Lange konnte Deutschland, der Exportweltmeister, der Brutkasten genialer Ingenieure, der Hersteller der besten Autos, vor Kraft kaum laufen und blickte gelassen auf um Anschluss kämpfende Weltmarktneulinge wie China.

Wie sollten die Produzenten von buntem Billigtand, die Technologiediebe, die Kopisten an der verlängerten Werkbank, einer Industrienation wie Deutschland das Wasser reichen können? Doch das ist vorbei – und die Stimmung hat sich gedreht: China ist nun „systemischer Rivale“ (Neusprech für die „Gelbe Gefahr“) und veritabler Konkurrent in zentralen Technologien. Besonders frech: Die können mittlerweile auch Autos!

Die deutsche Wirtschaft macht zurzeit einen desorientierten Eindruck – Rückzug und Boykott? Oder sich auf den Wettkampf einlassen, was eine erwachsene, souveräne Haltung wäre. Und wie reagiert die deutsche Medienwelt auf den China-Schock? Mit Kleinreden, Diffamieren, Verdrehen und mit Ausschlussfantasien – ungefähr wie ein Kleinkind, das noch nicht in der Lage ist, die Situation zu erfassen.

•gestern

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25.01.2024

Als sich China Ende 2023 wieder stärker ausländischen Besuchern öffnete und Deutschen sowie Bürgern fünf weiterer Länder visafreies Reisen ermöglichte, diagnostizierte die Welt in Peking „Verzweiflung“. Der miserable Zustand der chinesischen Wirtschaft zwinge zu solchen Maßnahmen. Man darf daran zweifeln, dass ein paar mehr Touristen dem 1,4-Milliarden-Land helfen, durch die Post-Covid-Flaute zu kommen. Man könnte die Öffnung auch freudig begrüßen, weil sich ja nun mehr westlich Sozialisierte ein eigenes Bild machen können von dem Land, das in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung der Welt in Wirtschaft und Politik entscheidend bestimmen wird.

Während also ein scheeler deutscher Blick auf China fällt (und sich die chinesische Botschaft darüber beschwert), präsentiert das Land 5,3 Prozent Wachstum im Jahr 2023, während Deutschland in der Minus-0,3-Prozent-Delle verharrt. Monat um Monat stellen chinesische Entwickler und Produzenten Weltspitzen-Technologie vor wie die besten Mobiltelefone (mit vollständig selbstentwickelten Chips), bereiten eine Weltmarkt-Großoffensive mit Elektroautos vor, bieten Photovoltaik-Technik und Windräder an, die geeignet sind, auch hierzulande die Umstellung auf erneuerbare Energien voranzutreiben.

Die Reaktion ist Alarmgeschrei. Sachlich betrachtet arbeiten China wie auch die alten Mächte am „De-Risking“, wollen für den Krisenfall durch Diversifizierung die Abhängigkeit von einer Quelle reduzieren. China betreibt das tatsächlich schon länger, vor allem in kritischen Bereichen wie Energie und Rohstoffe und bei Zukunftstechnologien wie Halbleitern, Batterien und Militärtechnik. Die Entwicklung eigener Technologien und Produktionsstätten schreitet sichtlich voran.

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Die Führung des Landes reagiert damit auch auf den von den USA forcierten Handelskrieg gegen den heranwachsenden Konkurrenten – ein geopolitisches Großprojekt von ähnlicher Dimension wie in Zeiten des Kalten Krieges die Sanktionen gegen den Ostblock. Wieder kämpfen Supermächte um die globale Vorherrschaft, wieder geht es darum, die Rivalen abzuwürgen.

Tatsächlich zeigen die Maßnahmen, vor allem die Technologieblockaden, Wirkung. Das ist Teil der Erklärung für Chinas aktuelle Schwächephase. Wird den chinesischen Hightech-Spitzenprodukten der Zugang zu den Weltmärkten erschwert oder mit empfindlichen Strafmaßnahmen für Käufer sogar unmöglich gemacht, wäre das ein harter Schlag. Die schmerzlichen Wirkungen blieben nicht auf die Wirtschaft beschränkt.

Deutschland sitzt als bisherige Außenhandelsgroßmacht sehr ungemütlich zwischen den Mahlsteinen. Hat es seine Lage schon begriffen? Fatalerweise nicht. Die Öffentlichkeit beschäftigt sich aufgeregt mit Altlasten und Befindlichkeiten – mit Agrardiesel, Bahnstreiks, Cannabislegalisierung, LNG-Leitungen, Strompreisvergünstigung für Industrien des 19. Jahrhunderts wie Stahl, mit Migrationsregelungen, mit der digitalen Gesundheitskarte.

