Etwas mehr als die Hälfte der Bürger in Deutschland (56 Prozent) hat Vertrauen in Wissenschaft und Forschung. Vor allem bei den Jüngeren ist es hoch. So geben 76 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, der Wissenschaft „eher oder voll und ganz“ zu vertrauen. Mit dem Alter sinkt der Anteil ab. In der Gruppe ab 60 Jahre sind es noch 46 Prozent. Das ist ein Ergebnis des „Wissenschaftsbarometers 2023“ der Organisation Wissenschaft im Dialog. Es beruht auf einer Meinungsumfrage in Form von 1037 Telefoninterviews, die den Angaben zufolge bevölkerungsrepräsentativ für Deutschland ist.

Das Ergebnis gibt Anlass, über den Begriff des Vertrauens in Wissenschaft generell nachzudenken – auch über Ursachen für mögliche Zweifel. Das „Wissenschaftsbarometer“ existiert seit 2014. Den niedrigsten Grad an Vertrauen in die Wissenschaft gab es 2019, vor der Corona-Pandemie. Damals äußerten dieses Vertrauen nur 46 Prozent, genauso viele Bürger waren „unentschieden“. Im April 2020 stieg das Vertrauen dann auf 73 Prozent, lag in der Zeit der Pandemie bei 60 bis 62 Prozent. Und nun ist es wieder leicht gesunken, auf 56 Prozent.

Soll man „der Wissenschaft vertrauen“? Debatte über einen Begriff

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Immerhin 13 Prozent der Befragten geben an, der Wissenschaft „nicht“ oder „eher nicht“ zu vertrauen – dies ist der höchste Wert seit 2014. „Unentschieden“ sind etwa 31 Prozent. Die Umfrage zeigt, dass diese Aussagen neben dem Alter auch eng mit dem formalen Bildungsniveau zusammenhängen. Das Vertrauen in die Wissenschaft ist um so höher, je höher der Abschluss ist: Bei Befragten mit Abitur, Hochschulreife und Studium äußern es 79 Prozent. Bei Befragten mit „Volks- oder Hauptschule“ sind es nur 31 Prozent. 2022 waren es hier übrigens noch 44 Prozent.

Woran dieser Absturz innerhalb eines Jahres liegt, muss näher ergründet werden. Möglicherweise liegt es an Unsicherheiten, welche wissenschaftlichen Aussagen „richtig“ und „falsch“ sind, zum Beispiel bei Themen wie Corona, Klimawandel und anderem. Möglicherweise liegt es an der unterschiedlichen Nähe zum Wissenschaftsbetrieb selbst oder an der unterschiedlichen Nutzung von Informationsquellen.

„Für die Befragten, die sich im Internet über Wissenschaft und Forschung informieren (82 Prozent), sind vor allem Websites oder Mediatheken von Nachrichtenmedien eine immer wichtigere Informationsquelle“, schreiben die Autoren. „58 Prozent nutzen diese häufig oder sehr häufig – 2021 waren es noch 48 Prozent.“

Interessant ist, dass sich aber auch immerhin 21 Prozent der Befragten „häufig bis sehr häufig“ in sozialen Netzwerken wie Facebook und X (vormals Twitter) informieren. Bei 17 Prozent sind es Messenger wie WhatsApp und Telegram. Wobei sich natürlich die Frage stellt, wie sachlich und tiefgründig eine Wissenschaftsdebatte auf sozialen Kanälen sein kann.

Die Organisation Wissenschaft im Dialog, die das „Wissenschaftsbarometer“ herausgibt, wurde im Jahre 2000 von führenden deutschen Wissenschaftsorganisationen gegründet, um die Wissenschaftskommunikation in der Gesellschaft zu fördern. Dabei könne es nicht darum gehen, „blindes Vertrauen“ zu fördern, sondern zu einem kritischen Umgang mit Wissenschaft und Forschung zu befähigen – so lautete eine Erkenntnis aus einem Berliner Bürgerdialog im Juni 2023. Dieser war Teil des europäischen Forschungsprojekts Poiesis, das über Veranstaltungen in sieben europäischen Ländern herausfinden will, was genau für Menschen Vertrauen in die Wissenschaft bedeutet.

„Wieso sollte man Wissenschaftlern vertrauen?“, lautet auch eine Frage im „Wissenschaftsbarometer 2023“. Der Aussage, weil sie „Experten auf ihrem Feld sind“, stimmten 65 Prozent der Befragten zu. Weitere mögliche Antworten waren: weil sie „nach Regeln und Standards arbeiten“ (Zustimmung 60 Prozent) und weil sie „im Interesse der Öffentlichkeit forschen“ (46 Prozent).

Interessanter sind jedoch die Gründe, aus denen man Wissenschaftlern misstrauen sollte. Hier lauteten die Antwortmöglichkeiten: weil Wissenschaftler „stark abhängig von ihren Geldgebern sind“ (dem stimmten 54 Prozent der Befragten zu), weil sie „oft Ergebnisse ihren eigenen Erwartungen anpassen“ (28 Prozent), weil sie „häufig Fehler machen“ (19 Prozent). Auffällig ist dabei, dass noch 2017 die Prozentzahlen wesentlich höher waren. Damals bejahten 76 Prozent der Befragten die Aussage, dass Forschern zu misstrauen sei, weil sie stark abhängig von Geldgebern seien. Und 40 Prozent stimmten zu, dass sie oft die Ergebnisse ihren eigenen Erwartungen anpassten.

