Artikel vom 11.12.2023

Die CDU stellt heute ihr neues Grundsatzprogramm vor. Es steht in einer langen Tradition, die 1945 begann, als die sich gründende Partei ihre Kölner Leitsätze verabschiedete. 1949, 1978, 1994, 2007 und 2020 wurde es erneuert.

Der Nationalsozialismus hat Deutschland in ein Unglück gestürzt, das in seiner langen
Geschichte ohne Beispiel ist. Er bedeckte die deutschen Namen vor aller Welt mit Schmach und Schande. Nie wäre dies alles über uns gekommen, wenn nicht weite Kreise unseres Volkes von einem habgierigen Materialismus sich hätten leiten lassen. So erlagen allzuviele der nationalsozialistischen Demagogie, die jedem Deutschen ein Paradies auf Erden versprach. Ohne eigenen sittlichen Halt verfielen sie dem Rassenhochmut und einem nationalistischen Machtrausch. Mit dem Größenwahnsinn des Nationalsozialismus verband sich die ehrgeizige Herrschsucht des Militarismus und der großkapitalistischen Rüstungsmagnaten. Am Ende stand der Krieg, der uns alle ins Verderben stürzte.

Was uns in dieser Stunde der Not allein noch retten kann, ist eine ehrliche Besinnung auf
die christlichen und abendländischen Lebenswerte, die einst das deutsche Volk be-herrschten und es groß und angesehen machten unter den Völkern Europas. Darum fort mit Diktatur und Tyrannei, Herrenmenschentum und Militarismus! Ein freies Volk soll wiedererstehen, dessen Grundgesetz die Achtung menschlicher Würde ist.

Ein neues Deutschland soll geschaffen werden, das auf Recht und Frieden gegründet ist.
Unsere Jugend soll wieder lernen, dass nicht Macht, sondern Geist die Ehre Deutschlands
vor der Welt ausmacht. Wahrheit, Ehrlichkeit und Treue zum gegebenen Wort soll unser öffentliches Leben leiten. Lüge, Verstellung und Heuchelei, diese Pest des Hitlerismus sollen niemals wiederkehren.

Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe sollen eine neue Volksgemeinschaft beschirmen,
die die gottergebene Freiheit des Einzelnen und die Ansprüche der Gemeinschaft mit den
Forderungen des Gemeinwohls zu verbinden weiß. So vertreten wir einen wahren Christlichen Sozialismus, der nichts gemein hat mit falschen kollektivistischen Zielsetzungen, die dem Wesen des Menschen von Grand aus widersprechen.

Unser fester Wille aber ist es, eine soziale Ordnung aufzurichten, die der demokratischen
Überlieferung der deutschen Vergangenheit ebenso entspricht wie der Weite und dem Geiste des christlichen Naturrechts. Im Glauben an den lebendigen Gott beugen wir uns vor seinen Geboten, den wahren und einzigen Stützen sozialer Ordnung und Gemeinschaft.

Zu Beginn des schweren Werkes gedenken wir der Toten auf den Schlachtfeldern des Krieges und unter den Ruinen unserer Städte und Dörfer. In Ehrfurcht neigen wir uns vor den Blutzeugen des christlichen Glaubens und der bürgerlichen Freiheit, die dem Nationalismus zum Opfer fielen. Im Geiste dieser Toten sind wir fest entschlossen, dem deutschen Volke im Rahmen des Reiches mit all unseren Kräften zu dienen.

Darum haben wir Christliche Demokraten Deutschlands uns zusammengefunden und folgende Leitsätze für den Wiederaufbau unseres Vaterlandes beschlossen:

1. Die geistige Würde des Menschen wird anerkannt. Der Mensch wird gewertet als
selbstverantwortliche Person, nicht als bloßer Teil der Gemeinschaft.


2. Die Familie ist die Grundlage der sozialen Lebensordnung. Ihr Lebensraum ist heilig.
Von Natur aus hat sie ihre eigenen Rechte, die unter dem besonderen Schutz des Staa-
tes stehen.


3. Die Gerechtigkeit ist das Fundament des Staates. Der Rechtsstaat wird wieder hergestellt. Die Gerichtsbarkeit ist unabhängig und frei. Dir einziger Leitstern ist das Ge-
setz, vor dem alle gleich sind.


4. Jeder Deutsche hat das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift im Rahmen der bestehenden Gesetze frei zu äußern. Die Vereins- und Versammlungsfreiheit wird gewährleistet.


