Die mRNA-Impfstoffe können die Bildung unerwünschter Proteine begünstigen. Das zeigen Forschende in einer neuen Studie im Fachblatt Nature. Der Grund ist, dass die in Impfstoffen genutzte mRNA meist modifiziert wird, um die Stabilität zu erhöhen und die Wahrscheinlichkeit eines Immunangriffs gegen die mRNA zu verringern.

Derlei Anpassungen könnten zu einem sogenannten ribosomalen Frameshifting führen, heißt es in der Studie von Forschern britischer Universitäten um die Toxikologen Anne Willis und James Thaventhiran von der University of Cambridge. Gemeint sind Übersetzungsfehler in den „Proteinfabriken“ der Zellen, den Ribosomen. Hier werden Proteine hergestellt, auch Eiweiße genannt, die normalerweise als molekulare „Werkzeuge“ wichtige Aufgaben im Körper erfüllen.

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In seltenen Fällen kommt es auch auf natürlichem Wege zur Bildung „ungewollter Proteine und Peptide“. Die unerwünschten Produkte würden jedoch rasch abgebaut und seien ungefährlich, wie Forscher erklären, die zur Studie befragt wurden. Zugleich aber wird gefordert, dass künftige mRNA-Impfstoffe angepasst werden sollten, um solche unbeabsichtigten Folgen zu verhindern.

Der Hintergrund der Debatte: Seit der Einführung der mRNA-Impfstoffe gegen Corona wird darüber diskutiert, welche negativen Folgen die neuartige Technologie haben könnte – neben dem erhofften Immunschutz, den sie fördern soll. Die neuartigen genbasierten Impfstoffe beruhen darauf, dass über winzigste Fettbläschen – die Lipidnanopartikel – eine genetische Bauanleitung (mRNA) in die Zelle geschleust wird.

Die „Proteinfabriken“ der Zelle (Ribosomen) stellen dann das Spike-Protein her, das sich normalerweise auf der Hülle des Virus befindet. Auf diese Weise soll das Immunsystem gegen das Virus gewappnet werden. Und damit das Immunsystem die eingeschleuste mRNA nicht zu früh bekämpft, wird ein Baustein des RNA-Kettenmoleküls verändert. Dieser nennt sich Uridin. Er wird bei der Impfstoffherstellung zum sogenannten N1-Methylpseudouridin verwandelt. Dies führt der neuen Studie zufolge mitunter dazu, dass die Bauanleitung für die Proteine in der Zelle anders abgelesen wird als normalerweise („Frameshift“). Das sogenannte Leseraster verschiebt sich.

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Um die möglichen Auswirkungen dieser Mutation zu bewerten, untersuchten die Forscher zunächst in Mäusen die Reaktionen auf den Impfstoff von Biontech/Pfizer. Dabei zeigte sich eine veränderte Bildung von Proteinen. Anschließend erkundeten sie beim Menschen die Reaktionen auf die verschiedenen Impfstoffe. Dazu bildeten sie zwei Gruppen mit jeweils etwa 20 Personen. Die eine Gruppe erhielt den Vektorimpfstoff von Astra­zene­ca, die andere den mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer.

Zu bemerken ist, dass Astrazeneca in Deutschland – im Gegensatz zu Großbritannien – seit Ende 2021 nicht mehr verimpft wird, weil hier in einigen sehr seltenen Fällen bei Personen unter 60 Jahren ungewöhnliche Blutgerinnsel mit einer erniedrigten Anzahl von Blutplättchen aufgetreten waren. Es kam unter anderem zu Sinusvenenthrombosen. Nachdem der Impfstoff nur noch für Personen ab 60 Jahren zugelassen worden war, ging die Nachfrage massiv zurück.

In der neuen britischen Studie jedoch ging es um die Immunantwort der Impfstoffe. Und hier ergab sich den Forschern zufolge, dass der mRNA-Impfstoff bei Menschen zu einer höheren unbeabsichtigten Immunantwort führen könne – verglichen mit dem Vektorimpfstoff von Astrazeneca. Dieser basiert auf Adenoviren von Affen, die direkt Material des Spike-Proteins des Coronavirus enthalten – und nicht nur die Bauanleitung dafür. Hier gibt es also keine modifizierte mRNA wie beim Impfstoff von Biontech/Pfizer.

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Zur Einschätzung der Studie hat das Social Media Center Deutschland, eine Art Agentur für Wissenschaftskommunikation, verschiedene Wissenschaftler befragt. Unter anderem verweist die Würzburger Infektionsforscherin Neva Caliskan darauf, dass die Auswirkungen der Modifikationen auf die Genauigkeit der mRNA-Translation „noch nicht vollständig untersucht“ worden seien. Translation bedeutet die Bildung der Proteine auf der Grundlage der genetischen Information. Neva Caliskan leitet eine Forschungsgruppe am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung in Würzburg.

