Liebe Frau Peirano,

ich bin 52 und seit vier Jahren von meiner Frau Sabine getrennt. Wir haben zwei Kinder (Helene, 14 und Luca, 12), die wir im Wechselmodell betreuen – die Kinder sind jeweils eine Woche bei ihr, eine Woche bei mir.

Sabine kommt aus einem sehr reichen Elternhaus und ist Zahnärztin. Natürlich gab es einen Ehevertrag, und nachdem sie einen neuen (und besser verdienenden) Freund gefunden und mich betrogen hatte, haben wir uns getrennt. Sie blieb natürlich in ihrem Haus, ich zog in eine kleine Wohnung. Ich hatte bis 2017 an einem Start-up gearbeitet, doch ein Konkurrent hatte die gleiche Idee und kam schneller auf den Markt. Seitdem arbeite ich in einem Callcenter und muss teilweise auch Wochenendschichten übernehmen, um über die Runden zu kommen.

Sabine war Geld immer sehr wichtig, das kennt sie aus ihrer Familie, und sie nutzt ihre finanzielle Überlegenheit krass aus. Stichwort Urlaube: Sie mietet eine riesige Finca mit Pool auf Ibiza und lädt noch Freunde der Kinder mit ein. Segeln, Surfen, Tauchen inklusive. Ich mache mit den Kindern Urlaub an der Ostsee oder habe versucht, mit ihnen Radtouren zu machen. Es ist ja klar, dass die Kinder, die mittlerweile auch bequem und verwöhnt sind, lieber mit Sabine verreisen.

Und manchmal mietet sie dann eine Finca in der Zeit, in der ich eigentlich die Kinder hätte und setzt ihnen in den Kopf, dass sie auch gerne mitkommen können, es seien auch befreundete Familien zur gleichen Zeit dort, und dass sie mich nur fragen müssten, ob ich einverstanden bin. Was soll ich dann machen? Ich sage zähneknirschend zu, da ich den Kindern solche Dinge nicht bieten kann und will, dass sie glücklich sind.

Helene und Sabine reiten und haben eigene Pferde. Der Stall ist auch in der Nähe von Sabine, und oft finden auch Turniere in meine Zeit statt. Wenn ich Helene in den Stall bringe, werde ich von Sabines Pferdefreundinnen mitleidig beäugt und fühle mich wie der letzte Depp.

Ich bin aber gut genug, um die lästigen Termine zu übernehmen. Kieferorthopäde, Impfungen, Lernen für Matheklausuren, kaputte Fahrräder flicken. All das schiebt sie mir gerne zu, auch auf den letzten Drücker: "Ach, Helene hatte so viel zu tun und hat übermorgen Mathe. Da musst du dich noch mal mit ihr hinsetzen."

Und dafür ist bei Sabine und ihrem neuen Freund immer High Life. Poolpartys, tolle Smoothies und Snacks für die Kinder und alle Freunde, die Kosten spielen ja keine Rolle und die Haushälterin füllt die Vorräte wieder auf, Restaurants, Hockey und, wie gesagt, die Pferde. Das ist der Standard für die Kinder.

Luca ist noch nicht so verdorben von dem Geld und spielt bei mir in der Gegend Fußball und Hockey. Er ist relativ zufrieden mit dem, was ich ihm bieten kann. Aber die Kinder müssen bei mir halt auch in einem Zimmer schlafen. Das passt Helene nicht.

Sie beschwert sich dauernd über Luca und versucht, immer Gründe zu finden, um bei Sabine zu bleiben. Und Sabine guckt, was gerade für sie selbst am besten ist. Mal passt es ihr gut in den Kram, dass die Kinder öfter bei ihr sind und sie lockt sie mit einem Köder. Und manchmal will sie auch mit ihrem Partner kinderfrei haben und ändert dann die Zeiten so, wie es ihr gerade passt. Dann wirft sie mir vor, dass sie die Kinder ja häufiger hatte und drängt mich, sie spontan zu nehmen. Selbst wenn ich arbeiten muss und dann nicht für die Kinder da sein kann.

Ich fühle mich an die Wand gestellt und wie ein ewiger Verlierer. Es macht mir große Sorgen, dass ich im Leben meiner Kinder nicht so eine Rolle spiele, wie ich es gerne würde.

Was kann ich machen?

Viele Grüße
Frederick G.