5. Alle religiösen Bekenntnisse sind frei in ihrer öffentlichen Betätigung.


6. Das natürliche Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder ist die Grundlage der
Schule. Diese gewährleistet die Bekenntnisschule für alle vom Staate anerkannten
Religionsgemeinschaften wie auch die christlichen Gemeinschaftsschule mit konfessionellem Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach.


7. Das kulturelle Schaffen muss frei vom staatlichen Zwang sein. Seine Grundlage ist
die deutsche christliche und abendländische Überlieferung. Jede Art von Rassenkult
wird ausgeschaltet. Die geistig Schaffenden sollen wieder die Achtung genießen, die
ihrem schöpferischen Können gebührt.


8. Der Zentralismus wird als undeutsch abgelehnt. Deutschland gliedert sich in selbständige freie Länder. Ihr Zusammenschluss erfolgt in der Form des freien republikanischen Bundes.


9. Die überlieferte deutsche Selbstverwaltung der Gemeinden und provinzialen Verbände wird wieder hergestellt. Die Staatsverwaltung ist zu vereinfachen.


10. Das Recht auf Eigentum wird gewährleistet. Die Eigentumsverhältnisse werden nach
dem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und den Erfordernissen des Gemeinwohls
geordnet. Durch gerechten Güterausgleich und soziale Lohngestaltung soll es dem
Nichtbesitzenden ermöglicht werden, zu Eigentum zu kommen. Das Gemeineigentum darf soweit erweitert werden, wie das Allgemeinwohl es erfordert. Post und Eisenbahn, Kohlenbergbau und Energieerzeugung sind grundsätzlich Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes. Das Bank- und Versicherungswesen unterliegt der staatlichen Kontrolle.


11. Das Ziel der Wirtschaft ist die Bedarfsdeckung des Volkes auf der Grundlage einer
freien körperlichen Selbstverwaltung. Die Vorherrschaft des Großkapitals, der privaten Monopole und Konzerne wird gebrochen. Privatinitiative und Eigenverantwortlichkeit werden erhalten. Mittel- und Kleinbetriebe werden gefördert und vermehrt.


12. Die menschliche Arbeit wird gewertet als sittliche Leistung, nicht aber als bloße Ware. Im Zuge einer großangelegten Arbeitsbeschaffung ist die Beteiligung aller Arbeitswilligen am Aufbau des deutschen Lebensraumes zu ermöglichen. Die Lohn- und Arbeitsbedingungen werden tariflich geregelt. Der erwachsene, arbeitende Mensch hat Anspruch auf einen Lohn, der ihm die Gründung und Erhaltung einer Familie ermöglicht. Die Leistungen der Sozialversicherung bleiben erhalten. Der Aufbau der Gewerkschaften und der sonstigen Berufs-Vertretungen ist zu sichern.


13. Ein kräftiger Bauernstand ist das Fundament eines gesunden Volkslebens. Durch planmäßige Pflege aller Zweige der Landwirtschaft ist die Erzeugung zu heben und die Ernährung unseres Volkes zu sichern. Durch eine großzügige Innensiedlung ist die Zahl der selbständigen Bauernhöfe und landwirtschaftlichen Kleinbetriebe zu vermehren.


14. Das Handwerk ist ein selbständiger und gleichberechtigter Berufsstand neben Industrie, Landwirtschaft und Handel. Das handwerkliche Genossenschaftswesen wird gefördert. Die handwerkliche Selbstverwaltung bleibt erhalten.


15. Die nach der Katastrophe des Hitlerregimes in besonderem Ausmaß wachsenden Lasten sind nach sozialen Gesichtspunkten gerecht zu verteilen. Die Kriegsschäden sind als gemeinsame Last auf das ganze Volk umzulegen. Ihre Regulierung darf nur nach Maßgabe des Vermögens und des Einkommens des Einzelnen erfolgen. Die für den Krieg und seine Verlängerung Verantwortlichen sind von der Entschädigung auszuschließen. Die Gewinne der nationalsozialistischen Konjunkturzeit und die Kriegsgewinne sind durch besondere Steuer zu erfassen.


16. Die zerstörten Städte und Dörfer werden wieder aufgebaut. Der vorhandene Wohn-
raum wird bewirtschaftet. Durch ein großzügiges Bauprogramm wird neuer Wohnraum geschaffen. Die Großstädte werden durch Anlage gesunder Außensiedlungen aufgelockert. Das Eigenheim wird gefördert. Unzulängliche Behelfsheime sind zu vermeiden.


