Die große Pianistin Elisabeth Leonskaja wird gerade im Konzerthaus geehrt. In der „Hommage“-Reihe tritt die 1945 in Georgien geborene Meisterschülerin von Swjatoslav Richter in dichter Folge auf. Wer nun allerdings weder Ladenhüter wie das Grieg-Konzert noch die ewigen letzten drei Beethoven-Sonaten hören will, für den fand das erste interessante Konzert am Mittwoch im Werner-Otto-Saal statt.

Leonskaja, die seit 1978 in Wien lebt, spielte Musik der zweiten Wiener Schule, von Alban Bergs noch tonaler Sonate op. 1 bis zu Anton Weberns reihentechnisch durchgeplanten Variationen op. 27. Erstaunlich schlüssig vermochte Leonskaja das postromantische Auf und Ab der Berg-Sonate auf die unmittelbar anschließenden Webern-Variationen zu übertragen, getreu dem Wunsch des Komponisten: „Schwelgt in Tönen!“ Hier wird zwar alles deutlich dissonanter als bei Berg, und angesichts des dürren Satzes ist Schwelgen auch leichter angeordnet als umgesetzt – aber es gelingt ihr mit präzis flexibler Agogik, Weberns Drahtgeflechten Atem einzuhauchen.

Arnold Schönberg hat sich nie knapper gefasst als in den Sechs Klavierstücken op. 19; die Suite op. 25, eine der ersten zwölftönigen Kompositionen überhaupt, ist vergleichsweise ausführlich geraten – und zuweilen hört man in der einen oder anderen Geste ein Erschrecken darüber, wie seltsam diese Gavotten, Menuette und Gigues plötzlich klingen, wie weit sich ihr Tanzcharakter ins Abstrakte zurückzieht. Leonskajas Spiel wird hier wesentlich sachlicher, schroffer; statt gleitender Übergänge gibt es hier und auch in den Klavierstücken scharf profilierte Charaktere.

Nach der Pause stand mit Richard Strauss’ „Enoch Arden“-Melodram ein Kuriosum auf dem Programm. In der Zeit des „Zarathustra“ für den Schauspieler Ernst von Possart entstanden, beschränkt sich Strauss auf filmmusikalische Stimmungshintergründe für große Vortragskunst. Sie wurde hier geleistet von Corinna Kirchhoff, mit der Leonskaja laut Auskunft des Programms eine „tiefe Freundschaft“ verbindet.

27.02.2024

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Man mag den Vortrag der Kirchhoff für manieriert halten, er erweist sich indes selbst als in hohem Grade musikalisch, nämlich von großartigem Gefühl für Timing und Steigerung – und das, was man als „hohen Ton“ verächtlich macht, ist hier schon aus Gründen der Referenz an das Schauspiel vor 125 Jahren gerechtfertigt.

Die alberne Anti-Robinsonade, deren Titelheld weite Handelsreisen unternimmt, um den zurückgelassenen Kindern eine bessere Ausbildung zu ermöglichen, wegen Schiffbruchs aber so lange fernbleibt, dass die Gattin sich neu verheiratet – ein Text, der seine sozialkritischen Ansätze vor lauter Sentimentalität nicht einmal wahrnimmt –, ist nicht zu veralbern; seine Komik erschließt sich nur durch präzise Übertreibungen, wie sie Kirchhoff meisterhaft versteht.

QOSHE - Filmmusik und Drahtgeflecht: Elisabeth Leonskaja spielt Schönberg und Strauss - Peter Uehling
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Filmmusik und Drahtgeflecht: Elisabeth Leonskaja spielt Schönberg und Strauss

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29.02.2024

Die große Pianistin Elisabeth Leonskaja wird gerade im Konzerthaus geehrt. In der „Hommage“-Reihe tritt die 1945 in Georgien geborene Meisterschülerin von Swjatoslav Richter in dichter Folge auf. Wer nun allerdings weder Ladenhüter wie das Grieg-Konzert noch die ewigen letzten drei Beethoven-Sonaten hören will, für den fand das erste interessante Konzert am Mittwoch im Werner-Otto-Saal statt.

Leonskaja, die seit 1978 in Wien lebt, spielte Musik der zweiten Wiener Schule, von Alban Bergs noch tonaler Sonate op. 1 bis zu Anton Weberns reihentechnisch durchgeplanten Variationen op. 27. Erstaunlich schlüssig vermochte Leonskaja das postromantische Auf und Ab der Berg-Sonate auf die unmittelbar anschließenden Webern-Variationen zu übertragen, getreu dem Wunsch........

© Berliner Zeitung


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