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Lieferkettenrichtlinie: Wie die FDP, ohne es zu wissen, gegen Neokolonialismus kämpft

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11.02.2024

Natürlich liegt die FDP daneben, wenn sie die EU-Lieferkettenrichtlinie boykottiert und die Bundesregierung dieser Richtlinie nun bei den Beratungen in Brüssel nicht zustimmen kann. Vielleicht kommt die Richtlinie so überhaupt nicht zustande, weil durch Deutschlands Enthaltung die notwendige Stimmenmehrheit fehlt. Kann sein, kann nicht sein. Aber darum geht’s ja gar nicht.

Die FDP hat alles getan, um auf sich aufmerksam zu machen: Sie hat auf den Tisch gehauen, ist in die Schlagzeilen gekommen und kann sich jetzt als Partei der Unternehmer, der Marktwirtschaft und als Gegnerin der Bürokratie inszenieren – auf Kosten der Ampel und der Reputation der Bundesrepublik in Brüssel, wo wieder alle – wie beim FDP-Protest gegen die Abschaffung des Dieselmotors – den Kopf schütteln werden: Wenn man sich nicht mal mehr auf die Deutschen verlassen kann, auf wen kann man sich dann noch verlassen?

Wer das alles kritisiert, hat recht, vergisst aber den wichtigsten Punkt: Die FDP hat recht – allerdings aus ganz anderen Gründen, als sie selbst behauptet. Klar, das Lieferkettengesetz schafft mehr Bürokratie für Unternehmen. Das ist sein harmlosester Aspekt. Es schafft nämlich auch eine Menge anderer Dinge, über die überhaupt nicht diskutiert wird.

Da wäre es gut, alle Diskutanten, von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihren Kommissaren über die Abgeordneten im Europaparlament (die Liberalen eingeschlossen) bis zu den vielen, vielen Menschenrechtlern und Nichtregierungsorganisationen, die die Richtlinie unbedingt (und wenn möglich noch restriktiver als sie ist) wollen, würden einen Schritt zurücktreten, tief Atem holen und sich die ganze Sache nochmal überlegen. Vielleicht würden sie dann erkennen, dass sie auf einem Weg voller guter Vorsätze marschieren, der in die Hölle führt. Genau da beginnt übrigens die Geschichte der Richtlinie.

•gestern

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gestern

09.02.2024

09.02.2024

Vor ungefähr einem Vierteljahrhundert tobten in Afrika mehrere regionale Kriege, in Angola, Ruanda, Sierra Leone, Liberia. Meist handelte es ich dabei um Bürgerkriege, die Rebellen gegen eine international anerkannte Regierung führten, wobei dann manche Nachbarstaaten die Rebellen und andere die Regierung unterstützten. Waffenembargos halfen dagegen wenig, dafür waren die Grenzen zu unübersichtlich und die Grenzwächter zu korrupt. Deshalb kamen Menschenrechtsorganisationen auf die Idee, den Streithähnen einfach die Erwerbsmöglichkeiten abzuschneiden: durch Importverbote von Rohstoffen, mit deren Hilfe sie ihren Krieg finanzierten. Es folgten Kampagnen gegen sogenannten „Blutdiamanten“ aus Kriegsgebieten und nach der Jahrtausendwende der sogenannte „Kimberley-Prozess“.

In seinem Rahmen verpflichteten sich westliche Industrieländer, Diamanten nur noch aus friedlichen Ländern zu importieren, die bestätigten, diese nicht importiert zu haben. Speziell beauftragte Beamte in den Herkunfts- und Abnehmerländern stempelten so die Diamantenlieferungen ab – und schon konnte ein Bräutigam in Europa oder Nordamerika mit reinem Gewissen seiner Braut ein Diadem umhängen. Er hatte es ja schriftlich, dass die Steinchen nicht von einer Rebellenarmee oder durch Sklaverei gefördert worden waren.

Wie der Diamantenhandel internationale Konflikte anheizt

17.08.2022

An der Stelle ahnt man es schon: Die ganze Prozedur diente vor allem zur Beruhigung des Gewissens derer, die da, wo es keine Rebellenarmeen und keine Sklaverei gibt, sich an Diamanten erfreuen oder Geld mit ihnen verdienen wollten. Mehr aber auch nicht. Denn natürlich begannen Beamte in Nachbarstaaten von Bürgerkriegsländern bald auch Diamantenlieferungen abzustempeln, die gar nicht aus ihrem Land stammten, sondern von einer befreundeten Rebellenarmee eingeschmuggelt worden waren.

So wurde Ruanda , ein Land ohne Diamantvorkommen, schnell zu einem Exporteur von Diamanten aus dem Kongo. Und Simbabwe, damals noch regiert von Robert Mugabe, kam gleich ganz unter UN-Embargo, als sich herausstellte, dass es der Staat war, der dort Arbeiter in den Minen versklavte. Später blockierte dann auch noch Russland den Kimberley-Prozess als es selbst mit dem Blutdiamanten-Handel in Afrika begann. Die Menschenrechtler stellten auch bald fest, dass sie die falschen getroffen hatten: In manchen Gegenden Afrikas verdient sich die örtliche Zivilbevölkerung ihr Brot mit dem Fördern von Edelsteinen aus wilden, von der Regierung nicht kontrollierten Minen.

Das ist gefährlich und oft werden die Diamanten-Buddler auch von Rebellen besteuert – aber wenn man die Diamanten boykottiert, verdienen die Zivilisten auch kein Geld mehr. Es kann passieren, dass sie ihre Kinder dann verkaufen oder zur Prostitution schicken. Nicht, weil sie Afrikaner sind, sondern........

© Berliner Zeitung


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