Liebe Frau Peirano,

meine Frau und ich sind seit 20 Jahren glücklich zusammen und seit dem Jahr 2010 glücklich verheiratet. Wir haben drei Kinder im Alter von 12, 6 und 3 Jahren. Wir sind jeder für sich beruflich erfolgreich und haben finanziell alles, was wir brauchen. Wir reden offen und ehrlich miteinander. Auch sexuell läuft es gut. Wir sind im Alltag ein eingespieltes Team, haben einen großen Freundeskreis und geben uns gegenseitig Freiraum für eigene Tätigkeiten. Eifersucht hat eigentlich nie eine Rolle gespielt. Auf beiden Seiten. Nur bei mir hat sich das vor kurzer Zeit geändert.

Meine Frau sieht gut aus, beschäftigt sich gerne mit hochwertigen Dingen und ist überaus kommunikativ. Sie hat ihren Maklerschein gemacht und in der Immobilienfirma eines langjährigen Bekannten (Klaus) als Freiberuflerin angefangen. Ein anderer langjähriger Freund (Mark), der ein erfolgreicher Unternehmer in der Stadt ist, macht nebenbei in Immobilien und ist mit in diese Firma eingestiegen. Alle Beteiligten sind, so wie ich das sehe, ebenfalls glücklich verheiratet.

Nun hat es sich zugetragen, dass diese Firma ein Weihnachtsessen veranstaltet hat. Etwas Vorglühen im Büro und dann zum Steakhaus gegenüber. Meine Frau hat mit drei Männern (noch einem jungen Kollegen) von 17 Uhr bis 23 Uhr gefeiert. Danach hatten meine Frau und ich zu Hause guten Sex. Zwei Tage später hörte ich von einem alten Bekannten, dass er meine Frau im Steakhaus gesehen habe und es sei wohl sehr feucht-fröhlich und etwas lautstärker zugegangen. Das hat mich getriggert und es brodelte es in mir.

Ich stellte meine Frau zur Rede und bat sie, mir Fotos etc. von dem Abend zu zeigen. Auf den Fotos war unter anderem zu sehen, wie sie wohl noch in der Firma etwas lasziv an einem Champagnerglas leckte. Auf einem Video isst sie sichtlich angetrunken einen Salat und bekommt von einem Freund Essen in den Mund gesteckt. Dazu feuerte er meine Frau an, ein bisschen erotisch das Essen in sich reinzuschaufeln und sagt zu dem Mann gegenüber am Tisch, dem das sichtlich unangenehm war, dass ihn das doch anturnen würde. In den Bildern meiner Frau erschien dann noch ein Selfie, wie sie diesem Freund einen Kuss auf die Wange gibt (dieses Foto hatte sie im Nachgang gelöscht).

Wir haben dann über das Thema gesprochen. Sie hat mir versichert, dass dort nichts gelaufen ist, was ich ihr zu 100 Prozent glaube. Die Szenen seien aus dem Zusammenhang gerissen. Man habe sich auch viel über die Familien und Kinder unterhalten. Eine sexuell aufgeladene Stimmung hätte nicht geherrscht.

Sie gab aber zu, dass sie zum Zeitpunkt in dem Steakhouse sehr angetrunken war. Mich macht es rasend, wie der Freund meine Frau in dieser Videoaufnahme zu einem Objekt in einer Männerrunde macht – indem er sie offensichtlich "angeschlagen" filmt und ihr noch etwas in den Mund steckt. Auch die Szene mit dem Champagnerglas ist nicht zufällig entstanden, sondern wohl auch eine "Regieanweisung", nachdem sie ein Glas mit dem Mund vorm Überlaufen bewahrt hatte. Für mich hat dies auf jeden Fall einen sexuellen Charakter. Nun ist meine Frau kein Kind von Traurigkeit, weist aber ungebührliches Verhalten sofort in seine Schranken. Darauf war ich immer stolz, dass wir so zueinander stehen. Mit den Freunden haben wir auch schon öfter ausgelassen zusammen gefeiert.

Wir haben uns dann weiter zu dem Thema ausgesprochen. An zwei Tagen, weil es mich nicht losließ. Wir haben auch vereinbart, wieder drüber zu sprechen, falls nötig, um es nicht zu unterdrücken.

