Stand: 18.01.2024, 16:09 Uhr

Von: Pitt von Bebenburg

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Schwarz-Grün galt einst als modernes Zukunftsprojekt. Die Union gibt es auf, wie Hessen zeigt.

Boris Rhein regiert weiter in Hessen, und das in einem neuen Bündnis. Aber von Aufbruchstimmung ist wenig zu spüren, schon gar nicht bei den arg gerupften Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen.

Rheins neue Koalition bedeutet zugleich das Ende von Schwarz-Grün in Hessen. Das ist ein Einschnitt, dessen Bedeutung weit über das Bundesland hinaus reicht – und der nicht zuletzt bundespolitische Gründe hat. Schwarz-Grün, das noch vor der Bundestagswahl 2021 als mögliches Modell auch für Berlin galt, ist in Misskredit geraten.

Die Grünen, so die Botschaft aus Hessen, sind in der konservativen Bevölkerung zu einem solchen Feindbild geworden, dass die Union gerne die Partnerschaft mit ihnen beendet. Die Abgrenzung von der Ökopartei, die bei CSU-Chef Markus Söder bis zur Ausschließeritis reicht, ist in Mode. Das gilt sogar für ein Bundesland wie Hessen, wo die Grünen pragmatisch regierten und in zehn Jahren Vertrauen zwischen den einst verfeindeten Lagern gewachsen ist.

Die Koalition in Wiesbaden war nie eine Liebesbeziehung, sondern immer eine Zweckgemeinschaft. CDU und Grüne haben in zehn Jahren Koalition in Hessen eine Fähigkeit zur Kooperation aufgebaut, die auch in der Corona-Krise oder bei der Unterbringung einer hohen Zahl von Geflüchteten funktionierte. Das Bundesland galt damit als solides Gegenbild zum Chaos der Bundesregierungen von der großen Koalition bis zur Ampel. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch im Bund erstmals Schwarz-Grün geben würde.

Danach sieht es jetzt nicht mehr aus. Dabei ist die einseitige Beendigung der Beziehung in Hessen eher einer Stimmung als der Notwendigkeit geschuldet, denn so unprofessionell, wie die Grünen in der Bundespolitik teils agieren – Stichworte Heizungsgesetz, Kindergrundsicherung oder Klimageld –, waren die hessischen Grünen nie. Im Gegenteil: Sie haben ihre Ziele – etwa kostengünstige Angebote für den öffentlichen Nahverkehr oder mehr Ökolandbau – konsequent verfolgt. Und dort, wo sie sich nicht durchsetzen konnten, haben sie keinen öffentlichen Koalitionskrach vom Zaun gebrochen.

Es wird sich erweisen müssen, ob die schwarz-rote Koalition in der Lage ist, ebenso professionell zu agieren. Der Auftritt der hessischen SPD wirft jedenfalls kein gutes Licht auf Rheins neuen Partner. Die Genossinnen und Genossen rangelten unerbittlich um Posten, um am Ende ohne ihre erfahrensten Kräfte dazustehen und die Ministerien mit fachfremden Politiker:innen zu besetzen. In Hessen ist es vorbei mit Schwarz-Grün. Aber es wäre zu früh, generell das Ende dieser Konstellation auszurufen.

In Nordrhein-Westfalen unter Hendrik Wüst und in Schleswig-Holstein unter Daniel Günther regieren die beiden Parteien weiterhin zusammen. In Baden-Württemberg tun sie das unter der Führung eines grünen Ministerpräsidenten, der konservativer nicht sein könnte, in Sachsen und Brandenburg in Dreierbündnissen mit den Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen.

Doch in einer Zeit, in der die „Bild“-Zeitung und rechte Meinungsbildner in den sozialen Netzwerken die Grünen zum größten Übel erklären, schwimmen die Bosse der Union gerne auf der Anti-Grünen-Welle mit. Dieses Weltbild führt tief zurück in die Vergangenheit, in die Zeiten, in denen Leute wie Roland Koch und Joschka Fischer sich aneinander abarbeiteten.

Unter dem einstigen „Schwarzen Sheriff“ Volker Bouffier wurde dieses Denken überwunden. Nun hat ausgerechnet Boris Rhein die Bremse gezogen – der Frankfurter, der in seiner Heimatstadt schwarz-grüne Bündnisse ausgehandelt hat, als sie bei der Landes-CDU noch als „Teufelszeug“ gegolten hätten, wie er einmal sagte. Der Frankfurter Römer, wo CDU und Grüne seit 2006 insgesamt 15 Jahre zusammen regierten, war so etwas wie die Feuerprobe für Schwarz-Grün im Land.

Nun servierte Rhein die Grünen ab – so wie die Ökopartei 2021 der CDU den Stuhl vor die Tür des Römers gestellt hatte. Wer weiß, ob diese späte Genugtuung, neben der bundespolitischen Großwetterlage, auch ein Motiv für Rheins Partnerwahl ist.

Die Attraktivität der SPD kann es jedenfalls nicht gewesen sein. Eher ihre Schwäche. Denn Schwarz-Rot ist längst keine „große“ Koalition mehr. Der hessische Koalitionsvertrag spiegelt die Dominanz der CDU wieder.

So haben sich CDU und SPD in Hessen auf die Fahnen geschrieben, das Gendern mit Sonderzeichen in der öffentlichen Verwaltung, den Schulen, Universitäten und im Rundfunk zu verbieten. Das ist Teil des Kulturkampfs, der sich gegen das Abziehbild einer angeblich von Grünen und Linken gegängelten Republik wendet.

Wie weit die geschwächte SPD auf diesem Weg mitgeht, wird eine der spannenden Fragen in dieser hessischen Regierung sein. Und auch, ob sie wenigstens einige Erfolge in der Sozial- oder Wohnungsbaupolitik erringt.

Das wird auch Friedrich Merz mit Interesse beobachten. Nach der kommenden Bundestagswahl könnte sich für den CDU-Vorsitzenden die Frage stellen, ob er einer Koalition mit den Grünen oder mit der SPD den Vorzug gibt. Er kann dann bei Boris Rhein in Hessen nachfragen.

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18.01.2024

Stand: 18.01.2024, 16:09 Uhr

Von: Pitt von Bebenburg

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Schwarz-Grün galt einst als modernes Zukunftsprojekt. Die Union gibt es auf, wie Hessen zeigt.

Boris Rhein regiert weiter in Hessen, und das in einem neuen Bündnis. Aber von Aufbruchstimmung ist wenig zu spüren, schon gar nicht bei den arg gerupften Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen.

Rheins neue Koalition bedeutet zugleich das Ende von Schwarz-Grün in Hessen. Das ist ein Einschnitt, dessen Bedeutung weit über das Bundesland hinaus reicht – und der nicht zuletzt bundespolitische Gründe hat. Schwarz-Grün, das noch vor der Bundestagswahl 2021 als mögliches Modell auch für Berlin galt, ist in Misskredit geraten.

Die Grünen, so die Botschaft aus Hessen, sind in der konservativen Bevölkerung zu einem solchen Feindbild geworden, dass die Union gerne die Partnerschaft mit ihnen beendet. Die Abgrenzung von der Ökopartei, die bei CSU-Chef Markus Söder bis zur Ausschließeritis reicht, ist in Mode. Das gilt sogar für ein Bundesland wie Hessen, wo die Grünen pragmatisch regierten und in zehn Jahren Vertrauen zwischen den einst verfeindeten Lagern gewachsen ist.

Die Koalition in Wiesbaden war nie eine Liebesbeziehung, sondern immer eine Zweckgemeinschaft. CDU und Grüne........

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