Die Enttäuschung und der Frust saßen tief. Wieder einmal hatten sich alle Mühen nicht gelohnt, der betriebene Aufwand war letztlich umsonst gewesen. An einem ungemütlichen, nasskalten Abend im Oktober hatte der 1. FC Union Berlin mit 0:1 beim VfB Stuttgart verloren, war schon frühzeitig in der zweiten Runde aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Urs Fischer hatte mit seiner Aufstellung alles probiert, Spielern wie Benedict Hollerbach, der bei den Eisernen bis dato noch überhaupt kein Land gesehen hatte, eine Einsatzchance gegeben. Es half nichts. Aufgebracht rannte der Schweizer nach Abpfiff zu Schiedsrichter Sascha Stegemann, wild gestikulierend handelte er sich beim Unparteiischen noch die Rote Karte ein.

Etwas mehr als vier Monate ist es gerade einmal her, da hatten die Köpenicker mit der Pleite im Schwabenland einen neuen sportlichen Tiefpunkt erreicht. Zwei Wochen später, nach Niederlagen in der Bundesliga gegen Frankfurt und in Leverkusen sowie einem Remis in der Champions League bei der SSC Neapel, verließ Fischer den Verein. Nenad Bjelica übernahm das Traineramt und hat mit einer sportlich guten Zwischenbilanz dafür gesorgt, dass die Berliner beim anstehenden Auswärtsspiel in Stuttgart (Freitag, 20.30 Uhr) einigermaßen entspannt antreten können.

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Acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz bedeuten zehn Runden vor Ende der laufenden Spielzeit eine gute Ausgangsposition, um das Saisonziel Klassenerhalt ein fünftes Mal in Folge zu erreichen. Die Formkurve der Mannschaft zeigte trotz der 0:2-Niederlage am vergangenen Wochenende gegen Borussia Dortmund zuletzt deutlich nach oben. Gute Voraussetzungen also, um möglicherweise auch bei der größten Überraschungsmannschaft im deutschen Profifußball zumindest einen Punkt einzusammeln.

VfB-Trainer Sebastian Hoeneß hat den Verein in nur wenigen Monaten von einem Abstiegskandidaten zu einem Anwärter auf die Champions League geformt. Bei derzeit sieben Zählern Vorsprung auf Rang fünf wäre das Abrutschen in die Europa-League-Ränge fast schon eine Enttäuschung. Randnotiz: Jamie Leweling, in der vergangenen Saison bei Union nahezu ohne Bewährungschance, stand in allen 24 Bundesliga-Spielen auf dem Platz – auch beim souveränen Stuttgarter 3:0-Erfolg im Hinspiel im Stadion An der Alten Försterei.

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04.03.2024

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In diesem Duell ist es mit Blick auf die jüngere Vergangenheit fast schon eine Ausnahme, dass beide Mannschaften befreit aufspielen können. Gleich zweimal war Union in der vergangenen Saison verantwortlich, dass beim Gegner der Trainer entlassen wurde. Nach dem 1:0-Erfolg im Hinspiel (Tor: Paul Jaeckel) trennte sich der VfB von Pellegrino Matarazzo, im Rückspiel gewannen die Eisernen mit 3:0, Bruno Labbadia musste gehen.

Und dann ist da natürlich noch die bei allen Unionern so süße Erinnerung an den 27. Mai 2019, als der Verein erstmals in der Klubgeschichte in die Bundesliga aufstieg. Nach einem 2:2 im Hinspiel reichte ein torloses Remis vier Tage später dank der damals noch geltenden Auswärtstorregelung für den Sprung nach oben. Die Bilder, die in den Tagen danach entstanden, die Feierlichkeiten und die grenzenlose Begeisterung im Osten Berlins werden für immer, also auch mit dem kommenden Gegner in Verbindung stehen.

Noch weit weg von Berlin, genauer gesagt im italienischen Bergamo, war damals Robin Gosens. Zur Erinnerung an jene berauschenden Tage im Mai vor fünf Jahren kann er also nichts beitragen, dafür ist er momentan einer der wichtigsten Profis beim 1. FC Union Berlin. Sein gelbgesperrtes Fehlen gegen den BVB merkte man zuletzt an allen Ecken und Enden. Jérome Roussillon vertrat den Nationalspieler anständig, die offensive Dynamik und vor allem Torgefahr von Gosens konnte er aber nicht entwickeln.

Sechsmal hat der teuerste Einkauf der Vereinsgeschichte bislang getroffen, dürfte dadurch auch am Saisonende einer der heißesten Anwärter auf die teaminterne Torjägerkrone sein. Besonders interessant: Fünf seiner sechs Treffer hat Gosens auf fremden Plätzen erzielt. Möglicherweise ja auch ein gutes Omen für den Auftritt am Freitag.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: In Stuttgart kann die Bjelica-Elf befreit aufspielen - Nils Malzahn
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1. FC Union Berlin: In Stuttgart kann die Bjelica-Elf befreit aufspielen

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06.03.2024

Die Enttäuschung und der Frust saßen tief. Wieder einmal hatten sich alle Mühen nicht gelohnt, der betriebene Aufwand war letztlich umsonst gewesen. An einem ungemütlichen, nasskalten Abend im Oktober hatte der 1. FC Union Berlin mit 0:1 beim VfB Stuttgart verloren, war schon frühzeitig in der zweiten Runde aus dem DFB-Pokal ausgeschieden. Urs Fischer hatte mit seiner Aufstellung alles probiert, Spielern wie Benedict Hollerbach, der bei den Eisernen bis dato noch überhaupt kein Land gesehen hatte, eine Einsatzchance gegeben. Es half nichts. Aufgebracht rannte der Schweizer nach Abpfiff zu Schiedsrichter Sascha Stegemann, wild gestikulierend handelte er sich beim Unparteiischen noch die Rote Karte ein.

Etwas mehr als vier Monate ist es gerade einmal her, da hatten die Köpenicker mit der Pleite im Schwabenland einen neuen sportlichen Tiefpunkt erreicht. Zwei Wochen später, nach Niederlagen in der Bundesliga gegen Frankfurt und in Leverkusen sowie einem Remis in der Champions League bei der SSC Neapel, verließ Fischer den Verein. Nenad........

© Berliner Zeitung


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