Nun beschäftigt mich aber im Nachgang der Gedanke, dass der Freund sich an diesem Abend zu viel rausgenommen bzw. meine Frau es zugelassen hat. Ich habe das Gefühl, etwas dagegen tun zu müssen. Besonders triggert mich, dass ich denke, dass aus diesem spielerischen Foppen und freundschaftlicher Nähe bei den beiden etwas erwachsen könnte. Immer wenn ich nun etwas zur Ruhe komme, beschleicht mich dieser destruktive Gedanke.

Wie soll ich weiter reagieren? Ich hätte gern mein altes Vertrauen zurück. Gerade weil es auch Menschen sind, mit denen wir in Zukunft wieder beruflich und privat zu tun haben werden. Ich bin absolut kein Freund von Verboten.

Viele Grüße
Niklas Z.

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Lieber Niklas Z.,

ich kann verstehen, dass die Geschichte dieser Weihnachtsfeier Sie beunruhigt und verärgert! Es ist natürlich immer eine andere Perspektive, wenn man als Unbeteiligter etwas von außen betrachtet, als wenn man in dem Moment beteiligt war (wie Ihre Frau und die anderen Männer). Und gerade unter Alkoholeinfluss verwischt sich bei den Beteiligten doch die Grenze von dem, was in dem Moment "ok" ist. Letztlich wird man auch in der besten Partnerschaft nie zu 100 Prozent wissen, was der Partner oder die Partnerin macht, fühlt und empfindet.

Ich höre heraus, dass es zwei Dinge gibt, die Sie stören. Erstens ärgert es Sie, dass Ihre Frau die Grenze gegenüber sexuellem oder auch sexuell erniedrigendem Verhalten nicht so klar gesetzt hat, wie Sie es von ihr erwartet hätten und wie Sie es auch bisher von ihr kannten. Das zweite ist, dass die Männer, die Ihre Frau in diese erniedrigende Position gebracht haben, eigentlich gemeinsame Freunde sind und damit Ihnen und Ihrer Frau gegenüber respektlos gehandelt haben.

Das erste Problem sind Sie bereits angegangen, und es hört sich so an, als wenn Sie beide eine große Vertrauensbasis haben. Denn Ihre Frau hat sich auf das Gespräch eingelassen, Ihnen die Fotos gezeigt und hat zudem nach der Weihnachtsfeier Sex mit Ihnen gehabt. Ihre Frau hat anscheinend ehrlich auf Ihre Fragen geantwortet und nichts verschwiegen oder verleugnet, wie ich das sonst des öfteren bei Fragen rund um Eifersucht oder Untreue höre.

Das zweite Problem betrifft also Ihre Freunde und dabei die Frage, ob die Grenzüberschreitung bzw. Respektlosigkeit ihnen gegenüber angesprochen werden sollte und wenn ja, wer es tun sollte.

Ihre Frau schildern Sie als selbstbewusst. Insofern braucht sie keinen Retter oder Beschützer in Ihnen, um das zu benennen, was ihr selbst passiert ist. Aber die Respektlosigkeit ist ja nicht nur Ihrer Frau passiert, sondern auch Ihnen. Unter Freunden sollte man darauf vertrauen können, dass man keine sexuellen Avancen gegenüber dem Partner/der Partnerin eines Freundes/einer Freundin macht.

Ich würde Ihnen in dieser Situation also empfehlen, dass Sie beide gemeinsam ein Treffen mit Mark und Klaus organisieren und dann den Stier bei den Hörnern packen. Was denken Sie, wie die beiden darauf reagieren würden? Würden Sie es verleugnen oder verharmlosen, so nach dem Motto "War doch nur ein Spaß, wir haben gefeiert und hatten getrunken. Stell dich mal nicht so an"! In dem Fall würde ich Ihnen empfehlen, die Situation einmal umzudrehen und zu fragen: "Klaus, wie wäre es denn, wenn ICH mit DEINER Frau feiern würde und ich würde sie dabei filmen, wie sie Champagner von Gläsern leckt? Oder ICH würde andere Männer fragen, ob sie nicht auch angeturnt werden von DEINER Frau?"

