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Gewalt oder Dienstleistung? Warum Feministinnen über die Bedeutung von Sexarbeit streiten

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Wenn ich an Prostitution denke, wird mir schwindelig. Denn vor allem denke ich dabei an Frauen, die Dinge über sich ergehen lassen müssen, die sie selbst nicht möchten. Ich denke an Frauen und andere Menschen in der Prostitution, die unter Zwang, ob aus Geldnöten, wegen einer Drogenabhängigkeit oder durch Menschenhandel, in das Milieu geraten sind und keinen Ausweg finden. Ich denke an gewalttätige Männer, die schummrige Zimmer betreten, um sich die flüchtige Befriedigung zu verschaffen. Dann denke ich an die Zuhälter, die sich mit dem Leid der Frauen und Menschen eine goldene Nase verdienen – und werde wütend.

Stopp: Achtung Klischeefalle! Die Prostitution oder auch Sexarbeit ist um einiges vielschichtiger und komplexer, als das Bild, das mein Hirn sich da zusammenzimmerte. Das eben Beschriebene, den Zwang, den Menschenhandel und all diese Grausamkeiten, die gibt es. Genauso gibt es aber auch jene, die aus eigener Überzeugung in der Sexarbeit tätig sind und sich genau gegen das eben beschriebene Bild wehren. So spaltet also eine Frage nicht nur mein Hirn, sondern auch die Gemüter der Gesellschaft: Sollte man in Deutschland für Sex bezahlen dürfen?

Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat sich mit der Frage beschäftigt und kam in ihrer Laudatio bei der Verleihung des „HeldinnenAwards“ der Alice-Schwarzer-Stiftung zu dem Schluss, dass Prostitution und Sexkauf verboten gehören. Eine ähnlich strikte Meinung vertritt die Namensgeberin der Stiftung. Von Einvernehmlichkeit könne bei der Prostitution keine Rede sein, sagte Schwarzer einmal im SRF: Wenn ein Mann eine Frau dafür bezahlt, sie anfassen und penetrieren zu können, entstehe ein Machtgefälle.

Seit 2002 gilt Prostitution nicht mehr als sittenwidrig und wurde in Deutschland somit legalisiert. Das Prostituiertenschutzgesetz folgte 2017, welches eine Anmeldepflicht für die Sexarbeit voraussetzt und Prostituierten so einen Zugang zum Gesundheitssystem und Hilfsangeboten ermöglichen sollte. Aber viele scheuen sich vor Stigmatisierung und somit der Anmeldung. Für einige ist die Hürde zu groß, andere wissen nicht über ihre Rechte in Deutschland Bescheid oder haben keinen legalen Aufenthaltsstatus. So gibt es kaum verlässliche Zahlen, wie viele Sexarbeitende es in Deutschland gibt und wie viele von ihnen unter Zwang sexuell ausgebeutet werden.

Seit Klöckners Rede werden die Rufe nach dem sogenannten nordischen Modell wieder laut. Dieses verbietet den Sexkauf, während die Sexarbeitenden straffrei bleiben und umfassende Ausstiegshilfen erhalten. 1999........

© der Freitag