Mehr als 30 Stadionverbote. Das ist ein Wort. Ein halbes Jahr ist es her, dass es zu den bisher schwersten Krawallen im Frankfurter Waldstadion gekommen ist. Mehr als hundert Verletzte aufseiten von Polizei und Fans. Und das alles, weil eine kleine Gruppe von Fans nicht akzeptieren wollte, dass auch in der Nordwestkurve Regeln gelten, an die man sich als Gast zu halten hat. Nun wurden die ersten Eintrachtfans, die an diesem Tag ihren Frust mit Gewalt auslebten, von ihrem eigenen Verein mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. Weitere werden möglicherweise folgen.

Das Grundproblem aber löst das nicht. Gewalt im Kontext mit Fußballeinsätzen im Stadion und außerhalb davon bleibt ein Problem. Die Vorfälle vom vergangenen November stellen zumindest infrage, ob die bisherigen Strukturen, mit denen die Eintracht ein Abgleiten von Personen in die radikale Fanszene verhindern will, noch ausreichend sind – oder ob nicht doch ein strikteres Vorgehen nötig ist, um die Kontrolle darüber zu behalten, wer im Stadion die Deutungshoheit hat. Ein Fußballstadion ist keine exklusive Zone, in der andere Regeln gelten als an jedem sonstigen Ort, an dem Menschen zusammenkommen. Was überall verboten ist, muss auch dort verboten sein. Das gilt auch für Pyrotechnik, deren Einsatz nicht mit dem Argument, es handele sich um eine kulturelle Tradition, verklärt werden darf.

Die Rolle des Brückenbauers, in der sich die Eintracht inzwischen sieht, ist aus ihrer Sicht nachvollziehbar. Der Verein bewegt sich damit aber auf einem schmalen Grat, der eigentlich jetzt schon zu bröckeln beginnt. Der für die Fans und Sicherheit zuständige Eintracht-Vorstand Philipp Reschke sagt selbst, in den Kurven erlebe die gesamte Fußballlandschaft derzeit einen Wandel. Neue Fans kommen hinzu, einige davon mit einem Hang zu Gewalt. Auch wenn der Verein selbst von einer Unterwanderung der althergebrachten Fanszene nicht sprechen will, so ist diese Entwicklung doch augenfällig. Nicht nur in Frankfurt, sondern international.

Auf diese Entwicklung muss auch die Eintracht reagieren. Immer wieder die Brücken herunterzulassen für die „Problematischen“ unter den Fans, aus Sorge, dass die Gewalt sonst erst recht eskalieren könnte, ist zwar eine Strategie, die funktionieren kann. Vermittelbar ist sie aber nicht, basiert sie am Ende doch auf dem Recht des Stärkeren. Die Eintracht wird nicht umhinkommen, sich für die Zukunft zu überlegen, wo sie die rote Linie ziehen will. Sie sollte sich aber gewahr sein: Wer die Brücken herunterlässt, wenn auch im Sinne einer kurzfristigen Deeskalation, sollte umso mehr darauf achten, dass am Ende auch der noch in der Festung sitzt, dem sie gehört.

QOSHE - Gegen das Recht der Stärkeren - Katharina Iskandar
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Gegen das Recht der Stärkeren

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05.05.2024

Mehr als 30 Stadionverbote. Das ist ein Wort. Ein halbes Jahr ist es her, dass es zu den bisher schwersten Krawallen im Frankfurter Waldstadion gekommen ist. Mehr als hundert Verletzte aufseiten von Polizei und Fans. Und das alles, weil eine kleine Gruppe von Fans nicht akzeptieren wollte, dass auch in der Nordwestkurve Regeln gelten, an die man sich als Gast zu halten hat. Nun wurden die ersten Eintrachtfans, die an diesem Tag ihren Frust mit Gewalt auslebten, von ihrem eigenen Verein mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. Weitere werden möglicherweise folgen.

Das Grundproblem aber löst das nicht. Gewalt im Kontext mit Fußballeinsätzen im Stadion und........

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