Stand: 10.01.2024, 09:08 Uhr

Von: Steffen Herrmann

Kommentare Drucken Teilen

Die Lokführergewerkschaft GDL und die Bahn sollten sich im Tarifstreit einigen. Doch dazu fehlt es ihnen an Größe.

Frankfurt – Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn beginnt das neue Jahr, wie das alte zu Ende ging: Die Lokführergewerkschaft GDL und das Bahn-Management stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber. Statt direkt miteinander zu sprechen, kommunizieren GDL-Chef Claus Weselsky und DB-Personalchef Martin Seiler vor allem über die Medien und vor Gerichten miteinander.

Während die beiden Bosse sich – mitunter auf einem extrem niedrigen Niveau – zanken, bleiben die Fahrgäste auf der Strecke. Der GDL-Streik legt das Land lahm, offiziell bis Freitag, die Auswirkungen werden aber noch länger zu spüren sein.

Aber wird der dreitägige Arbeitskampf Bewegung in die festgefahrenen Tarifgespräche bringen? Das bleibt offen – allzu große Hoffnungen sollten sich frustrierte Bahnreisende aber nicht machen. Denn die Tarifparteien liegen weit auseinander, echte Gespräche führt man derzeit nicht.

Während das Bahnmanagement – nach langem Zögern – inzwischen über flexiblere Arbeitszeiten zu sprechen bereit ist, besteht die Gewerkschaft weiterhin auf ihre Maximalforderung: An den Verhandlungstisch will GDL-Chef Weselsky erst zurückkehren, wenn die Bahn der GDL-Forderung nach der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zustimmt – und zwar schon im Voraus. Echte Verhandlungen, in denen beide Seiten Zugeständnisse machen müssen, sehen anders aus.

Der harte Konflikt ist Strategie. Mit dem Konfrontationskurs ist GDL-Chef Weselsky in der Vergangenheit gut gefahren. Der Gewerkschaft ist es gelungen, die Reallöhne der Lokführerinnen und Lokführer zwischen 2013 und 2022 einigermaßen konstant zu halten – den Streiks sei Dank. In Zeiten hoher Inflation ist das ein Erfolg, den sich Weselsky und seine Leute an die Brust heften dürfen.

Nun hat Weselsky die Lokführergewerkschaft aber in eine schwierige und sogar gefährliche Situation geführt. Statt das eigene Lebenswerk in seiner letzten Tarifrunde mit einem Abschluss zu krönen, der den Lokführerinnen und Lokführern mehr Geld bei weniger Arbeit ins Portemonnaie spült, muss sich Weselsky eine unangenehme Frage stellen lassen: Ist die GDL überhaupt noch tariffähig?

Hintergrund ist der Streit um die Leiharbeitergenossenschaft Fair Train. Sie soll der Bahn Lokführerinnen und Lokführer abwerben, die dem Konzern dann ausgeliehen werden. Die Genossenschaft lockt mit besseren Bedingungen, Grundlage dafür ist ein Tarifvertrag, den Fair Train mit der GDL geschlossen hat.

Die Gründung von Fair Train könnte sich für die GDL und Weselsky als Eigentor erweisen. Denn aus Sicht der Deutschen Bahn wurde die Gewerkschaft damit gleichzeitig auch zum Arbeitgeber; der Tarifvertrag sei ein unzulässiges „In-sich-Geschäft“, argumentiert der Staatskonzern.

Tatsächlich sind GDL und Fairtrain personell eng verflochten. Weselsky beispielsweise hat zwar kein Amt bei Fair Train inne, ist aber Gründungsmitglied. Sein designierter Nachfolger an der Spitze der GDL, Mario Reiß, ist Aufsichtsratsvorsitzender von Fair Train.

Alles kein Problem, hält die Gewerkschaft der Bahn entgegen. Wer Recht hat, klärt nun das Hessische Landesarbeitsgericht. Sollte das Gericht der DB-Argumentation folgen – einige Fachleute halten das durchaus für möglich –, könnte die GDL keine wirksamen Tarifverträge mehr abschließen. Es wäre eine Katastrophe für Weselsky und die GDL; das Lebenswerk des streitbaren Sachsen läge in Trümmern. Wer spricht dann noch über Tarifabschlüsse?

Kurzfristig bringt dieses Verfahren allerdings keine Bewegung in diese Tarifauseinandersetzung. Der Rechtsstreit könnte mehrere Jahre dauern und Bahn und GDL bis nach Karlsruhe vor das Bundesverfassungsgericht führen.

Bahn und GDL können ihre Streitigkeiten also nicht an die Gerichte delegieren, sondern müssen zurück an den Verhandlungstisch kommen. Dazu braucht es die Bereitschaft zum Kompromiss. Der Kompromiss wiederum erfordert Größe: Man rückt von eigenen Maximalforderungen ab und bewegt sich auf das Gegenüber zu. Das kann schmerzhaft sein und mag für manche wie Schwäche wirken.

Claus Weselsky und Martin Seiler sollte das egal sein. Die beiden starken Männer in diesem Konflikt haben nun die Chance, echte Vorbilder zu sein und zu zeigen: Kompromiss ist möglich, miteinander sprechen besser als übereinander – auch in politisch und wirtschaftlich unruhigen Zeiten wie diesen. Der erste Schritt: verbal abrüsten. Dann: ab an den Tisch, verhandeln. (Steffen Herrmann)

QOSHE - Bahn-Streik der GDL: Während die Bosse sich zanken, leiden die Fahrgäste - Steffen Herrmann
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Bahn-Streik der GDL: Während die Bosse sich zanken, leiden die Fahrgäste

10 0
10.01.2024

Stand: 10.01.2024, 09:08 Uhr

Von: Steffen Herrmann

Kommentare Drucken Teilen

Die Lokführergewerkschaft GDL und die Bahn sollten sich im Tarifstreit einigen. Doch dazu fehlt es ihnen an Größe.

Frankfurt – Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn beginnt das neue Jahr, wie das alte zu Ende ging: Die Lokführergewerkschaft GDL und das Bahn-Management stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber. Statt direkt miteinander zu sprechen, kommunizieren GDL-Chef Claus Weselsky und DB-Personalchef Martin Seiler vor allem über die Medien und vor Gerichten miteinander.

Während die beiden Bosse sich – mitunter auf einem extrem niedrigen Niveau – zanken, bleiben die Fahrgäste auf der Strecke. Der GDL-Streik legt das Land lahm, offiziell bis Freitag, die Auswirkungen werden aber noch länger zu spüren sein.

Aber wird der dreitägige Arbeitskampf Bewegung in die festgefahrenen Tarifgespräche bringen? Das bleibt offen – allzu große Hoffnungen sollten sich frustrierte Bahnreisende aber nicht machen. Denn die Tarifparteien liegen weit auseinander, echte Gespräche führt man derzeit........

© Frankfurter Rundschau


Get it on Google Play