In Israels Norden und Süden heulen die Sirenen. Im Fernsehen läuft die standardisierte Warnungsmeldung. Zwischen 2:00 und 5:00 Uhr sollen die iranischen Drohnen und Raketen Israel erreichen. Wie geht es den Menschen in ihren Wohnungen? Liat Zand ist 59 Jahre alt und arbeitet als Digital-Content-Texterin. Sie lebt mit Hund und Katze in Tel Aviv.

Frau Zand, was machen Sie gerade?
Ich schaue fern, habe gerade geduscht und trage meinen Pyjama. Wie jeden Abend. Und ich habe einen Whiskey getrunken.

Haben Sie eine Tasche vorbereitet?
Nicht mehr. Nach dem 7. Oktober hatte ich eine mit allem drin. Jetzt habe ich immer ein zusätzliches Ladegerät für mein Handy dabei, meinen Ausweis und Reisepass und Geld. Das war’s.

Werden Sie in den Schutzraum gehen?
Der Schutzraum ist im Erdgeschoss, er ist von 1955 für Raketen von 1955. Ich denke, ich werde diesmal nicht runtergehen. Würden wir getroffen, kämen wir nicht raus. Es ist so willkürlich, wo sie einschlagen werden. Ich nehme an, dass sie es auf Militärbasen abgesehen haben. Außerdem hat Israel ein sehr gutes Abwehrsystem für Kurz- bis Langstreckenraketen. Ich habe keine Angst, dass mir zu Hause etwas zustößt. Aber wenn eine Drohne einen Elektrizitätsverteiler träfe, wäre es gefährlich, weil es Infrastruktur ist. Das würde Schaden anrichten.

Was glauben Sie wird passieren?
Ich denke, es wird ein paar Tage lang ein großes Durcheinander geben. Die Situation ist neu für uns. Dies ist die erste direkte Konfrontation mit dem Iran. Ich hoffe aber, dass die USA - da die israelische Regierung seit dem 7. Oktober und auch schon davor nicht mehr funktioniert - das Kommando übernehmen werden, damit sich der regionale Konflikt nicht ausweitet. Ich hoffe, dass die USA der verantwortungsvolle Erwachsene sein werden.

Sie haben also keine Angst vor den Raketen?
Der 7. Oktober war der schlimmste Tag in Israels Geschichte. Selbst wenn mein Haus getroffen werden würde, wäre es nicht so schlimm. Wir sind 10 Millionen Israelis, nur wenige werden den Luftangriff überhaupt spüren. Ein oder zwei Raketen oder Drohnen werden überhaupt nur durchkommen. Unser Abwehrsystem ist gut. Aber der 7. Oktober war etwas anderes, etwas Unerwartetes, wie aus dem Mittelalter. Ich lebe immer noch in demselben Albtraum. Natürlich sind die Raketen eine Eskalation, aber nicht das Schlimmste. Nach dem 7. Oktober kamen bis zu 15.000 Raketen aus Gaza. Ein Haus in meiner Straße wurde getroffen. Wir sind bis zu vier Mal am Tag in den Schutzraum gelaufen.

Werden Sie heute Nacht schlafen?
Ich denke, ich werde auf dem Sofa schlafen und den Fernseher anlassen. Nach dem 7. Oktober habe ich mich in Straßenkleidung hingelegt, jetzt ist es anders. Der Hund und die Katze sind schon eingeschlafen. Nur ich bin da. Diese Nacht ist weniger beunruhigend als unsere allgemeine Situation. Das Schlimmste, was sich abspielt, passiert im Landesinneren.

QOSHE - „Ich habe keine Angst vor den Raketen“ - Sophie Albers Ben Chamo
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„Ich habe keine Angst vor den Raketen“

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14.04.2024

In Israels Norden und Süden heulen die Sirenen. Im Fernsehen läuft die standardisierte Warnungsmeldung. Zwischen 2:00 und 5:00 Uhr sollen die iranischen Drohnen und Raketen Israel erreichen. Wie geht es den Menschen in ihren Wohnungen? Liat Zand ist 59 Jahre alt und arbeitet als Digital-Content-Texterin. Sie lebt mit Hund und Katze in Tel Aviv.

Frau Zand, was machen Sie gerade?
Ich schaue fern, habe gerade geduscht und trage meinen Pyjama. Wie jeden Abend. Und ich habe einen Whiskey getrunken.

Haben Sie eine Tasche vorbereitet?
Nicht mehr. Nach dem 7. Oktober hatte ich eine mit allem drin. Jetzt habe ich immer ein zusätzliches Ladegerät für mein Handy dabei, meinen Ausweis und Reisepass und Geld.........

© Juedische Allgemeine


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