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Übergreifende Großthemen wie das Schrumpfen der Wirtschaft, der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in essenziellen Bereichen wie dem Autobau, die generell unsichere Energiebasis, das absinkende Bildungsniveau, der verheerende Digitalisierungsrückstand und so fort, fallen wie schon seit 20 Jahren nach jeweils kurzen Aufwallungen immer wieder schnell der Verdrängung anheim.

Umso befreiender wirkt als Übersprunghandlung das China-Bashing. Man betrachte das Beispiel Klimapolitik: Wer deutsche Politiker auf Klimagipfeln reden hört, muss glauben, da redeten die Klimaweltmeister. In der Realität aber schaffte es Deutschland 2022 und 2023 nicht, seine Ziele aus eigener Kraft zu erreichen. Weil die Industrie nach dem Ende russischer Erdgaslieferungen die Produktion drosselte, rutschten die Emissionen doch unter die Zielmarke.

China hingegen ist Weltmeister in nahezu allen Klassen des Zubaus von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie. Von „historischen Fortschritten“ ist in den Zahlenwerken internationaler Energieagenturen zu lesen: Im Bereich Solarstrom baute China im abgelaufenen Jahr 210 Gigawatt zu, doppelt so viel wie die USA. China hat die Produktion von Solarzellen, Elektroautos und Windrädern hochgefahren – mit gigantischen Investitionen und bester Hightech.

Deshalb gab es Ende November 2023 eine für die Welt grandiose Nachricht: China erreicht 2024 den Punkt der höchsten Emissionen, ganze sechs Jahre früher als bisher vorgesehen. Dann sinkt der Ausstoß des Treibhausgases. Seit 2007 ist China weltweit größter Emittent von CO₂, die schiere Menge, die dann nicht mehr in die Atmosphäre gelangen wird, ist gigantisch.

Hat man Jubelschreie auf der Klimakonferenz in Dubai gehört? Gab es eine begeisterte Reaktion von Braunkohleminister Robert Habeck (Grüne), eine Dankesdemo von Klimaaktivisten vor der chinesischen Botschaft in Berlin? Nichts davon! Deutsche Medien berichteten eher ungläubig als überschwänglich über Chinas Öko-Ruck, der zumindest hoffen lässt, das globale 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen.

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Statt tatsachengenauer Berichte liest man in Deutschland die absurdesten Sachen: China verbaue in seinen Windrädern radioaktives Neodym. Dieses Material gehört zu den seltenen Erden, ist mitnichten radioaktiv und steckt auch in Gamesa-Windrädern von Siemens. Bloß, dass diese an Qualitätsmängeln leiden, während die chinesischen hocheffizient sind. Heikel ist die Förderung von Neodym und die Trennung von strahlenden Elementen wie Uran.

In dem 2023 bei Piper erschienenen, recht informativen (wenn auch brutal gegenderten) Sachbuch „Ende der China-Illusion“ führt die Sinologin Janka Oertel all die eindrucksvollen Zahlen der grünen Transformation in China an, um dann allen Ernstes über die Motive zu schreiben: „China will nur sich selbst und nicht das Klima schützen.“ Das Land betreibt demnach keinen „richtigen“ Klimaschutz, sondern strebt im eigenen Interesse nach Selbstversorgung mit kostengünstiger, emissionsarmer Energie. Wie furchtbar! Unausdenkbar, wenn der chinesische Weg zum globalen Vorbild geriete und die Klimawende gelänge.

Das Exempel grüne Energie zeigt den Trend der deutschen China-Berichterstattung: Egal, was smarte Chinesen hinbekommen, ein deutscher Journalist wird ein Haar in der Suppe finden und vor großen, womöglich noch unerkannten Gefahren warnen.

So läuft das auch mit Blick auf die billigen Elektroautos aus China: Sind nur möglich durch staatliche Subventionsorgien (für Milliardensubventionen des deutschen Steuerzahlers in Chipfabriken bei Dresden oder Magdeburg gelten offenbar andere Wertestandards). Beispiel preiswerte Antennen bester Qualität für das deutsche 5G-Netz von Huawei: Die werden Deutschland – das ist ja wohl klar – rundum ausspionieren.

