betriebsvermögen unterscheiden müsse. „Betriebsvermögen ist definitiv nicht leistungslos, sondern ein Erbe, dass man mit Verantwortung, mit hohem Risiko und mit absoluten Arbeitseinsatz antritt“, sagte sie und argumentiert damit für die Beibehaltung von Steuerprivilegien. Der grüne Finanzminister Bayaz zweifelt daran. Er sieht die vom Erben nicht versteuerten Betriebsvermögen eher als Schlupfloch. Und das müsste geschlossen werden.

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Fette Erbschaft, magere Steuer

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10.12.2023

Artikel vom 08.12.2023

Die Erbschaftssteuer steht auf dem Zettel der Haushaltspolitiker als mögliche Einnahmequelle, die aus der Misere hilft. Tatsächlich geht es beim Erben nicht immer gerecht zu. Alle Reformversuche sind bislang gescheitert.

Wie kommt der Staat zu Geld, das ihm gerade dringend fehlt? Es gibt drei Methoden: Ausgaben verringern, Einnahmen erhöhen – oder beides. Dabei sind die Einnahmen an sich mehr als solide: Knapp 900 Milliarden Euro waren es im vergangenen Jahr, die aus Steuern an Bund, Länder und Gemeinden geflossen sind. Dies entsprich einem satten Plus von 7,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch hat es angesichts einer munteren Ausgabenpolitik nicht gereicht im Jahr 2023 und 2024 weiß auch noch keiner, wie es funktionieren soll. Also strengen Politiker ihre Fantasie an und denken sich neue Einnahmen aus.

Einer von ihnen ist zum Beispiel Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne). Er will mehr Geld aus der Erbschaftssteuer einnehmen. Weil das natürlich zu platt klingt, verkauft er seine Forderung so, als würde er mit der Erfüllung seines Wunsches ein langjähriges Unrecht beheben: Im Schnitt werden in Deutschland pro Jahr rund 400 Milliarden Euro vererbt. Meistens geht das Geld an die reichsten zehn Prozent der Gesellschaft. „Ich will eine Reform bei der Erbschaftssteuer, um Firmenerben daran zu hindern, die Steuer legal zu umgehen“, sagt Bayaz.

Hat er recht? „Erben gleicht einer Lotterie“, stellt der Verein „Finanzwende“ fest, ein Berliner, eher grün orientierter Think Tank, der die Finanzindustrie kritisch begleitet. Manche Familien können Vermögen weitergeben – andere nicht. Lediglich 30 Prozent der Menschen in Deutschland erben überhaupt in einem nennenswerten Umfang. Jene 400 Milliarden Euro, die vererbt werden,........

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