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Guter Rat an die Ampel-Regierung: Gebt den Bauern die Subventionen zurück!

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21.01.2024

Man kann wirklich nicht behaupten, es gehe um die Wurst. Jedenfalls nicht für die Bauern. Deren Gewinne sind 2023 um 45 Prozent gestiegen und von den 115.000 Euro Bruttogewinn, den jeder Betrieb nun statistisch einfährt, machen die Mehrausgaben für Diesel, die durch die Ampel-Beschlüsse anfallen, gerade einmal 1700 Euro aus, also 1,5 Prozent. Je nachdem, wie sich die Inflation in diesem Jahr entwickelt, kann es sein, dass viele Bauern diesen Verlust gar nicht bemerken. Inflation ist für Landwirte ja grundsätzlich vorteilhaft: Sie finanzieren ihre Ernte vor und bekommen dann um den Inflationsanstieg höhere Erzeugerpreise.

Und trotzdem sind sie wütend, aufgebracht, blockieren mehr Straßen, als Klimakleber das je getan haben, hindern Regierungsmitglieder am Reden oder sogar am Verlassen von Fähren und tun jede Menge Dinge, die ihnen Politik und Öffentlichkeit nie durchgehen lassen würden, wenn sie zum Beispiel Ärzte, Pflegekräfte, die Müllabfuhr oder Lokomotivführer wären.

•gestern

•vor 35 Min.

gestern

19.01.2024

gestern

Die öffentlich-rechtlichen Medien bringen eine Human-Interest-Reportage nach der anderen, in denen solche aufgebrachte Bauern ausführlich darüber zu Wort kommen, wie sehr Bürokratie ihre Unternehmen erstickt, wie wenig sie sich von „der Politik“ ernst genommen fühlen und wie ungerecht dieser Zugewinn von 45 Prozent verteilt ist: Die Großen im Geschäft werden immer Größer, die Kleinen immer kleiner (und nur solche kommen in der Regel zu Wort) und die großen Supermarktketten setzen erbarmungslos ihre Kartellbedingungen gegen sie durch. Wem das zu einseitig ist, der kann zu Welt TV umschalten, dort wird das Bild dann noch einseitiger, da wird aus dem Bauernprotest dann gleich ein Bürgerprotest, dem sich ein halbes Dutzend anderer Berufsgruppen angeschlossen hat. Untertitel: „Özdemir schlägt einen Bauernsoli vor. Verbraucher müssen wieder draufzahlen.“

Was dabei – und in vielen, vielen Äußerungen betroffener Bauern – etwas untergeht: Landwirte sind etwa zwei Prozent der Bevölkerung, von ihnen kommen gerade einmal 0,73 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Aber sie bekommen vier Prozent aller Subventionen, die die Bundesregierung und die Landesregierungen auszahlen.

Dabei sind die EU-Subventionen, die ja auch zu einem großen Teil aus dem Bundeshaushalt kommen, noch gar nicht mitgerechnet. Da mag sich der Fernsehzuschauer dann doch die eine oder andere Träne aus dem Augenwinkel reiben, die ihm der übermäßige Konsum von öffentlich-rechtlichen Human-Interest-Reportagen da hineingetrieben hat, und erstaunt fragen: „Und da wagen die es noch zu protestieren?“ Die Antwort ist: Ja, aber sie tun es gar nicht trotzdem, sondern genau deshalb.

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vor 55 Min.

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18.01.2024

Paradoxerweise haben die Landwirte sich diese Subventionen gar nicht erstritten – anders als beispielsweise die Arbeiterschaft ihr Streikrecht, das Tariflohnsystem oder das Arbeitslosengeld und die Krankenversicherung. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Regierungen der Bundesrepublik, der Benelux-Länder, Frankreichs und Italiens daran gingen, einen gemeinsamen Markt zu errichten, da stießen sie auf ein riesiges Hindernis: In jedem Land gab es andere Agrarsubventionen und in jedem Land spielte die Landwirtschaft eine andere Rolle: In Frankreich und Italien war die politische Durchsetzungskraft der Agrarlobby so groß, dass keine Regierung sie ignorieren konnte.

In den von Industrie, Handel und Dienstleistungen dominierten Gesellschaften der Bundesrepublik und der Benelux-Staaten war sie nur ein Faktor unter vielen. Die fünf Gründerstaaten hatten also nur die Wahl, entweder alle Agrarsubventionen einfach abzuschaffen oder sie zu vergemeinschaften, das heißt: die Bedingungen für nationale Subventionen anzugleichen und das Geld dann von Brüssel aus verteilen zu lassen.

So ersetzte die gemeinsame Agrarpolitik die nationalen Agrarpolitiken und die Subventionen für Produktion, Flächen, Direktzahlungen für Landwirte, Exportsubventionen und Importzölle (für Waren aus Drittländern) wurden zum größten Topf des EU-Haushalts. Andernfalls hätten pfiffige Händler damit angefangen, landwirtschaftliche Produkte in den Ländern mit den höchsten Subventionen (und den niedrigsten Preisen) in die Länder zu schmuggeln, in denen die Subventionen am niedrigsten und die........

© Berliner Zeitung


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