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Kenner der Technologie sagen allerdings, die Antennen seien technisch „dumm“ und könnten gar nichts weiterleiten. Zu dem in Peking derzeit mit viel KI erprobten autonomen Fahren im Nahverkehr, das 80 Prozent billiger ist als herkömmliche Online-Fahrdienste, meinen deutsche Kommentatoren: Dafür müssten viel zu viele Verkehrsdaten eingesammelt werden, was ein weiteres Einfallstor für die Totalüberwachung öffne. Will Deutschland für immer auf autonomes Fahren verzichten?

Zu dem bestens funktionierenden und schnell ausgebauten Netz der Hochgeschwindigkeitszüge liest man in Deutschland: Es sei sicherlich nicht ausgelastet, überdimensioniert, viel zu teuer und gewiss Ergebnis von Technologieklau. Auch dürfe man die infrastrukturelle Erschließung entlegener, armer Gebiete wie der Inneren Mongolei durch Eisenbahnen keinesfalls als Entwicklungsanstrengung verstehen, sondern als perfide Vorbereitung zur Überfremdung regionaler Minderheiten („Sinisierung“). Diese Messlatte gilt für China, nicht aber anderswo: Staaten wie dem Sudan oder Nigeria wird von deutschen Medien vorgeworfen, sie vernachlässigten Randzonen und bereiteten so das Terrain für Terrormilizen.

Wie sind solche Reaktionen auf chinesische Erfolge zu erklären? Sicherlich spielt die alte Kommunismusangst, die „Gelbe Gefahr“, eine Rolle – nun gesteigert, denn Chinas neuer Kommunismus kommt so modern, flexibel, effizient, dynamisch und vor allem so erfolgreich daher, dass er seine eigene Bevölkerung mehrheitlich überzeugt.

Als plausibelste Erklärung für das Miesmachen der chinesischen Erfolge erscheint die Angst des Absteigenden angesichts des Aufsteigers. Das gilt übrigens auch für globale Machtverhältnisse: Wenn Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika nach Jahrzehnten teils miserabler Erfahrungen mit dem Westen Chinas Modell für den Weg aus der Massenarmut zu umweltschonender Modernität tatsächlich attraktiv fänden, dann ändert sich die Weltordnung wirklich – und Zeitenwenden gehören zum Wesen der Menschheitsgeschichte.

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Die merkwürdige Schieflage der China-Berichterstattung deutscher Medien fiel mir massiv auf, als ich im Sommer 2023 eine Reise nach Peking und Qingdao vorbereitete – genauer gesagt, als ich an Ort und Stelle merkte, dass ich mit meinem angelesenen Wissen völlig schieflag. Umso wichtiger wurde der Plan, neben dem Besuchsprogramm, das eine Umwelt- und Handelsmesse, Firmen und den Deutsch-chinesischen Ökopark in Qingdao vorsah, ein Thema zu erkunden: Wie ist es möglich, dass Chinesen das sogenannte Social Scoring akzeptieren, also ein System der Verhaltenskontrolle und Datensammlung, das Menschen mithilfe von Punktevergabe oder -entzug höher oder niedriger einstuft?

Schon am ersten Tag war klar: Die Sache stinkt. Wen auch immer ich fragte – bei Zufallstreffen am Frühstücksbuffet im Hotel oder beim Spaziergang in Olympiapark von Peking, der voller Familien war: Die Leute hörten die Fragen der Langnase neugierig an, wussten aber nicht, wovon sie redet. Oder erst nach umständlichen Erklärungen, bis sie schließlich mutmaßten: Vielleicht meint sie ja die Scoring-Systeme, die bei Kreditwünschen zum Einsatz kommen, ober bei Verstößen gegen Verkehrsregeln. Mit anderen Worten: Verfahren, die der deutschen Schufa (zur Überprüfung von Kreditnehmern) oder der Flensburger Punktedatei entsprechen, in der schwere Übertretungen der Verkehrsregeln für einzelne Personen gesammelt werden.

Wie aber war ich zu dem Glauben gelangt, dass das Leben der Chinesen nach Rankings abläuft? Ich habe es nach der Rückkehr nachvollzogen – in China ist Google nicht zugänglich, man hat ein eigenes System, das ich nicht benutzen und beurteilen kann.

