Stand: 11.12.2023, 16:59 Uhr

Von: Christine Dankbar

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Friedrich Merz baut die Merkel-Ära ab. Damit grenzt er praktisch alle relevanten Gruppen einer modernen Gesellschaft aus. Und empfiehlt sich als bessere Alternative für Deutschland.

Vor wenigen Tagen ist Ex-CDU-Chefin Angela Merkel als Mitglied bei der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgestiegen. Offiziell hieß es, sie wolle ihr Leben fernab politischer Zwänge gestalten. Nach einem erstem Blick in den Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU könnte man präzisieren: Sie will ihr Leben fernab der neuen politischen Zwänge in der CDU gestalten. Wer will es ihr verdenken?

Was die CDU unter Führung ihres neuen sehr alten Vorsitzenden Friedrich Merz am Montag in Berlin vorgelegt hat, ist nichts anderes, als der endgültige Bruch mit der Ära Merkel. Schluss mit weichgespültem Konservativismus. Jetzt geht es mit forschen Schritten zurück in die 90er Jahre. Fördern und fordern, Familie als Keimzelle der Gesellschaft, Arbeit ist eine Tugend, Leistung muss sich lohnen. Man kennt das alles. Friedrich Merz hat die Partei endgültig übernommen: die CDU als bessere Alternative für Deutschland. Der sehr konservative Unterton ist Absicht. So darf man den Entwurf des neuen Parteiprogramms verstehen.

Da gibt es ein Wiedersehen mit der „Leitkultur“ und gleich mal eine klare Ansage dazu. Diese Leitkultur der CDU müssten alle, die hier leben wollen, „ohne Wenn und Aber anerkennen“. Zur Leitkultur gehörten die Würde des Menschen, „unser Rechtsstaat, Respekt und Toleranz, das Bewusstsein von Heimat und Zugehörigkeit sowie die Anerkennung des Existenzrechts Israels“. Was da nicht dazu gehört, ist der Islam. In Abkehr des früheren CDU-Bundespräsidenten Christian Wulff ist der nun nicht mehr Teil Deutschlands. Jetzt heißt es: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.“ Wenn das kein Generalverdacht ist.

Aber es gibt noch Hoffnung. Generalsekretär Carsten Linnemann versicherte am Montag, er rechne beim Parteitag für das Grundsatzprogramm mit „mindestens 1000 Änderungsanträgen“. Eine Anregung: Eventuell könnte man den Satz: „Muslime, die unsere Werte teilen..“ ergänzen durch „Opus Dei-Anhänger, Zeugen Jehovas, Scientologen... die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“.

Nicht nur Muslime kriegen den erhobenen Zeigefinger ab. Auch für die Jugend gibt es etwas: das soziale Pflichtjahr! Das ist ein Lieblingsprojekt Linnemanns,. Das Konzept dafür hat die CDU bereits auf ihrem Parteitag 2022 verabschiedet. Danach geriet es klugerweise in Vergessenheit, wurde nun aber wieder hervorgezerrt. Weil es den sozialen Zusammenhang fördert! Eine schöne Idee, die aber nur bei Kindern verfangen dürfte, die aus sozial gesicherten bürgerlichen Elternhäusern kommen. Für alle anderen Jugendlichen ist es bloß ein weiteres Jahr, in dem prekär verdient wird. Die gute Nachricht: Vermutlich wird auch das am Geld scheitern. Schließlich wurde am Bundesfreiwilligendienst schon kräftig gespart. Der ist übrigens sehr beliebt. Und freiwillig!

Interessant ist beim Entwurf des CDU-Programms auch, was nicht drin steht. Dass Deutschland ein Einwanderungsland ist zum Beispiel. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden Hunderttausende Fachkräfte bei uns fehlen. Das lässt sich ansatzweise nur durch vermehrte Migration beheben. Diesem Problem widmet die CDU nur wenige Zeilen. Zwar erkennen auch die Konservativen, dass Deutschland Arbeits- und Fachkräfte „aus Europa und der Welt“ braucht. Klar ist aber: Die berufliche Qualifikation muss das entscheidende Kriterium für die „gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften“ sein. Eine Willkommenskultur initiiert man so nicht. Die aber wird man brauchen, wenn Deutschland mit seiner schwierigen Sprache und der wenig innovativen Bürokratie um die qualifizierte Menschen mit anderen Ländern konkurriert. Dass es dazu kommen wird, scheint man in der CDU nicht zu ahnen.

Beim Asylverfahren strebt die CDU einen abrupten Wechsel an: Reinkommen soll künftig nur, wer bereits einen positiven Asylbescheid hat. Den soll man in sicheren Drittstaaten stellen, in die man für die Dauer des Verfahrens überführt wird. Welche das sind, wie das in Europa umgesetzt werden soll – alles unklar. Es ist ja nur ein Grundsatzprogramm. Gleichzeitig wird über die Hintertür doch wieder eine Obergrenze – zumindest in die Diskussion – eingeführt. Bei der CDU heißt das euphemistisch: „Wir wollen Schutzbedürftige durch humanitäre Kontingente aufnehmen“. Sobald das mit den Drittstaaten geklärt ist, soll in Europa eine „Koalition der Willigen“ die Verteilung untereinander regeln.

Eine weitere Leerstelle des Programmentwurf ist die Klimapolitik. Einige wenige Unterpunkte am Ende mit dem Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen (zu spät) – und der Option für die Kernkraft als saubere Technologie. Sehr viel näher wird das nicht ausgeführt. Doch einen Vorteil hat der CDU-Programmentwurf. Er schafft Klarheit für einige große gesellschaftliche Gruppen: Frauen, Migrant:innen und Jugendliche bitte weitergehen, es gibt hier nichts zu sehen!

Von Christine Dankbart

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Die CDU will zurück in die 90er

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11.12.2023

Stand: 11.12.2023, 16:59 Uhr

Von: Christine Dankbar

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Friedrich Merz baut die Merkel-Ära ab. Damit grenzt er praktisch alle relevanten Gruppen einer modernen Gesellschaft aus. Und empfiehlt sich als bessere Alternative für Deutschland.

Vor wenigen Tagen ist Ex-CDU-Chefin Angela Merkel als Mitglied bei der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgestiegen. Offiziell hieß es, sie wolle ihr Leben fernab politischer Zwänge gestalten. Nach einem erstem Blick in den Entwurf des neuen Grundsatzprogramms der CDU könnte man präzisieren: Sie will ihr Leben fernab der neuen politischen Zwänge in der CDU gestalten. Wer will es ihr verdenken?

Was die CDU unter Führung ihres neuen sehr alten Vorsitzenden Friedrich Merz am Montag in Berlin vorgelegt hat, ist nichts anderes, als der endgültige Bruch mit der Ära Merkel. Schluss mit weichgespültem Konservativismus. Jetzt geht es mit forschen Schritten zurück in die 90er Jahre. Fördern und fordern, Familie als Keimzelle der Gesellschaft, Arbeit ist eine Tugend, Leistung muss sich lohnen. Man kennt das alles. Friedrich Merz hat die Partei endgültig übernommen: die CDU als bessere Alternative für Deutschland. Der sehr konservative Unterton ist Absicht. So darf man den Entwurf des neuen........

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