Liebe Frau Peirano,

seit Januar 2022 lebte ich eine Affäre mit einem, wie er sagte, sehr glücklich verheirateten Mann (16 Jahre verheiratet, zwei Kinder, 10 und 12 Jahre alt). Wir lernten uns bereits sechs Monate vorher kennen, ließen uns aber erst viele harmlose und kollegial-freundschaftliche Chats später auf diese sexuelle Affäre ein. Mit der Abmachung, dass sein und mein Leben sich dadurch nicht verändern dürften.

Ich war zu der Zeit in einer unglücklichen Partnerschaft und trennte mich im März 2023 von meinem Partner, um mein Single-Leben und meine Unabhängigkeit zu genießen. Gleichzeitig erfreute ich mich aber auch an der unverbindlichen und sexuell aufregenden Affäre.

Ich empfand es so, dass meine Affäre das gemeinsame Ausleben unserer sexuellen Fantasien ebenfalls genossen hat, und er teilte mir das auch immer so mit. Wir chatteten oft über Alltägliches, aber auch über unsere Fantasien, und unsere Grenzen waren uns dabei immer bewusst. Niemand wünschte sich eine feste Beziehung.

Dann plötzlich schrieb er im Dezember, dass er in zwei Monaten umziehen werde. Die Affäre wolle er aber gerne aufrechterhalten.

Erst als ich einige Wochen später zufällig fragte, wann er denn den Entschluss gefasst habe umzuziehen, und er sagte "im Sommer", verletzte mich das zutiefst. Ich fühlte mich betrogen und fragte ihn auch, warum er es denn nicht dann bereits im Sommer erwähnt habe. Er antwortete, dass er das nicht als wichtig erachtet hätte, bis das Datum des Umzugs feststand. Ich empfand das sehr kränkend, da er nicht mit offenen Karten gespielt hat, schließlich hatten wir regelmäßig Kontakt, und es gab viele Gelegenheiten, es anzusprechen. Als ich ihn mit meiner Verletzung konfrontierte, schob er es auf meine "zu hohen Erwartungen, die er offensichtlich nicht erfüllen könne", und ich entgegnete, dass es mir lediglich um offene und ehrliche Kommunikation und Vertrauen ging. Wieder schob er es auf mich.

Ich fragte ihn dann, ob er vielleicht jemanden kennengelernt hätte, und er verneinte mit den Worten: "Nein, so einer bin ich nicht." Ich entgegnete: "Doch natürlich, schließlich hintergehst du deine geliebte Ehefrau mit mir seit Jahren. Natürlich bist du so einer und könntest das genauso mit mir tun." Er lachte darüber und schickte einen Smiley hinter dem Satz "In dem Punkt hast du Recht".

Daraufhin explodierte ich und sagte, wenn er weiterhin so auf meinen Gefühlen rumtrampeln würde, müsste ich mit seiner Frau ein offenes Wort sprechen.

Seither ist Funkstille – oder eine von ihm gewünschte "Sendepause" – und bei mir wechseln sich Wut und Trauer ab. Wie kann ich meine Emotionen besser ordnen und einen Abschluss finden? Dieses unschöne Ende wäre vermeidbar gewesen.

Viele Grüße
Olga L.

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Liebe Olga L.,

ich musste erst einmal lange überlegen, bevor ich Ihnen antworten konnte. Das ist für mich immer ein Zeichen, dass die Situation komplex und widersprüchlich ist und es keinen einfachen, "glatten" Lösungsansatz gibt.

Ein für mich interessanter Punkt ist, dass Sie sich selbst darauf eingelassen haben, eine Affäre mit einem glücklich verheirateten Mann und Vater von zwei Kindern zu führen. Das heißt ja, dass Sie es mit einem Mann zu tun haben, der sich nicht an Absprachen hält, nicht mit offenen Karten spielt, nur selektive Informationen herausgibt und für sich aus beiden Welten das Beste herausholt.

Und dabei vermeidet er natürlich auch Konflikte, die sich ergeben würden, wenn er ganz ehrlich wäre.

