Die Stimmung beim Ehepaar Koch ist aufgeräumt. Wohlbehalten ist man aus Paris zurückgekehrt, mit einem weiteren Erfolgserlebnis im Gepäck: der ersten Modenschau des hauseigenen Labels 032c, in einer Toplocation, mit Topmodels und Topgästen.

Mit einer fein austarierten Mischung aus Indie und Kommerz, Intellekt und Humor, Bomberjacken und Pumps hat sich das Berliner Familienunternehmen 032c um Joerg und Maria Koch aus einem Magazin heraus über die Jahre zu einer weltweit dauerpräsenten Marke entwickelt. Die 2020 gegründete Ready-to-wear-Linie gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Bis man diese auf der Paris Fashion Week präsentieren würde, war es also nur eine Frage der Zeit.

Zurück aus der französischen Hauptstadt, trafen wir Kreativdirektorin Maria Koch am Dienstag in der 032c-Zentrale in der Potsdamer Straße, um über ihre allererste Show und die neue Kollektion zu sprechen.

Frau Koch, haben Ihnen Franziska Giffey und Kai Wegner zur Modenschau gratuliert?

Super Frage, natürlich nicht! (lacht) Ich glaube, die wissen gar nicht, dass es uns gibt. Was natürlich vollkommen okay ist.

Das wäre meine nächste Frage gewesen. Wissen die beiden überhaupt, wer oder was 032c ist?

Ich glaube nicht. Das ist dieses Berliner Phänomen, dass die paar deutschen Labels, die international wahrgenommen werden, hierzulande nicht gesehen werden.

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21.01.2024

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22.01.2024

Wohl wahr. Und das, obwohl es alleine Ihr Magazin ja schon seit über zwanzig Jahren gibt.

Ja, ja – und wir haben hier in Berlin ja auch einen Laden, machen Ausstellungen und Partys.

Wer hat Ihnen denn gratuliert?

Außer Freunden und Familie: aus Deutschland niemand, international schon. Aber mal abgesehen vom Gratulieren: Bezeichnend war ja schon, wie viel Presse wir auf der Show hatten: New York Times, Vogue, I-D, Harper’s Bazaar - es war irre.

Wow. Austragungsort der Paris-Show war eine Kirche. Stand das von vornherein fest?

Nein, gar nicht. Wir hatten einfach ein ziemlich kleines Budget und konnten kein großes Set-up aufbauen. Wir haben dank unseres wahnsinnig netten Sponsors Bett1 und der ebenfalls wahnsinnig netten Produktionsagentur Kitty Events ganz viel Hilfe bekommen. Die haben uns Venue-Vorschläge geschickt, und da gab es viele tolle Sachen, aber vor allem zwei Kirchen. Die fand ich attraktiv, weil Kirchen atmosphärisch enorm aufgeladen sind und direkt was Ikonisches haben. Da muss man gar nicht mehr so viel Set-Design machen, das funktioniert einfach sofort. Und die Akustik ist auch beeindruckend.

Dann fiel die Wahl auf die L’Oratoire du Louvre, eine Kirche im 1. Arrondissement.

Die haben wir ausgesucht, weil die so leicht zu erreichen ist. Als junges Label kann man diese Superjournalisten während der Fashion Week nicht durch die Stadt jagen, dann kommen die einfach nicht.

Den ersten Look präsentierte Mona Tourgard, ein sehr gefragtes Model.

Ja, die ist nicht nur wunderschön, sondern auch irre cool. Ich mag sie auch persönlich sehr gerne. Und als Mona ja gesagt hat, kamen auch die ganzen anderen tollen Mädchen. Ihr Flug wurde aber wegen des plötzlichen Wintereinbruchs gecancelt und sie wäre fast nicht gekommen. Das hat mir mein Team aber erst in Nachgang erzählt.

Sehr rücksichtsvoll! Die aktuelle Kollektion heißt „Nighthawks“, inspiriert von Edward Hoppers populären Gemälde einer nächtlichen Barszene. Wie kommt’s?

Das Bild, was ja eine Art Postkartenmotiv ist, das hat mich erst mal gar nicht interessiert. Ich bin über den rumänischen Künstler Victor Man dahin gekommen. Den finde ich schon lange toll. Und dann schrieb jemand über seine Ausstellung im Frankfurter Städel-Museum, dass seine Bilder weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart und der Zukunft stattfinden. Dass sich sein Werk der Zeit entzieht. Und da habe ich verstanden, warum seine Arbeit mich so trifft. In dem Artikel ging es auch um die amerikanische Moderne und Edward Hopper und dass uns „Nighthawks“ eine ähnliche Leere spüren lässt. Die Mischung fand ich extrem gut; diese Idee von einem Ort, den man nicht der Zeit zuordnen kann – und alles mit dunklen Farben überwischt. Irre spannend.

