Stand: 14.12.2023, 15:07 Uhr

Von: Richard Meng

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Über die Pisa-Studie wird sich nur kurz aufgeregt. Wer etwas verändern will, muss für Lösungen streiten. Die Kolumne.

Vielleicht wollte sie ja nur schnell nochmal bekannt werden. Jedenfalls hatte die damalige Vorsitzende des Bundeselternrates viel Resonanz, als sie glaubte, Kleiderordnungen für die Schulen fordern zu müssen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ja über Schuluniformen als Disziplinierungsmittel schwadroniert. Christiane Gotte hatte ihren Auftritt.

Es war bildungspolitisch der Tiefpunkt des Jahres: zum Vergessen, was schnell auch geschah. In der Bildungsszene ist inzwischen ja wieder mal Pisa-Zeit, schlechte Schulleistungen regen immer auf. Aber das hätte doch gerade noch gefehlt: staatlicherseits für Uniformität zu sorgen, in den Worten besagter Frau Gotte zur Vermeidung eines sogenannten lottrigen oder aufreizenden Outfits. Damit die Mütter (!) morgens weniger Stress mit ihren Kindern hätten.

Was daran mitten in der wiedergängigen Pisa-Debatte noch erwähnenswert ist? Der Vorgang zeigt, wie die Aufmerksamkeitsspirale für die Bildung inzwischen funktioniert. Nur Absurdes oder Katastrophales wird wahrgenommen, der Alltag hat mit beidem wenig zu tun. Er ist mühsam, grau, unscheinbar. Zum üblichen Bildungsjammer gehört in regelmäßiger Folge indes Alarm und Schulterzucken. Eher selten Veränderung.

Die schön-einfachen Rankings a la Pisa gehören zum Inventar solcher Debatten. Ein Erkenntnisproblem gibt es da nicht, der Leistungsabwärtstrend nach klassischen schulischen Maßstäben ist breit erforscht und erklärt. Aber ein Teil des Problems ist, dass solche Studien so tun, als wäre manche formale Anforderung von gestern heute noch zukunftsweisend.

In einer Hinsicht passte deshalb auch die illiberale Idee mit den Schuluniformen in den Trend. In der meist nur insiderhaften Bildungsdebatte hat sich eingebürgert, dass alle Lobbygruppen mit der Notwendigkeit der eigenen Entlastung argumentieren, wenn sie etwas fordern. Selbst diejenigen sehen dann besonders den Staat am Zug, die sich sonst immer laut gegen dessen Vorgaben wehren.

Über erzieherische Ziele und sich entwickelnde Inhalte redet kaum jemand, über die Wirkungsschwäche von Angeboten der Demokratiebildung und sich verändernde Leistungsherausforderungen schon gar nicht. Es hat sich – nicht zuletzt dank der oberflächlichen Quantifizierung Marke Pisa – Funktionsdenken durchgesetzt. Platt gesagt gilt am Tag nach dem Aufhorchen wieder: Hauptsache alle sind in ihrer Kritik mit sich zufrieden und niemand muss sich um etwas kümmern.

Hörbarer wird, wie hinter kaum mehr vorgehaltener Hand auf bestimmte, zumal migrantische Milieus gezeigt wird, in denen Erziehung nicht mehr stattfinde. Ein realer Ansatzpunkt? Genau da ist zu viel gefährliches Schulterzucken – während die Rechtspopulisten sich nicht lange zieren, autoritäre Sprüche zu klopfen. Auf dass wieder Ordnung werde in Lotterland.

Nicht selten erkennt man die Kultur eines Landes am Umgang mit Niederlagen und Schwächen, und seien sie deprimierend. Durchaus erweist sie sich auch in frustrierter Gleichgültigkeit, zumal bei gleichzeitiger Empörungssucht. Die Art, in der beim Aufploppen von Bildungsthemen pauschal geredet und dann wieder weggesehen wird, ist auch kulturell beängstigend. Die Probleme sind unbestritten da. Aber wer im Tagesfenster der Aufmerksamkeit nur nach mehr Geld, Regeln oder Eingreifen anderer ruft, hat die Pädagogik aufgegeben. Pädagogik? Da war mal was.

Richard Meng ist Chefredakteur der Zeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte und Kuratoriumsvorsitzender der Karl-Gerold-Stiftung.

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Bildung braucht Pädagogik

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14.12.2023

Stand: 14.12.2023, 15:07 Uhr

Von: Richard Meng

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Über die Pisa-Studie wird sich nur kurz aufgeregt. Wer etwas verändern will, muss für Lösungen streiten. Die Kolumne.

Vielleicht wollte sie ja nur schnell nochmal bekannt werden. Jedenfalls hatte die damalige Vorsitzende des Bundeselternrates viel Resonanz, als sie glaubte, Kleiderordnungen für die Schulen fordern zu müssen. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte ja über Schuluniformen als Disziplinierungsmittel schwadroniert. Christiane Gotte hatte ihren Auftritt.

Es war bildungspolitisch der Tiefpunkt des Jahres: zum Vergessen, was schnell auch geschah. In der Bildungsszene ist inzwischen ja wieder mal Pisa-Zeit, schlechte Schulleistungen regen immer auf. Aber das hätte doch gerade noch gefehlt: staatlicherseits für Uniformität zu sorgen, in den Worten besagter Frau Gotte zur Vermeidung........

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