Liebe Frau Peirano,
ich bin 29 und suche allmählich einen festen Partner, denn ich hätte gerne demnächst eine Familie.
Zu mir: Ich bin Sozialpädagogin, bin emphatisch, intelligent und belesen, eher introvertiert und ein bisschen schüchtern, aber pflege verlässliche Freundschaften, komme aus einer liebevollen Familie aus der Eifel, mag die Natur und reise gerne. Mir wird gesagt, dass ich attraktiv bin. Ich habe eine gute Figur, aber mag meine breiten Hüften, meinen großen Po und meine Oberschenkel nicht. Ich bin vom Styling eher natürlich.
Ich war mit einem Reiseanbieter mehrmals auf einer Gruppenreise für Singles, und das letzte Mal in Kuba war eine Frau (Alisa) dabei, bei der mir schon beim ersten Ansehen die Warnlampen angingen. Sie sieht sehr gut aus, trug oft bauchfrei, tief ausgeschnitten, Hotpants und eng anliegend. Manchmal auch alles zusammen. Sie redete fast nur sinnfreien Blödsinn und war sehr egozentrisch. Sie kam zum Beispiel dauernd zu spät, ging feiern und machte danach das Licht im Doppelzimmer an, in dem ich schlief, weil sie betrunken in ihrem Koffer herumwühlen wollte.
Einmal ließ sie uns alle eine Stunde vor dem Bus warten, weil sie morgens nicht aus dem Bett gekommen war. Sie war manchmal sehr schlecht gelaunt, insbesondere wenn sie verkatert war, und redete mit keinem, steckte sich nur die Kopfhörer rein und zog eine "Fresse" (ich kann das nicht anders ausdrücken). Wenn sie dann wieder bessere Laune hatte, unterbrach sie unsere Gespräche, fing an, herumzutanzen und zog eine Show ab.
Wir waren in der Reisegruppe 7 Frauen und 5 Männer, alle so um die 30. Die anderen Frauen haben Alisa schnell durchschaut und hielten etwas Abstand zu ihr. Sie erzählte, dass sie öfter schon was mit verheirateten oder gebundenen Männern hatte, das kam bei uns Frauen nicht so gut an.
Aber bei den drei attraktivsten Männern war Alisa der Mittelpunkt. Die Blicke folgten ihr, die Männer ließen sich von ihr einwickeln. Wenn sie Salsa tanzen wollte, wollten plötzlich alle mitkommen und warteten darauf, mit ihr zu tanzen. Was sie zugegebenermaßen auch sehr gut beherrschte. Sie ging an einem Abend mit einem Kubaner am Strand spazieren, am anderen Abend wickelte sie Max aus unserer Gruppe ein, um dann wieder im Bus neben Florian zu sitzen und ihn in ihren Bann zu ziehen. Schulter an Schulter, tiefe Blicke, das ganze Programm.
Ich habe mich mit Florian sehr gut verstanden. Wir konnten uns intensiv unterhalten, waren ein paarmal alleine unterwegs und hatten die gleichen Interessen. Wir haben beide viel fotografiert und uns mit den kubanischen Kindern angefreundet, wir tauchen auch beide. Aber wen hat Florian am Ende der Tour gefragt, wann er sie wiedersehen kann? Nicht mich, sondern Alisa.
Alisa ist kein Einzelfall. Ich beobachte immer wieder, dass es einige Frauen gibt, die fast alle Männer haben könnten, und viele Frauen, die sich sehr anstrengen müssen, um bei einem Mann zu landen. Leider gehöre ich in die letzte Gruppe. Ich finde es einfach unverständlich, warum Männer solche Frauen wie Alisa nicht durchschauen, sondern sich von ihnen anziehen lassen wie die Mücken vom Licht.
So langsam verzweifle ich, weil ich einfach keine Chance habe. Wenn ich mich für einen Mann interessiere, sind immer schon einige andere Frauen in seinem Leben, die ihn in Beschlag nehmen und ihn verführen.
