menu_open Columnists
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close

1995: Der Vertrag von Dayton verschafft Bosnien einen eher faulen Frieden

6 0
16.12.2025

Ganz zum Schluss, nach der feierlichen Unterzeichnung im Élysée-Palast, gaben sich in Paris alle die Hand. Einen Moment länger als die anderen dauerte der Handschlag zwischen dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević und dem bosnischen Staatschef Alija Izetbegović, der sogar ein wenig lächelte, spontan und entspannt, wie es schien.

Dabei war es Izetbegović, der in den Verhandlungen bis zuletzt gezögert hatte, dem Abkommen zuzustimmen. „Es ist kein gerechter Friede“, hatte das 70-jährige Oberhaupt eines zerrissenen Staates am Ende seufzend gesagt. Und dann, nach einer langen Pause: „Aber mein Volk braucht Frieden.“ Die erlösenden letzten Worte hielten noch einmal die Spannung fest, mit der die internationale Diplomatie in den vier Jahren von Tod und Zerstörung zu kämpfen hatte: die zwischen Frieden und Gerechtigkeit.

Als im Sommer 1991 Panzer der jugoslawischen Volksarmee durch das abtrünnige Slowenien rollten, hatte sich die Europäische Gemeinschaft für den Konflikt zuständig gefühlt. Früh wurde klar, dass sie sich übernommen hatte. Als wenig später auch in Kroatien geschossen wurde, kamen als Vermittler die Vereinten Nationen hinzu. Sie brachten eine Feuerpause in Kroatien zustande. Nicht verhindern konnten sie aber, dass wenig später auch in Bosnien gekämpft wurde.

EU- und UN-Diplomaten, an der Spitze der Brite David Owen und der Amerikaner Cyrus Vance, verhandelten. Sie erreichten Waffenstillstände, die rasch gebrochen wurden, 35 an der Zahl, schickten eine Friedenstruppe und entwarfen Friedenspläne. Der Krieg ging weiter. Erst nach einer langen Schrecksekunde begriff die Weltöffentlichkeit, was da vorging: Im Streit, welche Volksgruppe einen wie großen Teil des untergehenden Vielvölkerstaates Jugoslawien bekommen sollte, war die Zivilbevölkerung das eigentliche Ziel. Serbische Truppen vertrieben systematisch muslimische Bosniaken, ebenso Kroaten aus den Städten und Dörfern, die sie für sich beanspruchten. Bilder von Vertreibungslagern gingen um die Welt, von Scharfschützen, die im belagerten Sarajevo auf Passanten zielten, Berichte über schlimme........

© der Freitag