„Wenn man achtmal hinfällt, muss man neunmal aufstehen“, sagte vor einiger Zeit Dietmar Bartsch, Politiker der Linken. Offenbar bezog er sich nicht ganz korrekt auf ein japanisches Sprichwort, das da übersetzt heißt: „Siebenmal fallen, achtmal wieder aufstehen.“

Mich bringt so etwas zum Grübeln. Denn ich weiß zwar, was mit dem Spruch gemeint ist: Man sollte sich nach Niederlagen immer wieder aufrappeln – hartnäckig, sozusagen „gefühlt einmal mehr“! Gerade die Linken haben Erfahrung damit. Und gewiss muss man auch am Morgen schon aufgestanden sein, bevor man das erste Mal hinfällt. Aber da man am Abend vorher bereits ins Bett gefallen war, bleibt es trotzdem dabei: Man muss genauso oft aufstehen, wie man irgendwo hingeplumpst ist.

Gefühlte Mathematik – das ist eine Spezialität von Politikern und Medienmenschen. Ich nehme mich da gar nicht aus. Wenn man wirklich Mathe könnte, wäre man ja was anderes geworden. Am besten haben es noch die Komiker. Die können ihre tragische Mathe-Schwäche für Witzeleien nutzen. „Ich hab so ’ne Top Ten der schlimmsten Flüge, und ich bin erst achtmal geflogen“, sagte jüngst der Komiker Torsten Sträter, als er über seine Flugangst sprach. Und alle lachten.

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•vor 5 Std.

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Ich glaube, unsere Außenministerin Annalena Baerbock hätte es auch viel einfacher als Komödiantin –angesichts so vieler Tränen lachender Smileys, die da in den sozialen Medien purzeln, wenn sie zum Beispiel erklärt, dass sich Putin um 360 Grad drehen müsse, um die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Oder wenn sie von einem Land spricht, „das Hunderttausende von Kilometern entfernt liegt“, wo doch der Erdumfang nur etwa 40.000 Kilometer beträgt.

Aber Baerbock ist nicht allein. Andere Politiker überspielen ihre Unkenntnis einfach. „Es gibt eine Menge Länder auf der Welt“, sagte etwa Donald Rumsfeld, einst US-Verteidigungsminister. Erdkundliche Beschreibungen hörten sich bei ihm so an: „Das Rote Meer fängt an und hört auf. Und dann ist da ein Gebiet grad hinter dem Roten Meer.“

Rumsfelds Äußerungen waren so grandios komisch, dass sie 2003 in einem Buch als „existentielle Poesie“ erschienen. Auch Mathe-Bezüge waren dabei. So sagte er einmal zu einem Ereignis: „Es ist nicht der 11. September. Es ist der 11. September hoch drei und zum Quadrat. Ich müsste mal wirklich im Gedächtnis kramen, mathematisch, und schauen, was hoch drei und zum Quadrat ergeben würde. Wissen Sie’s?“

Er formulierte auch eigene Sachaufgaben für die Grundschule, gleich mit Lösung: „Wenn du das Huhn im Hühnerhof herumjagst, und du hast es noch nicht, und die Frage ist: Wie dicht bist du dran, ist die Antwort: Das ist schwer zu beschreiben, denn es gibt eine Menge Zicks und Zacks.“

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Manchmal stützen sich Politiker ganz begierig auf Mathe. So wie Angela Merkel, als sie 2020 im Fernsehen das Phänomen der Ausbreitung von Corona am Beispiel der Reproduktionszahl 1,2 erklärte. „Also von fünf Menschen steckt einer zwei an und vier einen“, sagte sie. „Dann kommen wir im Juli schon an die Belastungsgrenze.“ Was verstanden? Also ich brauchte erst mal Stift und Papier, um Männlein zu malen.

Ein großer Teil der Kommunikation in der Corona-Pandemie bestand aus Hobby-Statistik, vorgeführt von Politikern und Medienleuten. Es wird Zeit, dass wir alles mal sammeln, in einem Band namens „Mathematische Poesie“. Denn, wenn fünf Leute sechs anstecken, dann fallen elf Leute achtmal hin und müssen neunmal aufstehen. Das macht 99, geteilt durch Politik und weißen Käse hoch drei zum Quadrat. Oder?

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Gefühlte Mathematik: Nicht nur Annalena Baerbock versagt hier

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04.01.2024

„Wenn man achtmal hinfällt, muss man neunmal aufstehen“, sagte vor einiger Zeit Dietmar Bartsch, Politiker der Linken. Offenbar bezog er sich nicht ganz korrekt auf ein japanisches Sprichwort, das da übersetzt heißt: „Siebenmal fallen, achtmal wieder aufstehen.“

Mich bringt so etwas zum Grübeln. Denn ich weiß zwar, was mit dem Spruch gemeint ist: Man sollte sich nach Niederlagen immer wieder aufrappeln – hartnäckig, sozusagen „gefühlt einmal mehr“! Gerade die Linken haben Erfahrung damit. Und gewiss muss man auch am Morgen schon aufgestanden sein, bevor man das erste Mal hinfällt. Aber da man am Abend vorher bereits ins Bett gefallen war, bleibt es trotzdem dabei: Man muss genauso oft aufstehen, wie man irgendwo hingeplumpst ist.

Gefühlte Mathematik – das ist eine Spezialität von Politikern und Medienmenschen. Ich nehme mich da gar nicht aus. Wenn man wirklich Mathe könnte, wäre man ja was anderes geworden. Am besten haben es noch die Komiker. Die........

© Berliner Zeitung


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