Ergebnis: Tatsächlich hatte sich die Story eines Buches des Journalisten Kai Strittmatter aus dem Jahr 2019 auch bei mir festgesetzt. Sie war in zahlreichen Pressetexten und Dokus aufgegriffen und nicht korrigiert worden. Zwar gab es in China etliche Pilotversuche zum Social Scoring, jedoch setzte sich nichts davon durch – obwohl laut Umfragen 80 Prozent der Chinesen nichts gegen die Verwendung von Daten haben, wenn damit die Gesellschaft sicherer und stabiler wird.

Bis heute vermittelt der Wikipediatext zum Sozialkreditsystem in China Unsinn. Er bedient ein vorgefertigtes Weltbild. Warum aber geschieht das? In meiner Einschätzung bewege ich mich auf dem dünnen Eis eigener Beobachtung: Nicht wenige Kollegen schreiben offenbar mit einer Haltung, von der sie meinen, dass sie in ihren Redaktionen und der demokratischen, den Menschenrechten verpflichteten Öffentlichkeit gut ankomme. Daran ist nichts Verwerfliches und das Schreiben mag durchaus der eigenen Überzeugung entsprechen.

Doch entsteht so auch eine Barriere gegen vorurteilsfreie Informationsaufnahme. Zudem fürchten jüngere Kollegen bei der Berichterstattung über China, sie könnten sich einen karriereschädigenden Ruf erwerben, wenn sie weder ein Haar in der Suppe finden noch zu grundsätzlicher Systemkritik anheben.

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Aber die Lage ist zu ernst, um sich mit Viertel- bis Halbwissen über den „Systemrivalen“ zu begnügen. Man kann ja nicht ernsthaft glauben, auf der Grundlage falscher, zumindest aber unzureichender Informationen die richtigen Entscheidungen zu treffen und im Systemwettbewerb bestehen zu können. Wer in der DDR aufgewachsen ist, weiß, wie verheerend verzerrte und selektive Berichterstattung, die Diskrepanz zwischen beschriebener und realer Welt langfristig wirkt. Dass Chinas offizielle Medienpolitik nicht selektiv und verzerrend agiere, ist damit natürlich nicht gesagt.

Derzeit studieren in China 40 Millionen eingeschriebene Studenten, die im Ausland nicht eingerechnet. Etwa zehn Millionen Akademiker kommen jährlich auf den Arbeitsmarkt. Die Wahrscheinlichkeit, dass da etliche Koryphäen heranwachsen, steigt mit der schieren Menge der Absolventen. In Deutschland reagiert man auf diese Zahlen mit dem Hinweis, es gebe in China eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Das trifft auf die Phase nach der Pandemiekrise zu. In Wahrheit liegt da ein Riesenpotenzial für die nächsten Jahre bereit.

Nicht einmal unbestreitbare Großtaten finden Anerkennung: China hat 800 Millionen Menschen aus der absoluten Armut geholt – nur so konnte die UNO ihr Millenniumsziel erreichen, die Zahl der Hungernden zwischen 1990 und 2000 zu halbieren. Die Weltbank stellte fest, dass seit Beginn der Reformen 850 Millionen Chinesen der bitteren Armut entkommen sind. Damit hat China 70 Prozent des gesamten Beitrags zur globalen Armutsbekämpfung geleistet.

Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, dass auf tausend Jahre kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen.

China hat die Lebenserwartung, ein zentraler Indikator für menschliches Wohlergehen, von etwa 44 Jahren im Jahr 1958 auf derzeit etwa 78 Jahre gesteigert und damit zur Spitzengruppe aufgeschlossen (in Deutschland sind es circa 80 Jahre). Chinesische Schüler glänzen in internationalen Vergleichen mit Spitzenergebnissen – im Bildungstrümmerland Deutschland wirkenden Medienmenschen fällt dazu ein, dass Chinas Kinder gewiss unter brutalem Druck lernen müssten.

Die grundlegenden Menschenrechte auf Leben, Gesundheit und Bildung haben also gigantische Fortschritte gemacht. Wem es schwerfällt, das anzuerkennen, erklärt Menschenrechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit für alle und jeden prioritär. Auf großer Bühne trugen Außenministerin Annalena Baerbock und ihr Kollege Qin Gang den Konflikt im April 2023 bei einer Pressekonferenz in China aus. Sein Land brauche keine Lehrmeister aus dem Westen, ließ Qin Gang die Kollegin wissen, die das Schicksal eines Menschenrechtsaktivisten angesprochen hatte: Hinsichtlich der Menschenrechte gebe es „keine einheitlichen Standards in der Welt“. Auch in Deutschland kam die Besserwisserei der Außenministerin weithin schlecht an.