17. Alle Formen des öffentlichen Gemeinschaftslebens kommen aus der Demokratie. Ein Missbrauch der Demokratie, vor allem zu nichtdemokratischen Zwecken, wird nicht geduldet. Der Staat schützt sich und seine Einrichtungen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln.


18. Das Parlament ist aufgrund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts zu wählen.


19. Das öffentliche Leben und die gesamte Wirtschaft sind von unzuverlässigen Elementen zu säubern. Ein zuverlässiges und staatstreues Berufsbeamtentum wird wieder hergestellt.


20. Die Grundlage der deutschen Außenpolitik ist die Achtung fremden Volkstums und die treue Innehaltung der Verträge. Es muss Gemeingut des ganzen Volkes werden, dass die Politik der Gewalt und des Krieges nicht nur eine Versündigung am eigenen Vaterland, sondern auch ein Verbrechen an der Menschheit ist. Deutschland muss führend sein in der Verwirklichung der Sehnsucht der Völker nach einem ewigen Frieden.

Deutsche Männer und Frauen! Das sind die Leitsätze der Christlichen Demokraten Deutschlands! Sammelt euch um sie! Helft mit, ein neues und schöneres Deutschland aufzubauen auf dem unerschütterlichen Fundament des Christentums und der abendländischen Kultur.

Köln im Juni 1945

QOSHE - „Nicht Macht, sondern Geist macht die Ehre Deutschlands aus“ - Oliver Stock
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„Nicht Macht, sondern Geist macht die Ehre Deutschlands aus“

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11.12.2023

Artikel vom 11.12.2023

Die CDU stellt heute ihr neues Grundsatzprogramm vor. Es steht in einer langen Tradition, die 1945 begann, als die sich gründende Partei ihre Kölner Leitsätze verabschiedete. 1949, 1978, 1994, 2007 und 2020 wurde es erneuert.

Der Nationalsozialismus hat Deutschland in ein Unglück gestürzt, das in seiner langen
Geschichte ohne Beispiel ist. Er bedeckte die deutschen Namen vor aller Welt mit Schmach und Schande. Nie wäre dies alles über uns gekommen, wenn nicht weite Kreise unseres Volkes von einem habgierigen Materialismus sich hätten leiten lassen. So erlagen allzuviele der nationalsozialistischen Demagogie, die jedem Deutschen ein Paradies auf Erden versprach. Ohne eigenen sittlichen Halt verfielen sie dem Rassenhochmut und einem nationalistischen Machtrausch. Mit dem Größenwahnsinn des Nationalsozialismus verband sich die ehrgeizige Herrschsucht des Militarismus und der großkapitalistischen Rüstungsmagnaten. Am Ende stand der Krieg, der uns alle ins Verderben stürzte.

Was uns in dieser Stunde der Not allein noch retten kann, ist eine ehrliche Besinnung auf
die christlichen und abendländischen Lebenswerte, die einst das deutsche Volk be-herrschten und es groß und angesehen machten unter den Völkern Europas. Darum fort mit Diktatur und Tyrannei, Herrenmenschentum und Militarismus! Ein freies Volk soll wiedererstehen, dessen Grundgesetz die Achtung menschlicher Würde ist.

Ein neues Deutschland soll geschaffen werden, das auf Recht und Frieden gegründet ist.
Unsere Jugend soll wieder lernen, dass nicht Macht, sondern Geist die Ehre Deutschlands
vor der Welt ausmacht. Wahrheit, Ehrlichkeit und Treue zum gegebenen Wort soll unser öffentliches Leben leiten. Lüge, Verstellung und Heuchelei, diese Pest des Hitlerismus sollen niemals wiederkehren.

Soziale Gerechtigkeit und soziale Liebe sollen eine neue Volksgemeinschaft beschirmen,
die die gottergebene Freiheit des Einzelnen und die Ansprüche der Gemeinschaft mit den
Forderungen des Gemeinwohls zu verbinden weiß. So vertreten wir einen wahren Christlichen Sozialismus, der nichts gemein hat mit falschen kollektivistischen Zielsetzungen, die dem Wesen des Menschen von Grand aus widersprechen.

Unser fester Wille aber ist es, eine soziale Ordnung aufzurichten,........

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