Artikel vom 02.04.2024

Auch wenn die Welt soeben Auferstehung feierte, ist das noch lange kein Grund, es ihr ständig nachzumachen. Die Kolumne von Judith Wagner (Foto) und Oliver Stock.

„Mir ist heute gar nicht so nach Auferstehung“, sage ich zu Judith und bleibe liegen. Es ist ein Kreuz mit dem Aufstehen. Ich ziehe mir den Mantel der Nächstenliebe bis über beide Ohren meines Adamskostüms und denke: „Nach mir die Sintflut“. Pontius und Sodom, Pilatus und Gomorra können mich mal, die ersten werden die letzten sein, und heute könnte Eva doch bitteschön noch ein bisschen bei mir liegen bleiben.

Dass Jesus auferstand, ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass er verheiratet gewesen ist, bleibt dagegen umstritten. Ohne sein Single-Dasein bräche die Kirchenlehre zusammen wie ein morscher Dachstuhl. Die Debatte um Gleichberechtigung und ums Gendern hätten wir uns erspart, wenn irgendwo bibelfest geschrieben stünde, dass der Herr eine Herzensdame gehabt hätte, mit der er auf Augenhöhe auch mal liegen blieb. Die Sache wäre von vornherein klar wie Taufwasser, aber so tappen wir noch immer im Dunkeln. Die Kirchenväter haben uns das eingebrockt. „Liegenbleiben ist nicht, mein Lieber“, sagt Judith.

Sie lässt nicht locker, ich erhebe mich, mampfe ein hart gekochtes Osterei, greife nach Mantel und Hut, überrede die Hündin, und wir stapfen durch die Wolken den rauen Berg hinauf, dorthin, wo der abgenutzte Winter, in seiner Schwäche, sich zurückgezogen hat. „Von dort her sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises“. So steht es im Osterspaziergang vom alten J. W. Goethe. Hat Opa stets Ostern zitiert, und kam nie über die erste Strophe hinaus. Dabei geht es weiter. „Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzusehen.“ Ich steige ab, lande in der Schenke, wo sie eine Taufe feiern und der Pastor die Ziehharmonika quetscht. Der alte Dichter hat recht: Ich höre „des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.“

Später sage ich zu Judith: „Es war ein bisschen besser, dass ich auferstanden bin.“ „Einstweilen bist auch Du nur Mensch und aufgestanden“, antwortet sie. Der Rest habe Zeit. „Okay“, sage ich und das sei mein Osterwunsch an sie, „dann hauen wir uns doch noch mal hin, Hasi".

QOSHE - ein bisschen besser: Hase, wir bleiben liegen - Judith Wagner Und Oliver Stock
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

ein bisschen besser: Hase, wir bleiben liegen

5 0
02.04.2024

Artikel vom 02.04.2024

Auch wenn die Welt soeben Auferstehung feierte, ist das noch lange kein Grund, es ihr ständig nachzumachen. Die Kolumne von Judith Wagner (Foto) und Oliver Stock.

„Mir ist heute gar nicht so nach Auferstehung“, sage ich zu Judith und bleibe liegen. Es ist ein Kreuz mit dem Aufstehen. Ich ziehe mir den Mantel der Nächstenliebe bis über beide Ohren meines Adamskostüms und denke: „Nach mir die Sintflut“. Pontius und Sodom, Pilatus und Gomorra können mich mal, die ersten werden die letzten sein, und heute könnte Eva doch bitteschön noch ein........

© The European


Get it on Google Play