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Die Stimmung ist also dystopisch-düster.

Ich persönlich finde die Kollektion in diesem Kontext aufklärend, bezüglich dem, was gerade ist. Es ist ja nichts mehr schwarz oder weiß, sondern unüberschaubar und schrecklich.

Die Modelinie von 032c soll in diesem Kontext eine Uniform für die Stadt sein, richtig?

Ja, und eine Uniform für die Creative Culture, also für Leute wie Sie, die schreiben, für Regisseure, Kuratoren – alle, die in diesem kulturellen Kontext unterwegs sind und ein anderes Verständnis von Garderobe per se haben.

Mit taillierten Blazern und Röhrenjeans ist die neue 032c-Kollektion sehr körpernah angelegt, ist oversized over?

Nee, das glaube ich nicht. Das ist ja total bequem. Aber mir ist aufgefallen, dass die Idee von Sex in der Mode derzeit scheinbar nur noch in Form von Shapewear stattfindet. Das mag ich nicht. Ich vermisse die weibliche Power und Eigenständigkeit, die sich über Kleidung zeigt. Deswegen fand ich das auch provokant, Skinny Jeans in meiner Kollektion zu zeigen. Ich werde die selbst anziehen, vor allem abends. Tagsüber bin ich aber auch gerne in weiteren Hosen unterwegs, weil es einfach besser funktioniert, beim Hinsetzten und so weiter. Aber ich finde Skinny Jeans einfach einen wahnsinnig scharfen Look!

Da gebe ich Ihnen recht. Oversized bedeutet ja heute nicht mehr nur oben eng und unten weit oder andersherum, sodass zumindest ein Teil der Körperform sichtbar wird. Das ist ja inzwischen der ganze Look. Komplett verhüllt.

Ja, viele sind in diesen Schnuffelklamotten unterwegs. Die Idee von Formalie löst sich auf, sicherlich entstanden als ein seltsames Instagram-Phänomen, das Intimsphäre auf die Straße bringt und mit ihr Shapewear und Sofa-Outfits. Ich finde aber Körper toll, sowohl Männer- als auch Frauenkörper. Und ich mag selbstbewusste Leute, die sich gerne zeigen.

Welcher Look der Kollektion ist Ihr Favorit?

Der erste. Dieses ganz enge Tailoring finde ich wahnsinnig gut. Auch weil es mich an den Film „Gattaca“ erinnert. Wirklich eine Uniform, die scharf aussieht. Die Bomberjacken-Looks finde ich aber auch toll.

Welche Rolle spielt die skiinspirierte Mykita-Sonnenbrille namens „Alpine“?

Die ist gar nicht skiinspiriert. Wissen Sie, das ist so: Unsere erste Brille, die wir mit Mykita zusammen gemacht haben, heißt „Marfa“. Wie unser Hund. Das ist aber auch ein Ort in Texas, und Alpine ist der Nachbarort von Marfa.

Ach so!

So einfach ist das. Im Gegensatz zur bulkigen „Marfa“ hat die „Alpine“ jetzt die ikonischen Mykita-Metallbügel, ich werde die rauf und runter tragen.

Auf der Show lief ein Song von Westbam ...

Zwei sogar. Der erste war „Iron Music“ mit Iggy Pop und der zweite „You Need The Drugs“, der mich immer wieder zu Tränen rührt. Da wird natürlich über Drogen gesungen, aber in so einer Zärtlichkeit und Lösungsorientiertheit! Da haben in der Kirche auch ganz viele Leute geweint, weil einen das so gepackt hat.

Musik von Westbam – das war eine Berlin-Referenz, oder?

Ja, schon. Das ist schon ein Link zur Musikkultur von Berlin. Das ist sicher hilfreich, wenn man als Label anfängt, Shows im Ausland zu machen. Die Leute sollen ja verstehen, wo sie gerade sitzen. Ich empfinde es als höflich, dem Publikum ein paar Formalien mitzugeben, damit sie wissen, wo sie sich gerade aufhalten.

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Michel Gaubert, der früher eng mit Karl Lagerfeld zusammengearbeitet hat, war für den Soundtrack verantwortlich. Was hat er genau gemacht?

Die Songs haben Joerg und ich zwar ausgesucht, aber Michel hat uns in der Auswahl bestätigt. Er hat das abgemischt und den Klangteppich von „Gattaca“ druntergelegt. Und er hat uns beraten, in welchen Portionen das wann und wie passieren soll. Michel ist toll.

Die Show war nicht Teil des offiziellen Programms der Paris Fashion Week. Was hat das zu bedeuten?

