Ob Jugendliche Ahnung von Demokratie haben, hängt davon ab, ob sie aufs Gymnasium gehen und ihre Eltern gebildet sind. Ein erschreckender Befund!

Wäre die Demokratie in NRW ein Elternhaus, stünde das Jugendamt wegen des Verdachts der Kindesvernachlässigung auf der Matte. Das legt die jüngste europäische Vergleichsstudie nahe. Demokratie hat bei den Teenagern Schwindsucht. Und die ist hausgemacht. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung dürfen Parteienvertreter an Wahlabenden nicht von der besorgniserregend sinkenden Wahlbeteiligung schwadronieren. Denn sie haben sie durch Nichtstun hervorgerufen.

Zwei Befunde macht diese Studie alarmierend deutlich: Kenntnisse des demokratisch verfassten Staates sind bei Teenagern massiv abhängig vom Bildungsstatus des Elternhauses. Und als zusätzlicher Treibsatz kommt hinzu, dass wir alle wissen: Wer gebildete Eltern hat, geht mit weitaus größerer Wahrscheinlichkeit aufs Gymnasium als Kinder aus nichtakademischen Elternhäusern.

Genau dort, wo das Land die Chancen hätte, ausgleichend zu wirken, wird das Bildungsgefälle noch verstärkt: Unterhalb der Gymnasien wird Sozialkunde und Politik in NRW überwiegend von fachfremden Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet oder fallen ganz aus. Immerhin muss man dem Land eine gute Kopfnote geben: Es hat sich – neben Schleswig-Holstein – als einziges Bundesland überhaupt der internationalen Untersuchung gestellt.

Dennoch: Wenn man dazu nimmt, dass vor allem jenseits der Gymnasien jenes Drittel der Schülerinnen und Schüler gebildet werden soll, das sich stärkere Privilegien der Religion wünscht, entsteht eine toxischen Mischung. Dass ausgerechnet das Verhältnis von Staat und Religion überhaupt keinen Platz in den Lehrplänen hat, ist angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen erschütternd.

Zusammengenommen schaffen diese Befunde die Grundlage dafür, dass Menschen auf unseren Straßen die freiheitlich-demokratische Grundordnung dazu nutzen, um die Abschaffung derselben und die Errichtung eines Kalifats zu fordern. Die zweite Bedrohung der Demokratie durch Rechtsaußenparteien wie die AfD wird aus der gleichen Quelle befeuert: Sie sammeln die Stimmen der politisch weniger Gebildeten mit Freuden ein.

Eine Demokratie, die die politische Bildung ihrer Kinder vernachlässigt, kappt die Wurzel, von der sie lebt.

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Politische Bildung: Demokratie muss Schule machen!

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28.11.2023

Ob Jugendliche Ahnung von Demokratie haben, hängt davon ab, ob sie aufs Gymnasium gehen und ihre Eltern gebildet sind. Ein erschreckender Befund!

Wäre die Demokratie in NRW ein Elternhaus, stünde das Jugendamt wegen des Verdachts der Kindesvernachlässigung auf der Matte. Das legt die jüngste europäische Vergleichsstudie nahe. Demokratie hat bei den Teenagern Schwindsucht. Und die ist hausgemacht. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung dürfen Parteienvertreter an Wahlabenden nicht von der besorgniserregend sinkenden Wahlbeteiligung schwadronieren. Denn sie haben sie durch Nichtstun........

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