Die Forscherin beschreibt zum Beispiel, dass Immunzellen auf bestimmte Bereiche der durch „Frameshifting“ gebildeten Proteinbestandteile (Peptide) sehr empfindlich reagieren könnten, selbst auf kleinste Mengen. Solche Vorgänge stellten „zwar ein geringes Risiko dar, können aber eine Autoimmunreaktion hervorrufen und die Wirksamkeit von mRNA-Therapeutika beeinträchtigen“. In welchem Maße dies der Fall sein kann, muss in Experimenten untersucht werden. Dann könnte man unter anderem auch feststellen, warum Menschen unterschiedlich reagieren. Autoimmunreaktionen werden zum Beispiel im Zusammenhang mit Impfnebenwirkungen diskutiert, etwa dem Post-Vac-Syndrom.

Gleichwohl stellen die befragten Forscher einen ausgeprägten Zusammenhang mit beobachteten Impfnebenwirkungen infrage. Unerwünschte Proteinbestandteile (Peptide) könnten „in der Zelle auch ohne Impfung vorkommen, und die Zelle ist gut gerüstet, sie zu entfernen. Diese verkürzten Peptide werden sofort abgebaut“, sagt zum Beispiel die Biochemikerin Marina Rodnina, Professorin und Direktorin am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen. Außerdem zeigten die Daten der Nature-Studie, dass die Mengen der Peptide sehr gering seien.

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Was in der Studie beobachtet worden sei, liege „nahe der natürlichen Wahrscheinlichkeit“, vermutet Marina Rodnina. Die Autoren hätten die beschriebenen Peptide sehr gezielt bestimmt, gesucht und gefunden. „Aber was die Zelle sonst so auf natürlichem Wege macht, haben sie nicht verglichen.“ In der Studie heiße es eindeutig, „dass die Patienten keine nachteiligen Auswirkungen der Impfung hatten“, erklärt Rodnina. Sie schränkt zugleich ein, „dass man auf der Grundlage sehr kleiner Kohorten (wie in dieser Arbeit) keine Schlussfolgerungen ziehen sollte und dass weitere Studien speziell auf die potenziellen Auswirkungen solcher Transframe-Peptide ausgerichtet sein sollten“.

Ähnlich sieht es Julian Schulze zur Wiesch, Leitender Oberarzt der Sektion Infektiologie und Leiter des Ambulanzzentrums Virushepatologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Der beschriebene Effekt, wenn zutreffend, ist nicht gefährlich oder beunruhigend und hat mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch nichts mit der allgemeinen Impfreaktionen oder mit den Nebenwirkungen von mRNA-Impfstoffen zu tun“, sagt Schulze zur Wiesch. Insgesamt haben die Covid-19-mRNA-Impfstoffe „nur sehr, sehr selten schwere Nebenwirkungen“ hervorgerufen. Dennoch brauche es wissenschaftliche, begleitende Studien bei der weiteren Entwicklung saisonaler Boosterimpfungen.

„Die Erforschung von Strategien für künftige mRNA-Therapeutika ist unerlässlich, um das Risiko von ‚Frameshifting‘ und anderen Übersetzungsfehlern zu minimieren“, betont die Infektionsforscherin Neva Caliskan. So könnte man zum Beispiel Algorithmen entwickeln, um in der mRNA rechtzeitig Sequenzen zu erkennen, die ein „ribosomales Frameshifting“ auslösen können, sagt die Forscherin, die zugleich von einer Verbesserung der Gesamtgenauigkeit der Translation und von Dosierungsanpassungen bei der Entwicklung von mRNA-Impfstoffen spricht.

Kann man auch nach einer natürlichen Covid-19-Infektion eine bestimmte Immunantwort gegen das „Frameshift“-Spike-Protein messen? Dies sei laut Julian Schulze zur Wiesch „eine Frage, die rasch zu klären wäre“. Und er setzt hinzu: „Wenn sich Menschen aufgrund dieser Studie trotzdem unwohl fühlen sollten, mit mRNA-Covid-19-Impfstoffen geboostert zu werden, gibt es gute zugelassene proteinbasierte Covid-19-Impfstoffalternativen.“

QOSHE - Neue Studie: mRNA-Impfstoffe produzieren unerwünschte Proteine - Torsten Harmsen
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Neue Studie: mRNA-Impfstoffe produzieren unerwünschte Proteine

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Die „Proteinfabriken“ der Zelle (Ribosomen) stellen dann das Spike-Protein her, das sich normalerweise auf der Hülle des Virus befindet. Auf diese Weise soll das Immunsystem gegen das Virus gewappnet werden. Und damit das Immunsystem die eingeschleuste mRNA........

© Berliner Zeitung


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