Skepsis gibt es vor allem gegenüber Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI), nach denen das „Wissenschaftsbarometer“ zum ersten Mal fragte. 44 Prozent der Befragten äußerten, dass sie Programmen wie ChatGPT bei der Wiedergabe wissenschaftlicher Inhalte „nicht“ oder „eher nicht“ vertrauten. Rund 60 Prozent sehen die Gefahr von Falschinformationen. Es sei entscheidend, solche „Bedenken ernst zu nehmen und die Risiken hinsichtlich Desinformation zu minimieren“, sagte Benedikt Fecher, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog, zu diesem Ergebnis. „Gleichzeitig sollten wir alle Potenziale nutzen, die Künstliche Intelligenz für die Kommunikation mit und über Wissen birgt.“

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Rund 40 Prozent der Befragten geben an, eher gut oder sehr gut über Neues aus Wissenschaft und Forschung auf dem Laufenden zu sein. Im Jahr 2019, als diese Frage zuletzt erhoben wurde, war es knapp ein Drittel. Zugleich sind 37 Prozent der Meinung, dass Wissenschaftler sich zu wenig bemühen, die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren. Dieser Wert ist größer als in den Pandemiejahren. „Dieser Trend zeigt das öffentliche Bedürfnis nach Wissenschaftskommunikation“, sagt Mike Schäfer, Mitglied im Programmbeirat des „Wissenschaftsbarometers“ und Professor an der Universität Zürich. Ein großer Teil der Menschen wolle, dass Wissenschaftler „in die Gesellschaft stärker hinein kommunizieren“.

Dabei ist die Mehrheit der Befragten der Meinung, dass Wissenschaftler eine kritische Rolle spielen sollten. „Es ist richtig, dass Wissenschaftler sich öffentlich äußern, wenn politische Entscheidungen Forschungsergebnisse nicht berücksichtigen“ – dieser Aussage stimmten 72 Prozent der Befragten zu. Bei der Aussage „Politische Entscheidungen sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen“ (Zustimmung 68 Prozent) spielen sicher auch die Erfahrungen aus der Corona-Zeit eine Rolle. Aber immerhin 42 Prozent der Befragten stimmten auch der Aussage zu: „Es ist nicht Aufgabe von Wissenschaftlern, sich in die Politik einzumischen.“

QOSHE - Soll man der Wissenschaft vertrauen? Eine neue Umfrage gibt Einblicke - Torsten Harmsen
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Soll man der Wissenschaft vertrauen? Eine neue Umfrage gibt Einblicke

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05.12.2023

Etwas mehr als die Hälfte der Bürger in Deutschland (56 Prozent) hat Vertrauen in Wissenschaft und Forschung. Vor allem bei den Jüngeren ist es hoch. So geben 76 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, der Wissenschaft „eher oder voll und ganz“ zu vertrauen. Mit dem Alter sinkt der Anteil ab. In der Gruppe ab 60 Jahre sind es noch 46 Prozent. Das ist ein Ergebnis des „Wissenschaftsbarometers 2023“ der Organisation Wissenschaft im Dialog. Es beruht auf einer Meinungsumfrage in Form von 1037 Telefoninterviews, die den Angaben zufolge bevölkerungsrepräsentativ für Deutschland ist.

Das Ergebnis gibt Anlass, über den Begriff des Vertrauens in Wissenschaft generell nachzudenken – auch über Ursachen für mögliche Zweifel. Das „Wissenschaftsbarometer“ existiert seit 2014. Den niedrigsten Grad an Vertrauen in die Wissenschaft gab es 2019, vor der Corona-Pandemie. Damals äußerten dieses Vertrauen nur 46 Prozent, genauso viele Bürger waren „unentschieden“. Im April 2020 stieg das Vertrauen dann auf 73 Prozent, lag in der Zeit der Pandemie bei 60 bis 62 Prozent. Und nun ist es wieder leicht gesunken, auf 56 Prozent.

Soll man „der Wissenschaft vertrauen“? Debatte über einen Begriff

29.06.2023

Bürger-Umfrage: Die Politik soll mehr auf die Wissenschaftler hören

08.12.2022

03.12.2023

•vor 3 Std.

gestern

Immerhin 13 Prozent der Befragten geben an, der Wissenschaft „nicht“ oder „eher nicht“ zu vertrauen – dies ist der höchste Wert seit 2014. „Unentschieden“ sind etwa 31 Prozent. Die Umfrage zeigt, dass diese Aussagen neben dem Alter auch eng mit dem formalen Bildungsniveau zusammenhängen. Das Vertrauen in die Wissenschaft ist um so höher, je höher der Abschluss ist:........

© Berliner Zeitung


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