Obwohl wir schon zweimal mit einer Präsentation im offiziellen Kalender waren, wurden wir mit einer Show jetzt abgelehnt. Warum, wissen wir nicht. Ich bin aber auch nicht sauer, vielleicht verunsichert es die Federation (die französische Modekammer, Anm.d.Red.), dass wir aus einem Magazin heraus nun Luxusmode machen.

Die Show war ja trotzdem ein Riesenerfolg, 032c hat ein weltumspannendes Netzwerk, alle internationalen Magazine kennen das Label. Brauchen Sie die Institution der Paris Fashion Week überhaupt?

Von „brauchen“ kann nicht die Rede sein, aber wir wollen überhaupt nicht snobby sein. Ich verstehe das Prinzip, sich an Regeln zu halten, aber wenn ich nicht mitspielen soll, dann mache ich eben mein eigenes Ding.

Man hat nicht das Gefühl, dass dadurch irgendwas verloren gegangen ist. Es gab ja maximale Aufmerksamkeit.

Wir haben natürlich schon darauf geachtet, dass wir die Show zu einem Zeitpunkt machen, an dem nicht gerade Rick Owens oder so zeigt. Wir haben uns so reingesneakt. Aber respektvoll. Wir werden im Sommer wieder in Paris sein.

Beim Finale hat ein Model einen Schuh verloren. War das schlimm für Sie?

Nein, überhaupt nicht! Das war Nina mit ihrem Powerwalk. Aber sie hat das süß gelöst, einfach ausgezogen und weitergelaufen. Sie ist Vollprofi. Pumps und Nylon-Strumpfhosen sind ja auch so eine Angelegenheit.

QOSHE - Berliner Designerin Maria Koch über Giffey und Wegner: „Die wissen gar nicht, dass es uns gibt“ - Sabine Röthig
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Berliner Designerin Maria Koch über Giffey und Wegner: „Die wissen gar nicht, dass es uns gibt“

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24.01.2024

Die Stimmung beim Ehepaar Koch ist aufgeräumt. Wohlbehalten ist man aus Paris zurückgekehrt, mit einem weiteren Erfolgserlebnis im Gepäck: der ersten Modenschau des hauseigenen Labels 032c, in einer Toplocation, mit Topmodels und Topgästen.

Mit einer fein austarierten Mischung aus Indie und Kommerz, Intellekt und Humor, Bomberjacken und Pumps hat sich das Berliner Familienunternehmen 032c um Joerg und Maria Koch aus einem Magazin heraus über die Jahre zu einer weltweit dauerpräsenten Marke entwickelt. Die 2020 gegründete Ready-to-wear-Linie gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Bis man diese auf der Paris Fashion Week präsentieren würde, war es also nur eine Frage der Zeit.

Zurück aus der französischen Hauptstadt, trafen wir Kreativdirektorin Maria Koch am Dienstag in der 032c-Zentrale in der Potsdamer Straße, um über ihre allererste Show und die neue Kollektion zu sprechen.

Frau Koch, haben Ihnen Franziska Giffey und Kai Wegner zur Modenschau gratuliert?

Super Frage, natürlich nicht! (lacht) Ich glaube, die wissen gar nicht, dass es uns gibt. Was natürlich vollkommen okay ist.

Das wäre meine nächste Frage gewesen. Wissen die beiden überhaupt, wer oder was 032c ist?

Ich glaube nicht. Das ist dieses Berliner Phänomen, dass die paar deutschen Labels, die international wahrgenommen werden, hierzulande nicht gesehen werden.

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Wohl wahr. Und das, obwohl es alleine Ihr Magazin ja schon seit über zwanzig Jahren gibt.

Ja, ja – und wir haben hier in Berlin ja auch einen Laden, machen Ausstellungen und Partys.

Wer hat Ihnen denn gratuliert?

Außer Freunden und Familie: aus Deutschland niemand, international schon. Aber mal abgesehen vom Gratulieren: Bezeichnend war ja schon, wie viel Presse wir auf der Show hatten: New York Times, Vogue, I-D, Harper’s Bazaar - es war irre.

Wow. Austragungsort der Paris-Show war eine Kirche. Stand das von vornherein fest?

Nein, gar nicht. Wir hatten einfach ein ziemlich kleines Budget und konnten kein großes Set-up aufbauen. Wir haben dank unseres wahnsinnig netten Sponsors Bett1 und der ebenfalls wahnsinnig netten Produktionsagentur Kitty Events ganz viel Hilfe bekommen. Die haben uns Venue-Vorschläge geschickt, und da gab es viele tolle Sachen, aber vor allem zwei Kirchen. Die fand ich attraktiv, weil Kirchen atmosphärisch enorm aufgeladen sind........

© Berliner Zeitung


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