Sehr geehrte Frau Dr. Peirano,
ich bin 35, sehe sehr gut aus, wie mir viele Frauen attestieren, besitze gute Umgangsformen (Gentleman) und verdiene gut in einem interessanten Beruf. Deshalb bekomme ich extrem viel weibliche Aufmerksamkeit. Meine Freunde versuchen dauernd, mich zu verkuppeln. In Bars und Restaurants drehen sich die Köpfe. Ich lerne Frauen teils online, teils aber auch über den Beruf kennen.
Da ich gerade Single bin, schlage ich recht schnell ein Treffen vor, um zu sehen, ob es passt. Die Lady und ich gehen dann spazieren oder – wenn sie vielversprechend ist – auch essen. Wenn ich kein Interesse habe, sage ich ihr das gleich, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.
Wenn ich eine Dame wiedersehen möchte, passiert meistens das Gleiche. Schon nach ein paar Tagen dreht sich ihre ganze Aufmerksamkeit um mich, als wären wir bereits ein Paar. Einige Kandidatinnen haben mir nach ein paar Wochen gesagt, es habe sie gestört, dass ich mich nicht regelmäßig gemeldet hätte und auch einfach im Urlaub war, ohne mich zu melden.
Und das nach einem ersten unverbindlichen Treffen! Ich habe den Eindruck, dass die Frauen alle klammern und auf einen Anruf warten. Wenn ich den nicht mache, sind sie empfindlich gestört und beleidigt, werfen mir das insgeheim vor, tun aber so, als wäre alles in Ordnung. Überhaupt spielen sie alle das Spiel, dass sie ja so unabhängig seien. Aber eigentlich warten sie nur darauf, sich einen Mann zu angeln. Das ist zumindest mein Eindruck, und viele meiner Freunde bestätigen das aus ihren eigenen Dating-Erfahrungen. Das ist leider ganz schön vorhersehbar und langweilig.
Wenn ich einer Dame, die ich date, nicht jeden Morgen einen guten Morgen sowie abends eine gute Nacht wünsche und sie nicht frage, wie ihr Tag war oder mich (noch) nicht für ihren Alltag und ihre Probleme interessiere, wird mir das negativ ausgelegt. Ich habe mit Frauen, die mir noch fremd sind, nicht das Bedürfnis, immer die gleichen Zärtlichkeiten auszutauschen wie "Schlaf schön" oder "Hast du gut geschlafen?" Das ist mir zu banal, auch zu verfrüht. Wenn mich eine Frau wirklich interessiert, mache ich das alles von alleine, aber nicht mit der Pistole auf der Brust.
Ich habe den Eindruck, als wenn die Damen einen Film im Kopf abspulen, wie das Kennenlernen sein sollte. Der Mann muss sich nach dem ersten Treffen innerhalb einer Frist melden und sagen, wie schön es war, und er muss sofort ein zweites Treffen vorschlagen. Ich kann das in der Form nicht und ich will das auch nicht. Ich möchte nicht nach einem bestimmten Schema funktionieren, weil eine Frau sich langweilt und meint, ohne einen Partner könne sie nicht leben. Soll ich dann auch nach zwei Jahren einen Heiratsantrag machen und nach drei Jahren eine Familie gründen, alles schön nach Plan?
Mir vergeht die Lust aufs Daten, wenn die Frauen so unselbstständig und kühl oder beleidigt sind, solange ich nicht mitmache. Wie kann ich denn eine Frau kennenlernen und dabei das Gefühl haben, dass ich Zeit habe und frei bin in meinem Verhalten?
Viele Grüße
Stefan B.
Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.
Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.
Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.
Lieber Stefan B.,
ich kann gut verstehen, dass Ihnen das Daten keinen Spaß macht, wenn Sie dabei den Eindruck haben, immer die gleichen Erwartungen der Frauen erfüllen zu müssen. Sie stehen unter Druck, wenn es zu Vorwürfen, spürbarem Abkühlen oder einer Trennung führt, weil Sie die Anforderungen der jeweiligen Dating-Partnerin nicht erfüllt haben.
Schwierig ist, dass die Anforderungen ja nicht gemeinsam vereinbart wurden, sondern dass diese anscheinend in den Köpfen der Frauen stattfinden – wie ein Film, den die Frauen abspulen.
Ich habe selbst viele Frauen in Therapien oder Coachings begleitet, die einen vielversprechenden Mann kennengelernt hatten und deren Denken nur noch um diesen Mann gekreist ist, was meistens zu viel Leid geführt hat. Den betroffenen Frauen war ihr Dilemma bewusst und sie haben sich in der Regel ihren eigenen Gefühlen ausgeliefert gefühlt.
