© dpa/Hannes P Albert

Der Streit um Claudia Roths Rahmenkonzept Erinnerungskultur ist vorerst gebannt. Es gilt nun, den deutschen Erinnerungsbetrieb noch einmal von Grund auf zu überdenken.

Heute, 15:40 Uhr

Das hätte sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth nicht träumen lassen, dass ausgerechnet sie in einen hässlichen Streit über den angemessenen Umgang mit der deutschen Vergangenheit geraten würde. Doch genau so ist es gekommen. Das angejahrte Gedenkstättenkonzept des Bundes will sie fortschreiben, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Als aber im Frühjahr der „Entwurf eines Rahmenkonzepts Erinnerungskultur“ aus dem Hause Roth durchgestochen wurde, war der Aufschrei groß. Leiterinnen und Leiter von Gedenkstätten im ganzen Land verwahrten sich gegen ein ihrer Meinung nach unausgereiftes Konzept. Roth hatte Mühe, zurückzurudern.

Nun fand ein Schlichtungstermin mit den Gedenkstättenvertretern im Kanzleramt statt, bei dem Roths Behörde angesiedelt ist. Für Außenstehende ist nicht immer verständlich, was da so strittig sein soll. Denn dass der Erinnerung an die Nazi-Verbrechen der an die Untaten der kommunistischen Herrschaft im Osten Deutschlands an die Seite getreten ist, stellt kein Novum dar, auch wenn – und da setzt bei Veteranen der DDR-Bürgerrechtsbewegung der Unmut ein – daran immer noch und eher stärker erinnert werden muss.

Nun aber will Roth auch die Beschäftigung mit der Kolonialgeschichte im Staatskonzept verankert wissen, schließlich auch noch die mit dem aktuellen Rechtsradikalismus; und all das unter dem konzeptionellen Dach der Stärkung der Demokratie.

Bernhard Schulz ist überzeugt, dass die Beschäftigung mit NS-Verbrechen und SED-Unrecht immer im Zentrum der Erinnerungsarbeit stehen wird.

Kein Wunder, dass sich nicht alle Beteiligten begeistern lassen. Nicht zuletzt geht es um das ganze eingespielte, manche sagen auch eingefahrene Gefüge des deutschen Erinnerungsbetriebs. Im Vordergrund aber steht die Befürchtung, die Beschäftigung mit den NS-Verbrechen und dem Holocaust könne relativiert werden.

Das ist nicht per se von der Hand zu weisen; aber nicht durch die Erinnerung an die kommunistische Herrschaft, die gegen eine immer unverblümtere DDR-Nostalgie ohnehin einen schweren Stand hat, sondern neuerdings durch die Fixierung auf einen als allumfassend behaupteten Kolonialismus.

Nun setzte die Runde im Kanzleramt erst einmal zu einer Denkpause an. Man sei sich „einig, dass die Geschichtskultur in Deutschland ganz entscheidend von der Arbeit der Gedenkstätten zu den NS-Verbrechen und zur Aufarbeitung des SED-Unrechts getragen wird“, wurde der Status quo bekräftigt. Alles Weitere – wie Kolonialismus, Rechtsterrorismus oder das Erinnern in der Einwanderungsgesellschaft – solle „weiter beraten“ werden. Es wird, das lässt sich absehen, ein zähes Ringen.

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Streit um Erinnerungskultur : Keine Konkurrenz unter Gedenkstätten

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07.06.2024

© dpa/Hannes P Albert

Der Streit um Claudia Roths Rahmenkonzept Erinnerungskultur ist vorerst gebannt. Es gilt nun, den deutschen Erinnerungsbetrieb noch einmal von Grund auf zu überdenken.

Heute, 15:40 Uhr

Das hätte sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth nicht träumen lassen, dass ausgerechnet sie in einen hässlichen Streit über den angemessenen Umgang mit der deutschen Vergangenheit geraten würde. Doch genau so ist es gekommen. Das angejahrte Gedenkstättenkonzept des Bundes will sie fortschreiben, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Als aber im Frühjahr der „Entwurf eines Rahmenkonzepts Erinnerungskultur“ aus dem Hause Roth durchgestochen wurde, war der Aufschrei groß.........

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