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Eine Lizenz zum Putsch: Joe Biden könnte die Macht an sich reißen und Trump stoppen

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15.07.2024

Er ist gebrechlich, verheddert sich in seinen Sätzen, hat Aussetzer und geht unsicher. Kein Wunder, er ist der älteste Präsident der USA, aber das ist nun kein Grund mehr, ihn zu bemitleiden oder lächerlich zu machen. Und an Donald Trumps Stelle wäre ich mit gehässigen Bemerkungen über ihn nun sehr vorsichtig. Denn Joe Biden ist als Präsident der USA nicht nur der mächtigste Mann der Welt, sondern seit ungefähr einer Woche auch mächtiger als es je ein Präsident vor ihm.

Er selbst und seine Mitstreiter scheinen das gar nicht bemerkt zu haben. Nicht einmal diejenigen, denen er diese neu gewonnene Macht verdankt, scheinen sich darüber im Klaren zu sein, was sie da angestellt haben. Und damit steht Joe Biden nun vor einem teuflischen Dilemma: Er kann seinen Machtzuwachs einfach weiter ignorieren. Oder er kann ihn nutzen, um Donald Trump als seinen Nachfolger zu verhindern.

Das dahinterstehende Dilemma wird unseren Politiker in den nächsten Jahren noch oft schlaflose Nächte bereiten – wenn sie es denn bemerken und nicht einfach so tun, als existiere es nicht. Es lautet: Soll man die Demokratie retten oder wiederherstellen, wenn das nur auf undemokratische Art und Weise geht?

Zurzeit steht die polnische Regierung, die seit Dezember letzten Jahres das Land regiert, vor diesem Dilemma, wie an anderer Stelle hier beschrieben. Sie kann entweder gar nichts tun und die bestehende undemokratische Ordnung, die ihr die PiS-Regierungen hinterlassen haben, respektieren. Oder sie kann diese undemokratische Ordnung umstürzen, dabei (wie ihre Vorgänger) gegen die Verfassung verstoßen und Rechtsstaat, Minderheitenrechte und die Checks-and-Balances der Verfassung wieder instand setzen, mit der Folge, dass damit auch ihre eigene Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird.

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Bisher hat sie sich für einen Mittelweg entschieden: Sie erkennt die Rechte des Präsidenten (der jedes Gesetz per Veto blockieren kann) an, ignoriert aber die Urteile des Verfassungsgerichts. Sie respektiert manche, aber nicht alle Gesetze, die ihre Vorgänger durchs Parlament gebracht haben, säubert aber Verwaltung und staatliche Unternehmen auch dann, wenn die von ihren Vorgängern verabschiedeten Gesetze das nicht erlauben.

Und sie ignoriert bisher geradezu ostentativ das Dilemma, das dahintersteckt: dass sie Polen eigentlich nur auf undemokratische Weise demokratisieren kann, wozu sie zunächst Macht, die ihr, formaljuristisch betrachtet, gar nicht zusteht, an sich reißen und sie dann wieder abgeben muss, etwa an ein wirklich und auch von ihr unabhängiges Verfassungsgericht. Dieses Dilemma ist eigentlich schon heftig genug. Aber es verblasst vollkommen im Vergleich mit dem Dilemma, vor dem nun Joe Biden steht. Bevor ich dazu komme, eine Erklärung in eigener Sache.

Mehrere Kommentatoren PiS-naher Zeitungen und Zeitschriften haben meine Beschreibung dieses Dilemmas in den vergangenen Monaten etwas umgedeutet und mir unterstellt, ich forderte die Regierung von Donald Tusk zu undemokratischen Maßnahmen gegen die Opposition auf, indem sie das Konditional in meinen Sätzen (Tusk könnte das tun) als Befehlsform übersetzten (Tusk soll das tun).........

© Berliner Zeitung


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