Haben Sie eine Idee, woran das liegt, dass Frauen wie Alisa so gute Karten haben und was ich machen kann, um auf Männer einen besseren Eindruck zu machen?
Viele Grüße
Greta N.
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Liebe Greta N.,
ich kann mir vorstellen, dass diese Erfahrungen, die Sie mit Männern machen, Sie sehr gekränkt haben. Sie bauen eine Verbindung mit Florian auf, die auf Gemeinsamkeit und Tiefgang beruht, und dann bemüht er sich darum, Alisa wiederzusehen. Und nicht Sie.
Es hört sich, auf den Punkt gebracht, so an als würden Sie sich selbst als B-Ware empfinden, an der kein Mann Interesse hat, wenn daneben das glitzernde neueste Model liegt. Das ist ganz schön hart! Kann es sein, dass Sie selbst sich diese Geschichte schon sehr oft erzählt haben und es Teil Ihrer inneren Überzeugungen geworden ist, dass die Männer Sie nicht wollen?
Wir gestalten ja unsere Umwelt durch unser Verhalten und durch innere Überzeugungen und Glaubenssätze. Wenn ich z.B. denke, dass die Männer bestimmt eine andere (also verführerischere) Frau als mich wollen, dann strahle ich das auch aus. Und diese Ausstrahlung kommt wieder bei den Männern an und suggeriert ihnen, dass ich mich nicht so begehrenswert finde. Ich kann mir vorstellen, dass Sie ein Thema mit Ihrem Selbstwertgefühl haben und daran arbeiten sollten.
Für die Theorie der Ausstrahlung spricht folgende Erfahrung, die eine 55-jährige Freundin von mir gemacht hat. Sie war ein ganzes Wochenende Bachata tanzen, hat also in enger Umarmung in sinnlicher Umgebung mit fremden Tänzern getanzt, gelacht und gefeiert. Sie war danach fix und fertig, aber extrem glücklich. Auf der Rückreise trug sie eine alte Jeans, ihre Brille und bequeme Sneaker. Sie hörte über ihre Kopfhörer Bachata und Salsa.
Ihr fiel auf, dass sie die Blicke der Männer am Flughafen und in der Bahn magisch anzog und wunderte sich darüber, dass ihr das in einem Moment passierte, wo sie so wenig gestylt war. Anscheinend haben die Nähe, die Umarmungen, die Hüftschwünge und die Komplimente des Bachata-Wochenendes sie in eine so selbstsichere und lockere Stimmung versetzt, dass Sie das ausgestrahlt hat. Die Botschaft ist: Wer sich mit sich selbst wohl fühlt und sich selbst sexy findet, strahlt das auch aus.
Das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit hinter Ihrer Beobachtung, dass viele Männer von Frauen wie Alisa fasziniert sind, obwohl Alisa anscheinend egoistisch, launisch, verantwortungslos und unreflektiert ist. Auf der anderen Seite scheint sie sich in ihrem Körper wohlzufühlen, kleidet sich dementsprechend sexy, tanzt hingebungsvoll Salsa und kann gut flirten (wenn sie will). Damit weckt sie die Phantasien der Männer, die sich ausmalen können, wie der Sex mit Alisa wäre. Ein Punkt für Alisa!
Außerdem ist es für manche Männer interessant, wenn sie die Aufmerksamkeit einer Frau erst gewinnen müssen. Viele Frauen suchen schon seit Längerem einen Partner und lassen sich anmerken, dass sie sich gerne schnell und fest binden möchten. Aus Sicht der Männer gibt es ein reichhaltiges Angebot von Frauen, die eine feste Beziehung möchten. Gerade beim Kennenlernen oder in der Anfangsphase einer Beziehung ist es für viele Männer angenehm, wenn die Frau ihnen Zeit lässt, sich in Ruhe auf eine Bindung einzustellen. Oder auch nur die gemeinsame Zeit zu genießen, ohne über eine Bindung nachzudenken. Die Frauen, die aus Sicht der Männer zu schnell, zu offensichtlich und zu unflexibel eine feste Beziehung wollen und darauf hinarbeiten, werden von Männern oft als Druck oder Angriff auf ihre Freiheit erlebt. Oft ziehen sie sich zurück, bevor die Falle zuschnappt.