Was glauben Sie denn, warum die Frauen, die Sie in letzter Zeit kennengelernt haben, so schnell Gefühle für Sie entwickelt haben, während Sie Ihrerseits gelassener und abwartender bleiben konnten?
Ich habe hier ein paar Erklärungsmodelle, über die Sie nachdenken könnten.
Hypothese A:
Sie suchen sich – bewusst oder unbewusst – immer Frauen, die "von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" sind und zum Klammern neigen. Kann das zutreffen? Haben Sie schon einmal bewusst darauf geachtet, nach welchen Kriterien Sie sich die Frauen aussuchen, mit denen Sie sich treffen wollen? Kennen Sie das eventuell von Ihren Eltern (Mutter dreht sich um Vater) oder von einer früheren Liebespartnerin? Wenn Sie das nicht mehr wollen, sollten Sie sorgfältig darauf achten, dass eine Frau ein erfülltes eigenes Leben hat, von sich aus etwas Abstand hält (und zwar nicht aus Taktik, sondern weil sie noch andere Dinge zu tun hat) und nicht bedürftig wirkt. Um das herauszufinden, könnten Sie einer Frau ganz beiläufig ein paar Fragen stellen, bevor Sie sich zum ersten Mal mit ihr verabreden.
Zum Beispiel:
Eine andere Frage wäre:
Achten Sie doch auch darauf, ob die Frau Ihnen angemessene Grenzen setzt. Das ist ein sicheres Zeichen für ein gutes Selbstwertgefühl, wenn man es nicht allen Recht machen will, sondern auf sich selbst achtet. Wenn eine Frau zum Beispiel das Handy in den Flugmodus schaltet, wenn sie arbeitet, verabredet ist, Zeit für sich braucht oder Ruhezeiten hat, ist das ein positives Zeichen.
Hypothese B:
Eine andere Erklärung ist, dass die Frauen sich recht schnell in Sie verlieben und das Gefühl haben, dass etwas Besonderes zwischen Ihnen beiden ist. Wie wäre es, wenn Sie einmal genau beobachten, welche Signale Sie aussenden? Wenn Sie der Frau sehr viele Komplimente machen, ihr intensiv zuhören und vermitteln, dass Sie großes Interesse an ihr haben, macht sie sich natürlich Hoffnungen. Wenn Sie dann nach einem ersten Treffen abwartend sind, sich nicht melden oder zurückziehen, fühlt die Frau sich wie im Regen stehengelassen, weil sie nicht verstehen kann, warum Ihr Interesse nachgelassen hat. Das würde erklären, warum die Frau dann vorwurfsvoll und wütend ist. Es bedeutet: Du hast mir falsche Hoffnungen gemacht.
Manchmal senden nonverbale Zeichen eine andere Botschaft als die verbalen, und meistens glauben wir den nonverbalen Zeichen. Wenn jemand mir tief in die Augen schaut, liebevoll mein Gesicht streichelt und mir dabei sagt, "Lass es uns locker angehen", dann glaube ich eher der liebevollen Geste als den Worten. Seien Sie also vorsichtig mit körperlicher Zuneigung (insbesondere Sex) und betrachten Sie sich selbst einmal von außen oder holen Sie sich Rückmeldung von Ex-Freundinnen oder guten Freunden.
Ein weiterer Gedanke: Sind Sie momentan wirklich offen für eine Beziehung? Wenn ja: Treffen Sie sich nur mit Frauen, die Sie wirklich interessieren? Oder gibt es bei Ihnen auch eine gewisse Beliebigkeit bei der Partnersuche nach dem Motto: Ich treffe sie mal und dann schauen wir, wie es sich entwickelt. Wenn Sie sich recht beliebig mit Frauen treffen, ist es nicht verwunderlich, dass Sie kein starkes Interesse verspüren und innerlich distanziert bleiben. In dem Fall würde ich Ihnen klar raten, sich lieber nicht mit der Frau zu treffen, denn diese Begegnungen verursachen nur eine Menge Frust und Verwirrung auf beiden Seiten und verlaufen dann in der Regel im Sand.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei der Partnersuche etwas klarer vorgehen können und besser auf Ihre eigenen Gefühle achten. Und natürlich wünsche ich Ihnen, dass Sie einer Frau begegnen, bei der auf beiden Seiten echte Gefühle im Spiel sind und bei der Sie sich freuen, wenn Sie voneinander hören, sich schreiben oder sich sehen.
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