Die Erlebnisse beim Tartu-Skimarathon würden die Erzählungen von meiner Reise ins Baltikum bestimmen, dessen war ich mir vorab sicher. Aber ich sollte mich täuschen. Dabei war die Annahme nicht aus der Luft gegriffen: Schließlich war es nicht nur mein erstes Rennen auf Langlaufskiern. Es war auch ein leichtsinniges Unterfangen: Denn mangels Schnee und Zeit war an eine Vorbereitung nicht zu denken gewesen. Zweimal eine Stunde Langlauf in der Neuköllner Hasenheide mussten reichen für den Start beim 50. Skimarathon von Tartu. Wenn das mal gut geht!

5200 Langläufer gehen Mitte Februar an den Start. Die schnellsten brauchen für die 63 Kilometer lange Strecke knapp zweieinhalb Stunden, das heißt 25 km/h im Durchschnitt. Das hohe Tempo liegt auch ein wenig an den Witterungsverhältnissen: Die im regennassen Schnee gezogenen Loipen sind nach einer bitterkalten Nacht zu Eiskanälen geworden. Auf den zahlreichen Abfahrten durch die hügelige Landschaft gibt das richtig Tempo. Nicht jeder ist davon angetan.

Eis und Schnee gibt es aber auch auf den Straßen und Gehwegen Estlands. Überraschenderweise hat das keinen Einfluss auf den Öffentlichen Nahverkehr. Pünktlich wie auf der Anzeigetafel vorhergesagt treffen die Busse ein – ob im Morgengrauen im kleinen Wintersportort Otepää oder am Abend in Tartu, der zweitgrößten Stadt Estlands. Selbst der Fernbus nach Riga – mit Touchscreen und Steckdose an jedem Sitzplatz – erreicht das 250 Kilometer entfernte Ziel exakt im Zeitplan.

Erstaunlich auch die Nahverkehrs-Haltestellen. Die Busse stoppen auf den Überlandstraßen alle paar Kilometer in Haltebuchten; ein Haltestellenschild gibt es immer, nicht aber zwingend ein Wartehäuschen. Und einen Ort kann man oft auch nicht ausmachen. Es scheinen Haltestellen im Nirgendwo zu sein, zwischen Birkenhain, Gebüsch und Wiese. Estland ist dünn besiedelt – von den 1,3 Millionen Esten lebt knapp die Hälfte in Tallinn, der Hauptstadt, und in Tartu. Die übrigen 700.000 Esten verteilen sich auf eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Mecklenburg-Vorpommern. Die Siedlungen aus manchmal nur drei, vier Häusern scheinen wie durch Zufall in die Landschaft gewürfelt.

gestern

•vor 8 Std.

•gestern

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28.02.2024

Katzenaugen gesetzlich vorgeschrieben

Die an den Haltestellen in der Pampa Wartenden könnte man bei Dunkelheit leicht übersehen. Damit der Bus nicht vorbeifährt, hilft ein kurzes Lichtsignal mit dem Handy. Und Reflektoren an der Kleidung. Die Katzenaugen sind für Fußgänger in Estland sogar gesetzlich vorgeschrieben, denn gerade im Winter gab es immer wieder Unfälle, weil Autofahrer dunkel gekleidete Fußgänger übersahen. Etwa wenn jene von einer einsam gelegenen Bushaltestelle entlang der Straße nach Hause liefen.

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Praktisch sind für einen solchen Marsch im Winter auch überziehbare Spikes, nicht nur auf dem Land. Auch in den Städten sind die Gehwege mitunter blankes Eis, denn oft enden die Regenrinnen am Bürgersteig. Und weil die winterharten Esten spiegelglatte Gehwege gewohnt und dafür gewappnet sind, bemühen sich Kommunen, Hausbesitzer und Hotelbetreiber nicht groß darum, das Eis abzustumpfen.

So habe ich zwar die vereisten Abfahrten des Tartu-Skimarathons mit weichen Knien und einigem Glück ohne Sturz gemeistert. Nach vier Stunden war ich im Ziel, allerdings auf der Kurzdistanz von 31 Kilometern. Gefallen bin ich trotzdem: mitten in Otepää. Mit den Skiern in der Hand.

QOSHE - Busfahren im Baltikum: Funkeln im Dunkeln - Susanne Rost
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Busfahren im Baltikum: Funkeln im Dunkeln

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03.03.2024

Die Erlebnisse beim Tartu-Skimarathon würden die Erzählungen von meiner Reise ins Baltikum bestimmen, dessen war ich mir vorab sicher. Aber ich sollte mich täuschen. Dabei war die Annahme nicht aus der Luft gegriffen: Schließlich war es nicht nur mein erstes Rennen auf Langlaufskiern. Es war auch ein leichtsinniges Unterfangen: Denn mangels Schnee und Zeit war an eine Vorbereitung nicht zu denken gewesen. Zweimal eine Stunde Langlauf in der Neuköllner Hasenheide mussten reichen für den Start beim 50. Skimarathon von Tartu. Wenn das mal gut geht!

5200 Langläufer gehen Mitte Februar an den Start. Die schnellsten brauchen für die 63 Kilometer lange Strecke knapp zweieinhalb Stunden, das heißt 25 km/h im Durchschnitt. Das hohe Tempo liegt auch ein wenig an den Witterungsverhältnissen: Die im regennassen Schnee gezogenen Loipen sind nach einer bitterkalten Nacht zu Eiskanälen geworden. Auf........

© Berliner Zeitung


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