Meistens fällt dann auch bei Menschen mit wenig Empathie der Groschen.

Außerdem kann man ja sagen: "Wehret den Anfängen." Wenn Sie und Ihre Frau gemeinsam auftreten und zusammen die überschrittene Grenze aufzeigen, dann ist es Klaus oder Mark nicht gelungen, Sie beide zu spalten. Eine Spaltung wäre nur geglückt, wenn Sie wütend über die Situation wären und Ihre Frau aber zu Mark und Klaus halten würden, z.B. indem sie Ihnen die Situation verheimlicht oder es selbst in Ordnung fände. Da würde sich ein feiner Haarriss bilden, der sich eventuell weiter ausweiten würden. Den gibt es aber offensichtlich nicht.

Das Wichtigste ist, dass Sie und Ihre Frau eine Einheit bilden. Ob Klaus und Mark es begrüßen, wenn Sie in die Schranken gewiesen werden, sollte nicht wichtig sein. Denn wie soll eine Zusammenarbeit weitergehen, wenn die Wertvorstellungen so weit auseinanderklaffen und die beiden Ihre Vorstellungen und Grenzen nicht akzeptieren?

Viele Grüße
Julia Peirano

QOSHE - Freunde haben meine Frau in eine sexuell erniedrigende Position gebracht – was soll ich tun? - Dr. Julia Peirano
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Freunde haben meine Frau in eine sexuell erniedrigende Position gebracht – was soll ich tun?

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13.02.2024

Liebe Frau Peirano,

meine Frau und ich sind seit 20 Jahren glücklich zusammen und seit dem Jahr 2010 glücklich verheiratet. Wir haben drei Kinder im Alter von 12, 6 und 3 Jahren. Wir sind jeder für sich beruflich erfolgreich und haben finanziell alles, was wir brauchen. Wir reden offen und ehrlich miteinander. Auch sexuell läuft es gut. Wir sind im Alltag ein eingespieltes Team, haben einen großen Freundeskreis und geben uns gegenseitig Freiraum für eigene Tätigkeiten. Eifersucht hat eigentlich nie eine Rolle gespielt. Auf beiden Seiten. Nur bei mir hat sich das vor kurzer Zeit geändert.

Meine Frau sieht gut aus, beschäftigt sich gerne mit hochwertigen Dingen und ist überaus kommunikativ. Sie hat ihren Maklerschein gemacht und in der Immobilienfirma eines langjährigen Bekannten (Klaus) als Freiberuflerin angefangen. Ein anderer langjähriger Freund (Mark), der ein erfolgreicher Unternehmer in der Stadt ist, macht nebenbei in Immobilien und ist mit in diese Firma eingestiegen. Alle Beteiligten sind, so wie ich das sehe, ebenfalls glücklich verheiratet.

Nun hat es sich zugetragen, dass diese Firma ein Weihnachtsessen veranstaltet hat. Etwas Vorglühen im Büro und dann zum Steakhaus gegenüber. Meine Frau hat mit drei Männern (noch einem jungen Kollegen) von 17 Uhr bis 23 Uhr gefeiert. Danach hatten meine Frau und ich zu Hause guten Sex. Zwei Tage später hörte ich von einem alten Bekannten, dass er meine Frau im Steakhaus gesehen habe und es sei wohl sehr feucht-fröhlich und etwas lautstärker zugegangen. Das hat mich getriggert und es brodelte es in mir.

Ich stellte meine Frau zur Rede und bat sie, mir Fotos etc. von dem Abend zu zeigen. Auf den Fotos war unter anderem zu sehen, wie sie wohl noch in der Firma etwas lasziv an einem Champagnerglas leckte. Auf einem Video isst sie sichtlich angetrunken einen Salat und bekommt von einem Freund Essen in den Mund gesteckt. Dazu feuerte er meine Frau an, ein bisschen erotisch das Essen in sich reinzuschaufeln und sagt zu dem Mann gegenüber am Tisch, dem das sichtlich unangenehm war, dass ihn das doch anturnen würde. In den Bildern meiner Frau........

© stern


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