Stand: 15.03.2024, 20:42 Uhr

Von: Eva Quadbeck

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Das Weimarer Dreieck lebt wieder. Doch noch überwiegen die Dissonanzen zwischen Deutschland und Frankreich. Darüber können die schönen Bilder nicht hinwegtäuschen. Der Leitartikel.

Berlin – Das Treffen der Staats- und Regierungschefs des Weimarer Dreiecks aus Deutschland, Frankreich und Polen stand unter keinem guten Stern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist innenpolitisch enorm unter Druck. Seine Chance für Popularitätsgewinne sieht er in einer Gangart gegenüber Russland, in der sich die Atommacht zu jeder Maßnahme bereit zeigt. „Mut“ müsse man haben, findet Macron, und im Fall der Fälle eben auch Bodentruppen einsetzen.

In Deutschland verzeichnet die Ampelkoalition dramatisch schlechte Umfragewerte. Olaf Scholz wiederum sieht seine Chance für Popularitätsgewinne darin, sich als Friedenskanzler zu positionieren. Das ist angesichts der wachsenden Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Unterstützung der Ukraine die neue Strategie der SPD. Vorsicht müsse man walten lassen, findet Scholz. Gegensätzlicher geht es nicht.

So weit die Imagepflege mit jeweils innenpolitischer Brille. Bei Scholz allerdings muss man fragen, ob die Zuschreibung „Frieden“ als Vorsilbe für Kanzler korrekt ist. Immerhin führt er das Land, das nach den USA die zweitmeisten Waffen an die Ukraine liefert. Bei Macron wiederum ist erstaunlich, dass er von Bodentruppen spricht, aber noch nicht nicht einmal seinen bescheidenen Zusagen für Munitionslieferungen nachkommt.

Da überrascht es nicht, dass sich Scholz und Macron erst einmal zwei Stunden aussprechen mussten, bevor Polens Ministerpräsident Donald Tusk das Weimarer Dreieck komplettieren konnte. Die gute Nachricht, dass dieses Weimarer Dreieck wieder lebt und von drei blitzsauberen Demokraten geführt wird, wäre im grand Knatsch zwischen Deutschland und Frankreich beinahe untergegangen.

Der öffentliche Auftritt nach dem Treffen der drei ging zum Glück unfallfrei und ohne weitere öffentlich ausgetragene Meinungsverschiedenheiten über die Bühne. Lob für die Gesprächsatmosphäre, Ankündigung von Munitionsproduktion, Rückenstärkung für Moldau und die Versicherung, dass die Ukraine so lange unterstützt werde, wie dies nötig sei.

Am Ende langes gemeinsames Händeschütteln, als müsse man sich der verbal vorgetragenen Einigkeit noch einmal versichern. Fragen der Journalistinnen und Journalisten waren aber nicht zugelassen – möglicherweise war die Sorge doch zu groß, dass erneut Differenzen zutage treten könnten.

Für Polen als jüngstes EU- und Nato-Mitglied in dem Trio hat das Weimarer Dreieck die besondere Bedeutung, dass das Land in der Herzkammer Europas die Bedürfnisse aller osteuropäischen Länder vertreten muss. Und das größte Bedürfnis dort ist, gegenüber Russland Sicherheit zu schaffen.

Während der Regierungszeit der PiS-Partei war Polen als Stabilisator eines demokratischen Europas ausgefallen. Nun ist das osteuropäische Land wieder da. Das Weimarer Dreieck ist aber immer noch nicht der Stabilitätsanker, den Europa braucht. Denn nun verunsichern Deutschland und Frankreich mit ihren Eskapaden der Uneinigkeit den Rest der 27. Deutschland und Frankreich sind so zerstritten, dass die EU inzwischen auch ohne die beiden großen Nationen zu Entscheidungen kommt. Das wäre vor Scholz/Macron nicht denkbar gewesen.

Scholz kann noch so oft versichern, dass er Macron freundschaftlich verbunden sei. Die Realität sagt etwas anderes. Selten war das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich so schlecht wie heute. Man kann nur hoffen, dass der Zank auf offener Bühne von vor drei Wochen um Munition und Bodentruppen, um Mut und Feigheit tatsächlich der absolute Tiefpunkt war und dass sich das deutsch-französische Verhältnis nun wieder stabilisiert. Tusk hat es richtig formuliert: Nur ein einiges Europa wird der Ukraine dauerhaft helfen können.

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Einigkeit im Weimarer Dreieck gesucht: Scholz trifft sich mit Tusk und Macron

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15.03.2024

Stand: 15.03.2024, 20:42 Uhr

Von: Eva Quadbeck

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Das Weimarer Dreieck lebt wieder. Doch noch überwiegen die Dissonanzen zwischen Deutschland und Frankreich. Darüber können die schönen Bilder nicht hinwegtäuschen. Der Leitartikel.

Berlin – Das Treffen der Staats- und Regierungschefs des Weimarer Dreiecks aus Deutschland, Frankreich und Polen stand unter keinem guten Stern. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist innenpolitisch enorm unter Druck. Seine Chance für Popularitätsgewinne sieht er in einer Gangart gegenüber Russland, in der sich die Atommacht zu jeder Maßnahme bereit zeigt. „Mut“ müsse man haben, findet Macron, und im Fall der Fälle eben auch Bodentruppen einsetzen.

In Deutschland verzeichnet die Ampelkoalition dramatisch schlechte Umfragewerte. Olaf Scholz wiederum sieht seine Chance für Popularitätsgewinne darin, sich als Friedenskanzler zu........

© Frankfurter Rundschau


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