Stand: 30.11.2023, 12:38 Uhr

Von: Joachim Wille

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Der UN-Klimagipfel ist eine Chance – trotz des Gastgebers. Die anderen Staaten müssen allerdings dagegenhalten. Der Leitartikel.

Ein UN-Klimagipfel in einem Land, das weltweit zu den Top-Produzenten von Erdöl und Erdgas gehört? Geleitet vom Chef eines Erdölkonzerns? Ziemlich absurd, oder? Das aber ist es, was vom heutigen Donnerstag an stattfindet. Die „COP28“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Konferenzort: Dubai.

Das Image der UN-Klimakonferenzen ist miserabel. Und in der Tat: Was soll man davon halten, dass seit dem ersten Treffen dieser Art in Berlin 1995 bereits 27 jährliche Megakonferenzen mit inzwischen Zehntausenden Teilnehmern abgehalten wurden, ohne dass eine Stabilisierung des Weltklimas auf einem halbwegs ungefährlichen Niveau erreicht wurde? Das war ja das Ziel, wie es in der Weltklimakonvention von 1992 festgehalten ist.

So gesehen ist es nachvollziehbar, wenn viele Menschen die Hoffnung aufgegeben haben, dass dieses Format überhaupt etwas bringt. Zumal mit der Hamas-Israel-Eskalation erneut Terror und Krieg den Gipfel überschatten, diesmal sogar in der Region, in der er stattfindet. Die internationale Zusammenarbeit, die beim Klima so nötig ist wie bei keinem anderen Thema, wird auf eine harte Probe gestellt.

Und das gilt umso mehr, wenn auch noch ein Erdöl-Topmanager Präsident der Konferenz sein wird, die nach dem Willen der Mehrheit der Delegationen eigentlich den Ausstieg aus der fossilen Energiegewinnung beschließen soll – der Boss des staatlichen Energiekonzerns Adnoc, Sultan Al Jaber. Im Vorfeld gab es zu Recht vehemente Proteste gegen diese Personalie, nicht nur von Umweltorganisationen, sondern sogar aus dem US-Kongress.

Wenn man weiß, wofür „Dr. Sultan“ steht, wie Insider den Adnoc-Chef nennen, ist ein Erfolg für das Klima stark gefährdet. Er hat unter anderem dafür plädiert, die weltweiten jährlichen Investitionen in fossile Brennstoffe bis 2030 um 600 Milliarden Dollar zu erhöhen. Und so ist auch Adnoc unter seiner Führung weiter auf Expansionskurs, investiert intensiv in neue Öl- und Gasgewinnung.

Keine Frage, das Klimaretten alleine durch die UN-Konferenzen ist zu langsam, nicht nur wenn sie in Staaten stattfinden, die ihr Einkommen zum großen Teil aus dem Verkauf fossiler Energien beziehen. Das Ziel, die Erderwärmung möglichst bei 1,5 Grad zu stabilisieren, ist bereits nicht mehr zu schaffen. Die 1,5 Grad werden nach Prognosen der Klimaforschung bereits in den nächsten Jahren erstmals und bis 2030 wohl dauerhaft überschritten werden.

Trotzdem wäre es falsch, die UN-Gipfel aufzugeben. Sie sorgen trotz ihrer Unzulänglichkeit durchaus für Fortschritte, auch wenn sie alleine für die Klimawende nicht ausreichen. Vor der Einigung auf das Pariser Weltklimaabkommen 2015 steuerte die Welt auf einem 3,5- bis Vier-Grad-Kurs. Heute sind es 2,9 Grad, wenn man nur die von den Regierungen beschlossenen Maßnahmen zugrunde legt. Rechnet man aber die Langfristziele der Staaten zur Klimaneutralität bis 2050 oder 2060 ein, landet man bei 1,8 Grad. Das ist gar nicht so weit entfernt von den 1,5, die als Sicherheitsline gegenüber dem Auslösen von gefährlichen Kipppunkten im Klimasystem gelten.

