Artikel vom 22.01.2024

Was der Ausstieg des Gouverneurs von Florida aus dem republikanischen Präsidentschaftsrennen bedeutet – und warum Nikki Haley jetzt auf einen Richterspruch hoffen kann

Ein gefälschtes Zitat ist das letzte, was von Ron DeSantis jetzt abgebrochener Bewerbung um das republikanische Präsidentschaftsticket zurück bleibt. Und eine wichtige Erkenntnis über Donald Trumps Aussichten in den mindestens vier Strafverfahren, die gegen ihn laufen.

DeSantis, der lange Zeit als größte Bedrohung für Trumps erneute Kandidatur zum Weißen Haus galt, hatte Mitte Januar bei den ersten Vorwahlen der Republicans für die Präsidentschaftswahlen im November eine krachende Niederlage erlitten: Kam der frühere Präsident Trump auf 51,01 Prozent (56.260 Stimmen), reichte es bei dem im vorigen Jahr vorübergehend als Favoriten gehandelten DeSantis nur zu 21,23 Prozent (23.420 Stimmen). Damit lag er ganz knapp vor der früheren Gouverneurin von South Carolina und UN-Botschafterin Nikki Haley (19,12 Prozent, 21.085 Stimmen). Die Drittplatzierte startet nun am morgigen Dienstag als letzte ernstzunehmende Widersacherin gegen Trump in die Primaries von New Hampshire. Dort liegt Trump zwar laut Umfragen ebenfalls vorn, aber mit 39 zu 32 Prozent ist seine Führung vergleichsweise überschaubar.

Am Sonntag ließ DeSantis in einem viereinhalb Minuten Video auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) wissen, dass er seinen Wahlkampf einstelle und nunmehr die Bewerbung von Trump unterstütze. Er sehe „keinen klaren Weg zum Sieg“. Dazu stellte er ein Zitat: „Ein Erfolg ist nicht endgültig, ein Misserfolg nicht tödlich: Was zählt, ist der Mut zum Weitermachen.“ Als Quelle gab er an: Winston Churchill. Auch in seinem Video zitierte DeSantis die angeblichen Worte des britischen Weltkrieg-II-Premiers.

Doch es findet sich in den Geschichtsbüchern kein entsprechendes Zitat von Churchill – nur das Internet liefert relativ viele Fundstellen, dort hat den Sinnspruch offenkundig jemand erfunden und dem britischen Staatsmann zugeschrieben, bevor ihn etliche User von dort kopierten. Das Magazin „Forbes“ recherchierte gar bei der International Churchill Society, und die wiederum versichert auf der Basis der Kenntnis von „50 Millionen Äußerungen von und über Churchill, einschließlich aller seiner Bücher, Artikel, Reden und Papiere“, dass ihr Namensgeber diesen Satz nie formulierte.

DeSantis mag sich mit Geschichte, zumal der britischen, nicht sonderlich auskennen. Was aber aufschlussreich an seinem Rückzug ist: Bisher galt er trotz des großen Vorsprungs von Trump in Iowa als zweitstärkster Kandidat, noch knapp vor Haley. Wenn er jetzt sagt, er sehe keine Chancen für seine Bewerbung, bestätigt er zugleich, dass er den Gerichtsverfahren gegen Trump keinerlei Aussichten zumisst, den New Yorker Milliardär mit dem hochgeschwindelten Vermögen aus dem Kandidatenrennen zu kicken.

