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Urteil des Internationalen Gerichtshofs gegen Israel: Auch eine deutsche Schlappe

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27.01.2024

Wäre der Anlass nicht so ernst und blutig, man könnte die Stunden vor der Verkündigung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag über die südafrikanische Klage gegen Israel beschreiben wie bei einer Fußballweltmeisterschaft.

Es gab public viewing in Johannesburg und Ramallah, internationale Fernsehkanäle schalteten Sondersendungen und Gerichtsexperten erklärten jede Nuance des Verfahrens aus dem Garten des Friedenspalais in Den Haag.

Noch am Vortag hatte die israelische Regierung geheime Regierungsakten freigegeben und nach Den Haag geschickt, die nachweisen sollten, wie sehr die israelische Armee Zivilisten schont. Wusste sie nicht, dass die Gerichtsentscheidung da schon feststand? Solche Texte schreiben die Richter nicht in Nachtsitzungen zusammen, sie werden von Assistenten vorbereitet, aus Versatzstücken zusammengesetzt und dann in blütenweißem, weitgehend unverständlichem Juristen-Englisch aufgesetzt. Aber damit das geht, muss es vorher einen weitgehenden Konsens der beteiligten siebzehn Richter geben. Und den gab es, wie das Urteil dann zeigte: In allen Punkten waren sich 15 von ihnen einig, manchmal waren es sogar 16. Nur der aus Israel entsandte Ad-hoc-Richter stimmte immer dagegen.

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24.01.2024

25.01.2024

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25.01.2024

Für die israelische Regierung und ihre Verbündeten ist die Entscheidung eine symbolische Katastrophe: Der IGH hat fast alle einstweiligen Verfügungen, die Südafrika verlangte, erlassen. Nur die Einstellung der Kämpfe hat das Gericht nicht angeordnet. Und, was im internationalen Propaganda-Krieg vermutlich viel wichtiger ist: Es hat Südafrika einen strahlenden Sieg und Israel eine krachende Niederlage beschert. Benjamin Netanjahu führt ab jetzt eine Regierung, der gerade gerichtlich bescheinigt wurde, „dem Anschein nach“ gegen die Völkermordkonvention verstoßen zu haben.

Internationaler Gerichtshof: Israel muss humanitäre Hilfe für Gazastreifen ermöglichen

•gestern

UN-Gericht: Gefahr von Völkermord in Gaza

gestern

Gerechnet hat damit fast niemand. Der britische Premierminister Rishi Sunak und die Bundesregierung fanden die südafrikanische Klage unbegründet, falsch und (so Sunak) sogar eine Gefahr für den Frieden. Regierungssprecher Steffen Hebestreit schrieb auf X: „Den nun vor dem Internationalen Gerichtshof gegen Israel erhobenen Vorwurf des Völkermords weist die Bundesregierung aber entschieden und ausdrücklich zurück. Dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage.“

Es ist immer lustig, wenn Menschen, die sich gerade noch zur Unabhängigkeit des Gerichts bekannt und dort eine Klage (gegen Italien) eingebracht haben, dem Gericht sagen, wie es entscheiden soll. Funktioniert hat es nicht: 15 der 17 Richter waren der Ansicht, der Völkermordvorwurf entbehre nicht jeder Grundlage. Wer in ihrer Entscheidung zwischen den Zeilen liest, erkennt: Südafrika bekam regelrecht Lob für seine Klage.

Die Pflicht, Völkermord zu verhindern, obliegt völkerrechtlich nämlich jedem Staat, egal, ob ihn ein Massaker selbst betrifft oder nicht. Aber außer Südafrika, Bolivien, Bangladesch, den Komoren und Djibouti, die mitklagten, hat kaum ein Staat diese Pflicht ernst genommen. Stellenweise hörte sich der Vortrag von Richterin Joan Donoghue an wie eine Aufforderung, dieser Pflicht öfter nachzukommen.

Auch Staaten, die militärisch schwach oder weit entfernt vom Geschehen sind, können ja immerhin Klage einreichen. Das ist dann, juristisch laienhaft ausgedrückt, die billigste Version der Völkermord-Prävention. So hatte übrigens auch Südafrika die Klage begründet. Dass sie jetzt Erfolg hat, mag die Medien und viele Politiker überrascht haben, die Juristen aber nicht. Die südafrikanischen Völkerrechtler haben in ihre Klage einen Fallstrick eingebaut, über den nicht nur Israel, sondern auch die Bundesregierung, Rishi Sunak und alle diejenigen gestolpert sind, die in den letzten Wochen immer wieder betont haben, Israel begehe im Gaza-Streifen „natürlich keinen Völkermord“. Der Haken dabei ist: Darum ging es gar nicht.

Südafrika hat Israel nicht nur wegen Völkermord vor den IGH gebracht, sondern auch wegen Unterlassung: Israel, so die südafrikanischen Juristen, habe es unterlassen, Völkermord zu verhindern. Das verlangt die Völkermordkonvention, die Südafrika und Israel ratifiziert haben, von allen Unterzeichnerstaaten.

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© Berliner Zeitung


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