Oft denken Frauen, die den Part der Geliebten einnehmen, dass der betreffende Mann ihnen gegenüber ehrlich ist, weil er sie liebt und die Ehefrau sozusagen den undankbaren Part der belogenen und betrogenen Frau innehat. Das ist jedoch weit von der Realität entfernt, denn wer es schafft, eine genussvolle Affäre ohne Gewissensbisse über längere Zeit zu führen, zeigt ja, dass er generell in der Lage ist, seinen Vorteil auf Kosten anderer auszuleben.

Sehr oft muss ich das Frauen, die in einer Affäre mit einem verheirateten Mann sind, vor Augen führen, weil sie es nicht wahrhaben wollen. Sie sind sich dessen aber sehr wohl bewusst und haben es ihm ja auch selbst gesagt. Das finde ich sehr reflektiert und mutig von Ihnen, sich auch diesem wunden Punkt genau anzusehen! Anscheinend ist dieser wunde Punkt aber etwas, dass Ihnen im Kopf zwar die ganze Zeit bewusst war, aber nicht ins Fühlen und Handeln vorgedrungen ist.

Erst als Sie (zum ersten Mal?) erlebt haben, dass die Verschleierung und Unehrlichkeit sich gegen Sie selbst richteten, weil der Mann Ihnen bewusst über Monate verheimlicht hatte, dass er seinen Wohnort wechselt, fiel der Groschen. Diese bittere Erkenntnis drang dann auch zu Ihren Gefühlen durch und richtete da große Schmerzen und Verletzungen an. Und seine "scherzhafte" Reaktion (ein Lachsmiley) hat es noch schlimmer gemacht und Ihre Gefühle bagatellisiert.

Sie sind wütend und traurig. Das kann ich gut verstehen. Schließlich haben Sie sich ihm auch geöffnet und mit ihm eine gemeinsame, fantasievolle und erotische Zeit gehabt. Um so etwas miteinander haben zu können, muss man sich auch aufeinander einlassen und sich öffnen. Sie hatten ein gemeinsames, geheimes Reich der Freiheit und der eigenen Spielregeln jenseits des Alltags mit gemeinsamen Vereinbarungen. Dem hat er jetzt seine eigene Spielregeln übergeordnet und für sich (oder wahrscheinlich gemeinsam mit seiner Frau) entschieden, wegzuziehen und dadurch die Affäre mit Ihnen auch zu verändern. Sie werden sich ja dann nicht mehr so einfach sehen können.

Er hat Sie also mit seiner (oder mit seiner Frau getroffenen gemeinsamen) Entscheidung ausgegrenzt. Klare Ansage: Ich mache, was ich will. Das war für Sie eine Verletzung, und es hat auch einen Hauch von Machtausübung: Ich ändere die Spielregeln ohne Absprache, und du musst dich dem fügen.

Sie haben sich dieser Macht widersetzt, indem Sie die Drohung ausgesprochen haben, seiner Frau von der Affäre zu erzählen. Sie haben sozusagen den Finger auf den roten Knopf der Atombombe gelegt, mit dem Sie ihn und seine Familie hochgehen lassen könnten. Damit haben Sie eindeutig gezeigt, dass man Sie nicht einfach übergehen kann, sondern dass Sie scharfe Waffen in der Hand haben.

Hat Ihnen das gut getan, sich zu wehren? Denken Sie ernsthaft daran, Ihre Drohung auch in die Tat umzusetzen, um sich zu rächen? Glauben Sie, dass es Ihnen danach besser gehen würde? Oder vielleicht noch schlechter? Sie betreten hier sehr explosives Gelände, und ich würde Ihnen empfehlen, diese Punkte mit einer vertrauenswürdigen Person (Freundin, Therapeutin, Coach) in Ruhe durchzugehen. Denn es hätte, wie gesagt, massive Konsequenzen, wenn Sie ihn und seine Familie in die Luft jagen.

Vielleicht reicht ja die Erkenntnis, dass Sie es jederzeit tun könnten. Es sind auch Kinder betroffen, die darunter leiden würden, wenn die Eltern eine Krise haben oder sich trennen. Gleichzeitig haben Sie mit der Atombomben-Drohung natürlich einen Punkt erreicht, an dem es keine Umkehr mehr gibt. Sie haben ihn und sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Spiel ist aus! Ab hier wird es nur noch schmutzig.