Umso mehr haben es einzelne journalistische Leuchttürme verdient, wahrgenommen zu werden. Ein Beispiel liefert das ZDF – ja, das öffentlich-rechtliche Fernsehen – mit dem Film „Chongqing – die größte Stadt der Welt, die keiner kennt“.

Miriam Steimer, Korrespondentin im ZDF-Studio Peking, wirft sich mit vollem Schwung hinein in eine Metropole mit 32 Millionen Menschen, stellt sie als lebendigen, vibrierenden, umwerfenden, in jeder Hinsicht verblüffenden Organismus vor, mit Wohlhabenden, Armen, Queeren, mit deutscher Wurst und Hot Pots von enormer Schärfe. „Nichts für schwache Nerven“, sagt Steimer über Chongqing. So neugierig, zugewandt, humorvoll, unterhaltsam, informativ und vorurteilsfrei wünscht man sich Information über die große, weite Welt und ihre Bewohner. Man denkt: Na bitte, geht doch.

Es gibt ein paar mehr Beispiele, diese finden sich allerdings eher in Nischen. So berichtete das Online-Energie-Nachrichtenmagazin Efahrer.com begeistert über das größte Windrad der Welt, made in China: „292 Meter Durchmesser, Strom für 25.000 Haushalte: Windrad sprengt alle Rekorde“. Es halte schwersten Tropenstürmen stand.

Und im IT-Nachrichtenportal Heise online schreibt die Politologin und Sinologin Anna Lise Ahlers: „Im Rekordtempo erklimmt das Reich der Mitte gerade Spitzenplätze in internationalen Wissenschaftsranglisten. Im aktuellen Nature Index etwa belegt das Land Platz eins, hat also weltweit zu den meisten Publikationen in wissenschaftlichen Fachjournalen beigetragen.“

Nun eröffnet das visafreie Reisen mehr Menschen die Erfahrung: Das moderne China überwältigt. Als Journalist muss man sich natürlich sekündlich klarmachen, dass man sich nicht überwältigen lassen darf. Wie Miriam Steimer in Chongqing trifft man auf Menschen voller Optimismus, die selber kaum glauben können, was um sie herum passiert ist: „Schaut, was aus diesem Land geworden ist!“, sagte ein Fischhändler auf dem großen Markt von Qingdao; vor ein paar Jahren sei er noch einfacher Lastwagenfahrer mit kleinem Gehalt gewesen. Jetzt laufe der Handel mit hochwertigen Meeresfrüchten ausgezeichnet und habe ihm zu einigem Wohlstand verholfen. Die Leute wollten gute, gesunde Sachen essen – und könnten sie auch bezahlen. Er ist überzeugt: Seinen Kindern werde es noch besser gehen.

Das ist der springende Punkt: Solange die Leute glauben, der Pfeil zeige nach oben, bleiben sie loyal – auch gegenüber einer kommunistischen Partei. Und in China zeigt der Pfeil nach oben, auch wenn deutsche Medien die 5,3 Prozent Wachstum zur Stagnation umdichten.

In der Tat steht das Verhältnis zwischen China und den alten Mächten des Abendlandes an einem Wendepunkt. Das Staunen über Chinas Voranstürmen, eben noch der arme Schlucker, weicht der Angst, das an strategischen Rohstoffen reiche Land mit seinen smarten Menschen werde dem noch kürzlich global dominanten Westen den Rang ablaufen. Ob das auf Gewinn oder Gefahr hinausläuft, entscheidet sich jetzt.

QOSHE - Wer hat Angst vor China? Statt Wettbewerbsgeist scheele Blicke auf den Rivalen - Maritta Adam-Tkalec
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Wer hat Angst vor China? Statt Wettbewerbsgeist scheele Blicke auf den Rivalen

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28.01.2024

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Tatsächlich zeigen die Maßnahmen, vor allem die Technologieblockaden, Wirkung. Das ist Teil der Erklärung für Chinas aktuelle Schwächephase. Wird den chinesischen Hightech-Spitzenprodukten der Zugang zu den Weltmärkten erschwert oder mit empfindlichen Strafmaßnahmen für Käufer sogar unmöglich gemacht, wäre das ein harter Schlag. Die schmerzlichen Wirkungen blieben nicht auf die Wirtschaft beschränkt.

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Umso befreiender wirkt als........

© Berliner Zeitung


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