Eine ungeschminkte und aus ukrainischer Sicht schonungslose Einschätzung der Frontlage im russisch-ukrainischen Krieg gab am Donnerstag der hochrangige Ex-Nato-General Harald Kujat im RBB Inforadio. Für die Ukraine werde die Situation mit jedem Tag schwieriger, sie befinde sich auf dem Weg in die Niederlage. Einen militärischen „Sieg oder gar Kriegsgewinn“, also das Erreichen der politischen Ziele, „halte ich für völlig ausgeschlossen“. Das werde „in Amerika übrigens allgemein genauso gesehen, auch von den amerikanischen Militärs“.

Die Hoffnung, durch die Lieferung von „ausreichend Munition“ ließe sich das ändern, bezeichnete der General als „völligen Unsinn“. Das bedeute nur, dass die Ukrainer „wieder ein paar Tage, ein paar Wochen ihre Artillerie einsetzen können“. Was ihnen hingegen fehle, sei die Fähigkeit zur „beweglichen, offensiven Gefechtsführung“, die es ihnen ermögliche, die Russen aus dem Land zu drängen: „Dazu sind die ukrainischen Streitkräfte schon lange nicht mehr in der Lage.“

Hinzu komme: „Die Ukrainer müssen berechtigt Sorge haben, ob die Unterstützung in dem Ausmaß wie bisher weiterläuft.“ Das Problem „sind die Vereinigten Staaten“. Schließlich gehe es nicht nur um Finanzmittel, Waffen und Munition – „die Amerikaner leisten ja viel mehr.“ So sei die ukrainische Offensive im letzten Jahr zwar in Zusammenarbeit mit der Ukraine, aber „im Wesentlichen von amerikanischen und britischen Militärs“ ausgearbeitet worden. Die Amerikaner versorgten die Ukraine mit Informationen, „um den Krieg überhaupt führen zu können“.

Ob das seit Monaten diskutierte 61-Milliarden-Dollar-Hilfspaket in Washington überhaupt genehmigt werde, sei nicht absehbar. Die EU habe „einiges zustande gebracht bisher“, könne den Rückgang der US-Unterstützung aber nicht wettmachen. Trotzdem sei wichtig, „dass das fortgesetzt wird. Das ist ja das, was der Bundeskanzler auch erreichen will. Wir müssen der Ukraine die Sicherheit geben, dass diese Unterstützung nicht abbricht.“

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19.03.2024

20.03.2024

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Die russischen Streitkräfte seien heute „wesentlich stärker als vor dem Beginn des Krieges“ – auch „stärker als in den achtziger Jahren“. Russland habe „in einigen militärischen Fähigkeitsbereichen“ eine „enorme Überlegenheit, die sie auch auf dem Schlachtfeld für sich nutzen“. Der Kreml habe keine nennenswerten Schwierigkeiten, Soldaten zu generieren. Anders die Ukraine: „Sie haben große personelle Probleme.“

Kujat, der von 2000 bis 2005 zuerst Generalinspekteur der Bundeswehr und danach Vorsitzender des Nato-Militärausschusses war, deutete an, dass er die Militärstrukturen beider Kriegsparteien gut kennt. Zu seinen derzeitigen Kontakten wolle er in der Öffentlichkeit nichts sagen. Als die RBB-Moderatorin daran erinnerte, dass der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter ihm „Russlandromantik“ vorgeworfen habe, lautete Kujats Antwort: „Über Herrn Kiesewetter würde ich ungern reden, weil er mein Mitarbeiter im Stab in Brüssel war.“

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Der ehemalige Bundeswehr-Oberst Kiesewetter war zu seiner aktiven Zeit Referent im Nato-Hauptquartier. Heute zählt er zu den christdemokratischen Falken im deutsch-russischen Verhältnis. Verglichen damit ist Kujat ein Realist, der bisweilen auch mit „russlandversteherischen“ Aussagen von sich reden macht.

Wenn die Moderatorin schon von Romantik spreche, fügte Kujat hinzu, dann gebe es in Deutschland „eine gewisse Kriegsromantik. Man glaubt, dass man mit moralischen Argumenten einen Krieg gewinnen kann.“ Doch einen Krieg gewinne man mit militärischen Fähigkeiten, mit Kampfkraft: „Und da neigt sich in der Tat das Geschehen langsam, aber sicher zugunsten Russlands.“

Die USA hätten den Ukrainern empfohlen, in die strategische Defensive zu gehen und Verteidigungslinien aufzubauen: „Damit reduziert ihr eure hohen Verluste und seid in der Lage, das, was ihr noch unter Kontrolle habt, das Land zu halten.“ Der entscheidende Punkt, „auch bei der ganzen Waffenlieferung“, sei jetzt, ob es gelingen könne, die Ukraine aus dieser strategischen Defensive zu befreien. Doch diese Möglichkeit gebe es nicht: „Das haben wir mit dem Panzer nicht vermocht, das würden wir auch mit Taurus nicht vermögen.“

QOSHE - Ex-Nato-General Kujat: Ukrainischer „Sieg oder Kriegsgewinn“ völlig ausgeschlossen - Thomas Fasbender
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Ex-Nato-General Kujat: Ukrainischer „Sieg oder Kriegsgewinn“ völlig ausgeschlossen

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23.03.2024

Eine ungeschminkte und aus ukrainischer Sicht schonungslose Einschätzung der Frontlage im russisch-ukrainischen Krieg gab am Donnerstag der hochrangige Ex-Nato-General Harald Kujat im RBB Inforadio. Für die Ukraine werde die Situation mit jedem Tag schwieriger, sie befinde sich auf dem Weg in die Niederlage. Einen militärischen „Sieg oder gar Kriegsgewinn“, also das Erreichen der politischen Ziele, „halte ich für völlig ausgeschlossen“. Das werde „in Amerika übrigens allgemein genauso gesehen, auch von den amerikanischen Militärs“.

Die Hoffnung, durch die Lieferung von „ausreichend Munition“ ließe sich das ändern, bezeichnete der General als „völligen Unsinn“. Das bedeute nur, dass die Ukrainer „wieder ein paar Tage, ein paar Wochen ihre Artillerie einsetzen können“. Was ihnen hingegen fehle, sei die Fähigkeit zur „beweglichen, offensiven Gefechtsführung“, die es ihnen ermögliche, die Russen aus dem Land zu drängen: „Dazu sind die ukrainischen Streitkräfte schon lange nicht mehr in der Lage.“

Hinzu komme: „Die Ukrainer müssen berechtigt Sorge haben, ob die........

© Berliner Zeitung


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