Das heißt: Der Druck der UN-Gipfel und der dort verabschiedeten Klimaziele hilft durchaus. Hinzu kommt die Erkenntnis in vielen Ländern, dass die Klimawandelfolgen bereits jetzt dramatisch sind und zumindest das CO2-Budget für die Zwei-Grad-Haltelinie, die auch im Paris-Vertrag steht, nicht überschritten werden darf.

Und hier ist nun die Frage, welche Dynamik die COP28 entwickelt. Der Gipfel ist ja nicht dazu verdammt, die Agenda von Al Jaber nachzubeten. Dieser verfolgt zwar die durchsichtige Strategie, die fossilen Energien quasi mit einem UN-Stempel als „klimafreundlich“ zu versehen. Techniken wie CCS, also die Abtrennung und unterirdische Endlagerung von CO2, sollen das möglich machen. Doch fortschrittliche Länder und Ländergruppen wie die EU können das verhindern und den Weg für den echten fossilen Ausstieg frei machen. Immerhin haben sie es im Vorfeld der COP geschafft, dass eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien bis 2030 ebenfalls in die Gipfelagenda aufgenommen wurde.

Damit CCS als fossile Verlängerung durchfällt und wegweisende Beschlüsse zu den Ökoenergien gefasst werden, gibt es nur eine Lösung: Die EU und andere reiche Länder müssen dem Rest der Welt auf anderen Feldern entgegenkommen. Hier geht es etwa um solide Finanzzusagen für den geplanten Entschädigungsfonds, der arme Länder bei bereits heute eintretenden Klimaschäden unterstützen soll (Gipfelsprech: „Verluste und Schäden“). Und darum, das Versprechen von 100 Milliarden Dollar jährlich für Klimaanpassung endlich zu erfüllen. Das haben die Industriestaaten schließlich schon auf dem Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen gegeben, ohne dass die Summe bisher voll erreicht wurde. Geld genug dafür ist da. Der IWF schätzt die direkten Subventionen, die weltweit für Kohle, Erdöl und Erdgas gezahlt werden, auf 1300 Milliarden Dollar. Bereits einen Teil davon fürs Klima umzuwidmen, wäre die Lösung. (Joachim Wille)

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Klimakonferenz in Dubai: Stoppt „Dr. Sultan“ beim UN-Klimagipfel!

17 0
01.12.2023

Stand: 30.11.2023, 12:38 Uhr

Von: Joachim Wille

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Der UN-Klimagipfel ist eine Chance – trotz des Gastgebers. Die anderen Staaten müssen allerdings dagegenhalten. Der Leitartikel.

Ein UN-Klimagipfel in einem Land, das weltweit zu den Top-Produzenten von Erdöl und Erdgas gehört? Geleitet vom Chef eines Erdölkonzerns? Ziemlich absurd, oder? Das aber ist es, was vom heutigen Donnerstag an stattfindet. Die „COP28“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Konferenzort: Dubai.

Das Image der UN-Klimakonferenzen ist miserabel. Und in der Tat: Was soll man davon halten, dass seit dem ersten Treffen dieser Art in Berlin 1995 bereits 27 jährliche Megakonferenzen mit inzwischen Zehntausenden Teilnehmern abgehalten wurden, ohne dass eine Stabilisierung des Weltklimas auf einem halbwegs ungefährlichen Niveau erreicht wurde? Das war ja das Ziel, wie es in der Weltklimakonvention von 1992 festgehalten ist.

So gesehen ist es nachvollziehbar, wenn viele Menschen die Hoffnung aufgegeben haben, dass dieses Format überhaupt etwas bringt. Zumal mit der Hamas-Israel-Eskalation erneut Terror und Krieg den Gipfel überschatten, diesmal sogar in der Region, in der er stattfindet. Die internationale Zusammenarbeit, die beim........

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