Stand: 22.05.2024, 19:08 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Wenn Irland, Spanien und Norwegen Palästina als Staat anerkennen, verbessern die Verantwortlichen vielleicht ihre Umfragewerte. Sie befrieden aber nicht den Krieg in Gaza. Der Leitartikel.

Es ist nicht falsch von Irland, Spanien und Norwegen mit ihrer politischen Aktion die Debatte über die Zwei-Staaten-Lösung mit Leben zu füllen. Man muss dafür vorab Palästina zwar nicht als Staat anerkennen. Wenn man das tut, muss man allerdings zwingend ein Konzept vorlegen, mit dem die zahlreichen und schwierigen Probleme gelöst werden könnten.

Dann könnte die Initiative dazu beitragen, die teils hitzige Debatte in vielen westlichen Staaten über den Krieg in Nahost zu versachlichen. Sie würde außerdem all jene Kräfte in Israel unterstützen, die sich um Wege aus dem Konflikt bemühen, etwa indem sie von dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu eine Perspektive für Gaza fordern.

Leider haben Irland, Spanien und Norwegen die angekündigte Anerkennung Palästinas nicht mit einem Fahrplan unterfüttert. Das macht die Akteurinnen und Akteure angreifbar, fördert den Verdacht, es ginge ihnen wie dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in erster Linie darum, bei den eigenen Wählerinnen und Wählern zu punkten so kurz vor der Wahl zum europäischen Parlament.

Israel reagiert scharf auf Aktion von Spanien, Irland und Norwegen

Das Trio macht sich obendrein unglaubwürdig, weil die handelnden Politikerinnen und Politiker sich nicht bemüht haben, zu erklären, wie der Konflikt deeskaliert werden kann, wenn keine Seite die jeweils andere anerkennen will. Die israelische Regierung Netanjahu ist bislang nicht einmal bereit, zu sagen, wie es in Gaza weitergehen soll nach dem Waffengang.

Auf palästinensischer Seite sind wiederum nur wenige bereit, Israel anzuerkennen. Für die Hamas ist die Vernichtung des einzigen demokratischen Staates im Nahen Osten nach wie vor sinnstiftend.

Ganz zu schweigen von den israelischen Geiseln oder einem Waffenstillstand. Gar nichts ist mehr zu hören von Reformen der palästinensischen Autonomiebehörde, wo Mahmoud Abbas die Amtsgeschäfte ohne demokratische Legitimierung seit 2009 führt. Und das sind nur die Vorbedingungen für die Debatte über eine Zwei-Staaten-Lösung.

Noch komplizierter wird es, wenn man all die anderen Hürden berücksichtigt. Was soll mit den israelischen Siedlerinnen und Siedler geschehen, die einen erheblichen Teil des Westjordanlands als ihr heiliges Kernland okkupiert haben? Dürfen sie bleiben oder müssen sie weichen?

Wie soll der Status von Ost-Jerusalem geklärt werden? Ob und wie soll die versprochene Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen aus den Nachbarstaaten wie Libanon oder Jordanien geregelt werden? Schließlich geht es hier um Millionen von Menschen.

Um nur einen Teil der Probleme zu lösen, ist es also nicht nur notwendig, dass Israelis und Palästinenserinnen und Palästinenser sich auf diesen beschwerlichen Weg machen. Sie müssen dabei auch von einem internationalen Bündnis unterstützt werden.

Irland, Spanien und Norwegen hätten sich also mit den USA und einigen Staaten aus dem Nahen Osten abstimmen sollen. Damit wäre ihr Vorstoß nicht nur überzeugender gewesen, er hätte auch wenigstens einen Hauch von einer Chance, erfolgreich zu sein.

Kontraproduktiv ist zudem, dass dieser unausgegorene Vorstoß weiter polarisiert. Die israelische Regierung hat bereits ihre Botschafter aus den drei Hauptstädten zurückgerufen. Die pro-palästinensischen Demonstrierenden werden die Initiative des Trios sicher für ihre Zwecke nutzen. Irland, Spanien und Norwegen haben mit anderen Worten eine Chance vertan.

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Anerkennung von Palästina: Irland, Spanien und Norwegen haben eine Chance vertan

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22.05.2024

Stand: 22.05.2024, 19:08 Uhr

Von: Andreas Schwarzkopf

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Wenn Irland, Spanien und Norwegen Palästina als Staat anerkennen, verbessern die Verantwortlichen vielleicht ihre Umfragewerte. Sie befrieden aber nicht den Krieg in Gaza. Der Leitartikel.

Es ist nicht falsch von Irland, Spanien und Norwegen mit ihrer politischen Aktion die Debatte über die Zwei-Staaten-Lösung mit Leben zu füllen. Man muss dafür vorab Palästina zwar nicht als Staat anerkennen. Wenn man das tut, muss man allerdings zwingend ein Konzept vorlegen, mit dem die zahlreichen und schwierigen Probleme gelöst werden könnten.

Dann könnte die Initiative dazu beitragen, die teils hitzige Debatte in vielen westlichen Staaten über den Krieg in Nahost zu versachlichen. Sie würde außerdem all jene Kräfte in Israel unterstützen, die sich um Wege aus dem Konflikt bemühen, etwa indem sie von dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu eine Perspektive für Gaza fordern.

Leider haben Irland, Spanien und Norwegen die........

© Frankfurter Rundschau


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