Das muss man erst mal schaffen: Der Sachverständigenrat Wirtschaft wirkt aktuell noch zerstrittener als die Ampelregierung in Berlin. Während die Forscher auf offener Bühne den Schein wahren, tobt hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung zwischen der Ratsmehrheit um die Vorsitzende Monika Schnitzer und der Energieökonomin Veronika Grimm.

Tage bevor die fünf Forscher ihr Frühjahrsgutachten präsentiert haben, starteten die Ökonominnen einen Kampf um die Deutungshoheit. Vordergründig ging es um die Dekarbonisierung des Güterverkehrs, in Wahrheit aber um den Vorwurf von Interessenkonflikten, gerichtet an Veronika Grimm. Die Wasserstoffbefürworterin hatte im Fe­bruar gegen Schnitzers Widerstand ein Aufsichtsratsmandat beim Energietechnikunternehmen Siemens Energy angenommen und nun im Gutachten ihre bekannte Position für Wasserstofftankstellen bezogen. Mit Sitzungsinterna gefütterte Journalisten ließen sich zur Skandalisierung des Sachverhalts einspannen, auch Grimm betrieb mediale Lobbyarbeit in eigener Sache.

Mit etwas Abstand lässt sich festhalten: Grimms Aufsichtsratsmandat ist eine Hypothek für ihre Arbeit im Rat, dessen Kapital seine Unabhängigkeit ist. Ihr Mandat wäre aber kaum der Rede wert, zöge das Gremium an einem Strang. Inhaltlicher Streit wäre inbegriffen, nicht aber Intrigen, Durchstechereien und persönliche Vorwürfe, bei denen es nur Verlierer gibt. Setzten die Protagonistinnen nur ihren Ruf aufs Spiel, wäre das egal. Sie zerstören jedoch Einfluss und Ansehen des 1963 gegründeten Rats. Die Schlammschlacht überdeckt die inhaltliche Arbeit. Seinem gesetzlichen Auftrag, die wirtschaftspolitische Urteilsbildung zu erleichtern, kommt der Rat nur noch unzureichend nach.

Die Bundesregierung darf nicht länger wegschauen, wenn sich das von Kanzler Scholz einst als „ordnungspolitisches Gewissen“ gerühmte Gremium zerlegt. Doch offenbar hat in Berlin niemand ein Interesse, das Gremium durch eine Reform oder Neubesetzungen vor der Bedeutungslosigkeit zu retten. Stattdessen scharen Minister und Kanzler längst ihnen genehme Ökonomen um sich. Der Rat in seiner jetzigen Verfassung? Kann weg.

QOSHE - Beste Feindinnen - Johannes Pennekamp
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Beste Feindinnen

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15.05.2024

Das muss man erst mal schaffen: Der Sachverständigenrat Wirtschaft wirkt aktuell noch zerstrittener als die Ampelregierung in Berlin. Während die Forscher auf offener Bühne den Schein wahren, tobt hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung zwischen der Ratsmehrheit um die Vorsitzende Monika Schnitzer und der Energieökonomin Veronika Grimm.

Tage bevor die fünf Forscher ihr Frühjahrsgutachten präsentiert haben, starteten die Ökonominnen einen Kampf um die Deutungshoheit. Vordergründig ging es um die........

© Frankfurter Allgemeine


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