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Lieber Frederick G.,

das klingt nach einer verfahrenen Situation, insbesondere natürlich für Sie und die Kinder. Grundsätzlich kann es für Kinder gut sein, zwei verschiedene Lebenswelten kennenzulernen, weil das den Horizont erweitert. Kinder, deren Eltern aus unterschiedlichen Kulturen kommen (z. B. Vater Vietnamese, Mutter Deutsche) müssen zwar mehr Anpassungsleistung erbringen, aber sie sind auch in zwei Welten zu Hause und können auswählen, wie sie selbst diese Welten mischen wollen. Etwa ob sie vietnamesisch oder europäisch kochen (sprechen) wollen oder beides. Und auch in Bezug auf ihre Werte (Familienzusammenhalt, Kindererziehung, Gemeinschaftssinn) bekommen sie zwei sehr unterschiedliche Angebote und können auswählen.

In Ihrem Familiensystem klingt es allerdings so, als wenn es kein friedliches Miteinander gibt, sondern eine Konkurrenz oder einen Wettbewerb um die Gunst der Kinder. Und das ist fatal, weil das die Kinder oft auch zu Opportunisten macht. Wenn beide Eltern oder auch nur ein Elternteil die Abmachungen über den Haufen wirft und dabei mit Vorteilen für die Kinder winkt ("Du brauchst bei Papa keinen Rosenkohl zu essen. Komm doch zu mir, ich habe Pasta mit Garnelen bestellt"), dann vergleichen die Kinder und versuchen, für sich das Beste herauszuholen. Wie es in der Marktwirtschaft üblich ist (z. B. beim Preisvergleich von Mietwagen oder Telefonverträgen), aber eben in einer Familie nicht geschehen sollte.

Und diese Haltung der Lockangebote und des Übertrumpfens scheint Sabine auch zu fördern, weil sie das bessere Blatt in der Hand hält. Sie erlaubt es sich ja auch, sich nicht an Abmachungen zu halten und stets für sich selbst das Beste herauszuholen.

Sie hat ihren Mann betrogen und verlassen, weil sie einen vermeintlich besseren (oder reicheren) Partner gefunden hat. Sie sorgt dafür, dass die lästigen Aufgaben an Ihnen hängenbleiben und sie selbst den Spaß-Part übernehmen kann, was sie wiederum in den Augen der Kinder attraktiver macht. Und das lebt sie den Kinder vor und scheint damit erfolgreich zu sein. (An dieser Stelle denke ich an ABBAs so treffendes Lied: "The winner takes it all, the loser's standing small.")

Ich kann verstehen, dass Sie sich als Opfer der Umstände sehen und den Eindruck bekommen, dass sie nicht gegen die finanziellen Möglichkeiten Ihrer Ex-Frau ankommen. Ich würde Ihnen raten, einmal zu versuchen, diesen Wettbewerb aufzugeben und ganz auf sich und Ihre Rolle als Vater zu schauen. Was möchten Sie Ihren Kindern gerne geben und vermitteln, ganz unabhängig von Sabine?

Ich könnte Ihnen an der Stelle einen Roman empfehlen, in dem es um eine ähnliche Thematik geht. Der Unterschied ist, dass die Tochter in dem Roman bei ihrer Mutter und deren Partner in wohlhabenden Verhältnissen aufwächst und ihren Vater, der in sehr einfachen Verhältnissen lebt, erst kennenlernt. Der Roman ist sehr lebendig geschrieben und lesenswert!

Jan Weiler: "Der Markisenmann"

In dem Buch wird ganz deutlich, was der leibliche Vater seiner Tochter bieten kann, obwohl er ihr finanziell nur ein beengtes Zimmer in einem Lagerraum bereitstellen kann. Sie bekommt bei ihm Verständnis, einen ruhigen Zuhörer, Wertschätzung und innere Freiheit. Und über die Wochen, die sie bei ihm verbringt, knüpfen die beiden ein feines Band. Überlegen Sie sich doch einmal, was Sie Ihren Kindern geben können und möchten, was ganz persönlich ist und von Herzen kommt.

Wie möchten Sie mit Ihren Kindern essen und was kann daran bereichernd sein? Könnten Sie zum Beispiel mit Ihren Kindern kochen (und wenn Sie es nicht können, zusammen kochen lernen) und dadurch gemeinsame Erlebnisse schaffen? Und ihnen zeigen, wie man kreativ ist, Verantwortung übernimmt und etwas Sinnvolles tut, statt nur zu konsumieren?

Mögen Sie die Natur und können Sie Ihren Kindern das nahebringen, also zum Beispiel zusammen zelten oder Lagerfeuer machen? Spielen Sie gerne Karten oder andere Gesellschaftsspiele? Gibt es eine Gruppe, zu der Sie und die Kinder gehören könnten? Treffen Sie sich auch mit anderen Familien, wenn die Kinder bei Ihnen sind? Gibt es da Familien, mit denen es besonders viel Spaß macht und harmonisch ist?

