Man stelle sich vor, man laufe irgendwo an einem Fluss entlang. Plötzlich steht vor einem dieses breitmäulige Tier, das zwar recht groß ist, aber aussieht wie eine alberne Krokodil-Handpuppe. So lustig es im ersten Moment auch wirkt, man würde wohl wegrennen – hoffend, dass einen die vielen spitzen Zähnchen nicht erwischen.

Zum Glück kann man dem Tier heute nicht begegnen. Denn es ist ein sogenannter Ursaurier. Das bedeutet, es lebte noch vor den Dinosauriern vor etwa 300 Millionen Jahren. Die ersten Dinos erschienen erst 60 Millionen Jahre später. Und an den Menschen war überhaupt noch nicht zu denken.

Doch genau dieser, also der Mensch, hat dem Urtier seinen Namen gegeben: Stenokranio boldi. „Steno“ bedeutet „eng, schmal“ und „kranio“ steht für „Schädel“ – was wohl auf den großen flachgedrückten Kopf hinweisen soll.

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Ein internationales Forscherteam, an dem auch das Museum für Naturkunde Berlin beteiligt ist, hat die neue Ursaurierart, die bereits vor einigen Jahren gefunden wurde, jetzt im Journal of Paleontology beschrieben. Der „Schmalschädler“ lebte nicht in unserer Gegend, sondern im heutigen Rheinland-Pfalz. Er wurde bis zu anderthalb Meter lang und schätzungsweise bis zu 70 Kilogramm schwer – also wie ein kleiner, übergewichtiger Mensch. Für jene Zeit war das groß. Ja, Stenokranio war einer der größten bekannten Raubtiere seiner Zeit, wie das Berliner Naturkundemuseum mitteilt.

Der Fund stammt vom Remigiusberg bei Kusel im Nordpfälzer Bergland. Damals lag die Pfalz nahe am Äquator. Die heutigen Kontinente gab es noch nicht. Sie sollten sich erst durch Kontinentaldrift bilden. Es gab nur einen großen Superkontinent: Pangaea, zusammengeschoben aus zwei riesigen Landmassen.

Der „Schmalschädler“ gehörte zu den sehr artenreichen Temnospondyli. Dies waren Ur-Amphibien, die an Land und im Wasser leben konnten. Sein Lebensraum lag den Forschungen zufolge im Delta eines Flusses und an den Uferzonen eines 70 Kilometer langen Sees – inmitten eines großen tropischen Gebirgstals.

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Das Tier ähnelte den heutigen Krokodilen. Es lauerte im Wasser und an Land auf Beute. Es fraß Fisch und Fleisch, war also offenbar nicht sehr wählerisch. Wie die Forscher beschreiben, zeigt die Konstruktion seiner Kiefer, dass Stenokranio seine Beute nicht zerschneiden oder kauen konnte.

Es schnappte sie mit seinen spitzen Zähnen. Drei Paar große, nach hinten gebogene Reißzähne im Gaumen dienten dazu, glitschige Beute wie Fische festzuhalten. Dann wurden die Opfer vermutlich im Ganzen verschlungen. Nach Genuss klingt das nicht. Und man kann froh sein, dass man heute keine Angst mehr haben muss, wenn man mit seinem Hund an einem Fluss spazieren geht. Jedenfalls nicht vor Stenokranio.

QOSHE - Der Schmalschädler lauert am See: Wie einst ein Ursaurier in Deutschland lebte - Torsten Harmsen
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Der Schmalschädler lauert am See: Wie einst ein Ursaurier in Deutschland lebte

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Man stelle sich vor, man laufe irgendwo an einem Fluss entlang. Plötzlich steht vor einem dieses breitmäulige Tier, das zwar recht groß ist, aber aussieht wie eine alberne Krokodil-Handpuppe. So lustig es im ersten Moment auch wirkt, man würde wohl wegrennen – hoffend, dass einen die vielen spitzen Zähnchen nicht erwischen.

Zum Glück kann man dem Tier heute nicht begegnen. Denn es ist ein sogenannter Ursaurier. Das bedeutet, es lebte noch vor den Dinosauriern vor etwa 300 Millionen Jahren. Die ersten Dinos erschienen erst 60 Millionen Jahre später. Und an den Menschen war überhaupt noch nicht zu denken.

Doch genau dieser, also der Mensch, hat dem Urtier seinen Namen gegeben: Stenokranio boldi. „Steno“ bedeutet „eng, schmal“ und „kranio“ steht für........

© Berliner Zeitung


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