Auch mit diesem radikalen Ende, an dem Sie ja nicht unbeteiligt sind, müssen Sie jetzt leben. Ein Abschiedsgespräch könnte sich unter diesen Vorzeichen sehr schwierig gestalten, da das Vertrauen beiderseitig komplett zerstört ist. Es wäre wahrscheinlich das Ratsamste, es zu lassen. Damit stehen Sie jetzt bildlich gesprochen alleine da, haben zwar Ihren Finger immer noch auf dem roten Knopf, aber das Drücken würde Ihr Leben nicht verbessern und Ihren Schmerz nicht lindern.

Jetzt wäre es das Beste, auf sich selbst zu schauen und Ihren Schmerz zu verarzten. Schreiben Sie sich die Wut und die Trauer von der Seele (täglich zweimal mindestens eine halbe Stunde), schicken Sie sich selbst Sprachnachrichten und beantworten diese, als kämen sie von einer lieben Freundin. Gehen Sie spazieren, legen Sie sich ins Bett und weinen, wenn Ihnen danach ist, oder knallen Sie die Tennis-Bälle über den Platz (oder joggen Sie, gehen schwimmen, tanzen zu Gianna Nannini o.Ä.).

Wenn es nötig ist, gehen Sie zu einem Coaching. Akzeptieren Sie, dass es eine Weile dauern wird, bis Sie über diese Affäre hinweg sind. Erst am Ende, wenn der Sturm sich gelegt hat, können Sie sich fragen, was Ihr Lerneffekt aus der ganzen Geschichte ist.

Herzliche Grüße
Julia Peirano

QOSHE - Wie verarbeite ich das Ende meiner Affäre? - Dr. Julia Peirano
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Wie verarbeite ich das Ende meiner Affäre?

15 0
09.04.2024

Liebe Frau Peirano,

seit Januar 2022 lebte ich eine Affäre mit einem, wie er sagte, sehr glücklich verheirateten Mann (16 Jahre verheiratet, zwei Kinder, 10 und 12 Jahre alt). Wir lernten uns bereits sechs Monate vorher kennen, ließen uns aber erst viele harmlose und kollegial-freundschaftliche Chats später auf diese sexuelle Affäre ein. Mit der Abmachung, dass sein und mein Leben sich dadurch nicht verändern dürften.

Ich war zu der Zeit in einer unglücklichen Partnerschaft und trennte mich im März 2023 von meinem Partner, um mein Single-Leben und meine Unabhängigkeit zu genießen. Gleichzeitig erfreute ich mich aber auch an der unverbindlichen und sexuell aufregenden Affäre.

Ich empfand es so, dass meine Affäre das gemeinsame Ausleben unserer sexuellen Fantasien ebenfalls genossen hat, und er teilte mir das auch immer so mit. Wir chatteten oft über Alltägliches, aber auch über unsere Fantasien, und unsere Grenzen waren uns dabei immer bewusst. Niemand wünschte sich eine feste Beziehung.

Dann plötzlich schrieb er im Dezember, dass er in zwei Monaten umziehen werde. Die Affäre wolle er aber gerne aufrechterhalten.

Erst als ich einige Wochen später zufällig fragte, wann er denn den Entschluss gefasst habe umzuziehen, und er sagte "im Sommer", verletzte mich das zutiefst. Ich fühlte mich betrogen und fragte ihn auch, warum er es denn nicht dann bereits im Sommer erwähnt habe. Er antwortete, dass er das nicht als wichtig erachtet hätte, bis das Datum des Umzugs feststand. Ich empfand das sehr kränkend, da er nicht mit offenen Karten gespielt hat, schließlich hatten wir regelmäßig Kontakt, und es gab viele Gelegenheiten, es anzusprechen. Als ich ihn mit meiner Verletzung konfrontierte, schob er es auf meine "zu hohen Erwartungen, die er offensichtlich nicht erfüllen könne", und ich entgegnete, dass es mir lediglich um offene und ehrliche Kommunikation und Vertrauen ging. Wieder schob er es auf mich.

Ich fragte ihn dann, ob er vielleicht jemanden kennengelernt hätte, und er verneinte mit den Worten: "Nein, so einer bin ich nicht." Ich entgegnete: "Doch natürlich, schließlich hintergehst du deine geliebte Ehefrau mit mir seit Jahren. Natürlich bist du so einer und könntest das........

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