Haben Sie auch mal an eine neue Partnerin gedacht? Wenn Sie eine Frau finden, die selbst Kinder hat und mit deren Kindern Ihre Kinder sich verstehen, könnte das auch das Gefühl von zu Hause geben. Könnten Sie mal gemeinsam ehrenamtlich etwas tun oder gebrauchte Kleider auf dem Flohmarkt verkaufen oder, oder, oder?

So könnten Sie Ihren Kinder andere Welten erschließen und ihnen zeigen, wie man sich sinnvoll beschäftigen und schöne Dinge erleben kann, ohne Geld auszugeben. Noch eine Idee: Vielleicht können Sie auch mal über einen Schrebergarten nachdenken. Das kostet nicht viel, könnte aber eine gemütliche Welt sein, in der Sie drei etwas Abstand vom Alltag bekommen.

Ich hoffe, dass Sie immer wieder auf das Verhältnis zwischen sich und den Kinder schauen und aufhören, sich mit Sabine zu vergleichen. Das hilft bestimmt auch Ihrem durch die Scheidung und die ganze Situation angeknacksten Selbstwertgefühl.

Engagieren Sie sich für Ihre Kinder und planen Sie gemeinsam, wie Sie Ihre Zeit verbringen wollen. Das wird dann auch Früchte tragen.

Herzliche Grüße
Julia Peirano

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QOSHE - Meine reiche Exfrau kauft und besticht die Kinder mit Geld. Ich gerate dadurch ins Abseits - Dr. Julia Peirano
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Meine reiche Exfrau kauft und besticht die Kinder mit Geld. Ich gerate dadurch ins Abseits

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31.10.2023

Liebe Frau Peirano,

ich bin 52 und seit vier Jahren von meiner Frau Sabine getrennt. Wir haben zwei Kinder (Helene, 14 und Luca, 12), die wir im Wechselmodell betreuen – die Kinder sind jeweils eine Woche bei ihr, eine Woche bei mir.

Sabine kommt aus einem sehr reichen Elternhaus und ist Zahnärztin. Natürlich gab es einen Ehevertrag, und nachdem sie einen neuen (und besser verdienenden) Freund gefunden und mich betrogen hatte, haben wir uns getrennt. Sie blieb natürlich in ihrem Haus, ich zog in eine kleine Wohnung. Ich hatte bis 2017 an einem Start-up gearbeitet, doch ein Konkurrent hatte die gleiche Idee und kam schneller auf den Markt. Seitdem arbeite ich in einem Callcenter und muss teilweise auch Wochenendschichten übernehmen, um über die Runden zu kommen.

Sabine war Geld immer sehr wichtig, das kennt sie aus ihrer Familie, und sie nutzt ihre finanzielle Überlegenheit krass aus. Stichwort Urlaube: Sie mietet eine riesige Finca mit Pool auf Ibiza und lädt noch Freunde der Kinder mit ein. Segeln, Surfen, Tauchen inklusive. Ich mache mit den Kindern Urlaub an der Ostsee oder habe versucht, mit ihnen Radtouren zu machen. Es ist ja klar, dass die Kinder, die mittlerweile auch bequem und verwöhnt sind, lieber mit Sabine verreisen.

Und manchmal mietet sie dann eine Finca in der Zeit, in der ich eigentlich die Kinder hätte und setzt ihnen in den Kopf, dass sie auch gerne mitkommen können, es seien auch befreundete Familien zur gleichen Zeit dort, und dass sie mich nur fragen müssten, ob ich einverstanden bin. Was soll ich dann machen? Ich sage zähneknirschend zu, da ich den Kindern solche Dinge nicht bieten kann und will, dass sie glücklich sind.

Helene und Sabine reiten und haben eigene Pferde. Der Stall ist auch in der Nähe von Sabine, und oft finden auch Turniere in meine Zeit statt. Wenn ich Helene in den Stall bringe, werde ich von Sabines Pferdefreundinnen mitleidig beäugt und fühle mich wie der letzte Depp.

Ich bin aber gut genug, um die lästigen Termine zu übernehmen. Kieferorthopäde, Impfungen, Lernen für Matheklausuren, kaputte Fahrräder flicken. All das schiebt sie mir gerne zu, auch auf den letzten Drücker: "Ach, Helene hatte so viel zu tun und hat übermorgen Mathe. Da musst du dich noch mal mit ihr hinsetzen."

Und dafür ist bei Sabine und ihrem neuen Freund immer High Life. Poolpartys, tolle Smoothies........

© stern


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