Und genau in dieser Situation ist eine Frau wie Alisa, die wie ein Schmetterling von Blume zu Blume fliegt, oder unberechenbar wie eine Katze ihrer Wege geht und nur ab und zu kommt, um sich kraulen zu lassen, in den Augen vieler Männer angenehm. Sie verlangt nichts, sie erwartet nichts, ihr muss man nichts Verbindliches erklären. Sondern wenn man Glück hat, darf man mit ihr im Mondschein spazieren gehen, aber dann ist sie auch schon wieder weg.
Das weckt auch etwas den Jagdinstinkt des Mannes. Während sich häufig Frauen um ihn bemühen, die er nicht unbedingt will, muss er hier selbst aktiv werden. Das wertet Alisa in den Augen des Mannes wieder auf, weil er um Nähe zu ihr kämpfen muss. Dazu kommt, dass viele Männer Wert darauf legen, wie attraktiv ihre Partnerin (oder neue Flamme) in den Augen anderer Männer ist. Für viele Männer ist es eine Auszeichnung, eine Frau zu erobern, die von anderen Männern begehrt und beachtet wird.
Sie beschreiben, dass Alisa den drei attraktivsten Männern aus Ihrer Gruppe und noch einigen Kubanern den Kopf verdreht hat und sie somit unter den Männern als angesagte Trophäe gilt. Ja, das klingt sexistisch, aber so ist die Realität. Und mal anders herum: Wie würden Sie sich fühlen, wenn der attraktivste Schauspieler oder Musiker, den Sie kennen, mit Ihnen am Arm auf einer Party erscheinen würde? Sie wären wahrscheinlich gebauchpinselt, also funktioniert das auch anders herum.
Alisa hat erkannt und gelernt, wie man das Spiel spielen kann: Aufmerksamkeit schenken und entziehen, flirten und dann wieder ignorieren (oder mit jemandem anders flirten), sich erotisch präsentieren, aber keine Versprechungen machen und nichts einfordern. Offensichtlich klappt das gut bei ihr, jedenfalls in der Phase der ersten Annäherung. Vielleicht ist ja eine Single-Reise nach Kuba auch ein Rahmen, indem man (oder Mann) sich amüsieren möchte und nicht die Frau fürs Leben finden. Auch hier war Alisa in ihren guten Momenten für Spannung, Aufregung und Amüsement die Richtige.
Ich würde Ihnen empfehlen, Ihre gute Beobachtungsgabe zu nutzen, um einerseits selbstwertschädliche Gedankenmuster in Ihnen aufzuspüren und zu verändern. Wenn Sie sich immer wieder sagen, dass Männer Frauen wie Sie nicht interessant finden, trifft es auch ein.
Und zum anderen würde ich Ihnen raten, mal zu beobachten, welche Männer Sie denn mögen. Es kann sein, dass Sie so mit dem Konkurrenzkampf mit Frauen wie Alisa beschäftigt sind, dass Sie die Männer nicht bemerken, die eine Frau wie Sie wollen. Hier könnten Sie sicher interessante Beobachtungen machen. Und möglicherweise gibt es Ihnen auch Hinweise, in welchem Umfeld Sie diese Männer finden, die mehr Tiefgang suchen.
Ich habe zu diesem Thema zwei Buchtipps:
Eva Wlodarek: Passt genau. Endlich den richtigen Partner finden.
Helen Fisher und Gudrun Pawelke: Warum wir lieben. Die Chemie der Leidenschaft.
Herzliche Grüße
Julia Peirano
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