DeSantis , 44, verband seine Kapitulation in dem Video mit einer Ergebenheitsadresse in Richtung Trump, 77, der bislang noch keinen „running mate“ als Bewerber für den Vizepräsidentenjob ernannt hat, und einer Attacke auf Haley, 51. „Trump ist dem derzeitigen Amtsinhaber Joe Biden überlegen“, so DeSantis. „Das ist klar. Ich habe mich verpflichtet, den republikanischen Kandidaten zu unterstützen, und ich werde dieses Versprechen einhalten. Ich unterstütze ihn, weil wir nicht zur alten republikanischen Garde von gestern zurückkehren können: eine neu verpackte Form des aufgewärmten Korporatismus, den Nikki Haley repräsentiert.“

In den vergangenen Wochen hatte sich Trump regelmäßig über DeSantis mokiert, über sein Schuhwerk ebenso gewitzelt wie über seinen Gesichtsausdruck. Und noch bevor DeSantis am Sonntag seinen Rückzug verkündete, höhnte Trump bei einer Veranstaltung: „Ruhe er in Frieden.“

Und die Gerichtsverfahren? Entscheidend wird der Spruch des Supreme Court sein: Die Verfassungsrichter müssen entscheiden, ob Trump im Zusammenhang mit dem Sturm seiner Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021 noch für ein öffentliches Amt antreten darf. Die Bundesstaaten Maine und Colorado hatten Trump von den Vorwahlen ausgeschlossen, weil sie dem damals abgewählten, aber noch im Weißen Haus sitzenden Trump vorwerfen, die putschähnlichen Unruhen befördert zu haben.

Von den neun Supreme-Court-Richtern wurden sechs von republikanischen Präsidenten vorgeschlagen, davon wiederum drei von Trump. DeSantis zumindest scheint sicher, dass die Richter ihren einstigen Mentor juristisch retten werden.

Dafür spricht vieles. Andererseits hatte Trump den Supreme Court im Herbst 2022 gebeten, zu seinen Gunsten zu intervenieren und Ermittlung von Bundesbehörden in seinem Florida-Anwesen Mar-a-Lago wegen dorthin verbrachter klassifizierter Dokumente aus dem Weißen Haus zu stoppen. Erkennbar zu Trumps Überraschung und laut bekundetem Unmut lehnten die Verfassungsrichter eine solche Intervention aber ab, die Ermittlungen wurden fortgesetzt.

Sollten sich die obersten Richter auch in diesem Fall gegen Trump aussprechen, hätte Nikki Haley extrem gute Chancen, republikanische Präsidentschaftskandidatin zu werden. Dann hätte sich DeSantis übel verspekuliert. Und aus der Situation käme er auch nicht mehr mit einem Churchill-Zitat, ob echt oder gefälscht, heraus.

QOSHE - DeSantis kapituliert gegen Trump – und hinterlässt gefälschtes Zitat - Ansgar Graw
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

DeSantis kapituliert gegen Trump – und hinterlässt gefälschtes Zitat

11 0
22.01.2024

Artikel vom 22.01.2024

Was der Ausstieg des Gouverneurs von Florida aus dem republikanischen Präsidentschaftsrennen bedeutet – und warum Nikki Haley jetzt auf einen Richterspruch hoffen kann

Ein gefälschtes Zitat ist das letzte, was von Ron DeSantis jetzt abgebrochener Bewerbung um das republikanische Präsidentschaftsticket zurück bleibt. Und eine wichtige Erkenntnis über Donald Trumps Aussichten in den mindestens vier Strafverfahren, die gegen ihn laufen.

DeSantis, der lange Zeit als größte Bedrohung für Trumps erneute Kandidatur zum Weißen Haus galt, hatte Mitte Januar bei den ersten Vorwahlen der Republicans für die Präsidentschaftswahlen im November eine krachende Niederlage erlitten: Kam der frühere Präsident Trump auf 51,01 Prozent (56.260 Stimmen), reichte es bei dem im vorigen Jahr vorübergehend als Favoriten gehandelten DeSantis nur zu 21,23 Prozent (23.420 Stimmen). Damit lag er ganz knapp vor der früheren Gouverneurin von South Carolina und UN-Botschafterin Nikki Haley (19,12 Prozent, 21.085 Stimmen). Die Drittplatzierte startet nun am morgigen Dienstag als letzte ernstzunehmende Widersacherin gegen Trump in die Primaries von New Hampshire. Dort liegt Trump zwar laut Umfragen ebenfalls vorn, aber mit 39 zu 32 Prozent ist seine Führung vergleichsweise........

© The European


Get it on Google Play