Als das Urteil gesprochen wird, ist es an diesem Donnerstag sehr still im Saal des Amtsgerichts in Potsdam. Kein Schluchzen ist zu hören, als Richterin Constanze Rammoser-Bode den Angeklagten Jan M. wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verwarnt. Der Schuldspruch erfolgt nach dem Jugendstrafrecht, weil Jan M. zur Tatzeit 19 Jahre alt war.

Die Richterin verhängt gegen den heute 20-Jährigen zudem ein Fahrverbot von drei Monaten, Jan M. muss auch ein Fahrsicherheitstraining absolvieren und sich, so die Familie der Verunglückten es wollen, mit den Hinterbliebenen treffen.

Es sei ein ganz tragischer Fall, den sie als Richterin selbst noch nicht erlebt habe, erklärt die Richterin. Jan M. hat nach ihrer Ansicht zwei Freunde in den Tod gerissen und zwei weitere schwer verletzt, als er mit seinem Tesla S von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte.

In einer Linkskurve war das Auto durch einen Fahrfehler des Angeklagten zunächst mit einem Rad gegen einen Bordstein geprallt. Das Fahrzeug wurde weggedrückt und krachte gegen einen Baum. Der Angeklagte hat, so sagt es Rammoser-Bode, einen ganz kleinen Fehler mit ganz, ganz großen Folgen begangen. Eine Sekunde habe er im Straßenverkehr nicht aufgepasst.

Am 16. August 2022 wollte Jan M. mit seinen vier Freunden eine Spritztour machen. Die zwei jungen Frauen und drei jungen Männer aus Beelitz (Potsdam-Mittelmark) hatten gerade das Abitur bestanden. Es war ein schöner Sommertag und Jan M. holte seine Freunde mit einem Tesla S ab.

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Den Wagen, Baujahr 2016, sollen die Eltern Ende März gebraucht gekauft haben. Er war wohl ein Unfallauto, den sie in Polen reparieren ließen. Die fünf jungen Leute wollten nach Bad Liebenwerda, in die Therme. Auf der Rückbank saßen Tim S., Laura F. und Noel-Maurice P. Auf dem Beifahrersitz hatte Laura S. Platz genommen.

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Jan M. entschied sich, den Weg über die Landstraße 73 zu nehmen. Er kannte die Route. Zweimal forderte ihn seine Beifahrerin auf, nicht so schnell mit dem Elektroauto zu fahren. Bei der Beschleunigung sei es wie im Flugzeug gewesen, man sei in die Sitze gedrückt worden, erinnerte sich Tim S. später vor Gericht.

In der Linkskurve zwischen Dobbrikow und Hennickendorf (Teltow-Fläming) geschah es. Jan M. verlor die Kontrolle über das Fahrzeug, der Wagen krachte gegen einen Baum. Zwischen 60 und 65 Kilometer pro Stunde fuhr das Auto nach Angaben des Unfall-Gutachters Karsten Laudien zu dieser Zeit. Also nicht viel zu schnell. Erlaubt ist dort Tempo 60.

Ein Normalfahrer könne die Kurve mit 51 Kilometer pro Stunde sicher passieren, sagte Laudien. Bei dem Unfall sei das Fahrzeug durch den Baum im vorderen Bereich so sehr eingedrückt worden, dass die Hochvoltbatterie des Tesla beschädigt wurde. Dadurch sei das Fahrzeug sehr schnell in Flammen aufgegangen.

Während sich Jan M. und seine Beifahrerin Laura S. schwer verletzt aus dem Auto retten konnten, gelang es Tim S. auf der Rückbank nicht, die hinteren Türen zu öffnen. Der Strom war ausgefallen. Die Türgriffe fuhren auch außen nicht aus. Der junge Mann konnte jedoch in dem schon völlig vernebelten Auto noch nach vorne krabbeln und sich aus einer Vordertür retten.

Für Laura F. und Noel-Maurice P., die leblos auf der Rückbank saßen, kam jede Hilfe zu spät. Die ersten Retter bekamen die Türen auch von außen nicht auf, die versenkbaren Griffe fuhren nicht heraus. Die Obduktion ergab, dass Noel-Maurice wohl schon im Auto seinen Verletzungen erlegen war, bevor die Flammen ihn erreichten. Laura F. aber kam durch das Feuer ums Leben.

Hätte zumindest sie gerettet werden können, wenn die Türen nicht verriegelt gewesen wären? Bei einem Tesla dieses Modells sollen die Türgriffe ausfahren und die Türen entriegelt werden, wenn die Airbags ausgelöst wurden, erklärte Gutachter Laudien in dem Prozess.

Der Unfallwagen hätte also mit entriegelten Türen und ausgefahrenen Türgriffen am Unfallort stehen müssen. „Das war hier nicht so“, so der Experte. Der Sicherheitsablauf habe nicht stattgefunden. Der Hersteller übernehme dafür auch keine Gewähr.

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Dann zitierte Laudien die Bedienungsanleitung von Tesla. Demnach müssten bei einem Stromausfall die auf der Rückbank sitzenden Personen eine Bodenmatte zurückschlagen und dann einen mechanischen Entriegelungszug betätigen. „Das muss man erst einmal wissen“, erklärte der Gutachter. Das Dilemma sei auch: Wenn eine Hochvoltbatterie erst einmal brenne, sei sie nicht zu löschen.

Der Gutachter erklärte, er persönlich finde es auch nicht gut, dass solche Fahrzeuge eine Zulassung erhalten. Offenbar werden diese Elektroautos nicht in Deutschland, sondern für den gesamten EU-Markt in den Niederlanden zugelassen.

In dem Prozess, der zwei Verhandlungstage hatte, waren die Eltern von Laura F. und Noel-Maurice P. Nebenkläger, ebenso wie die schwer verletzte Laura S. In seinem letzten Wort hatte sich Jan M. noch einmal bei ihnen entschuldigt. Er habe die vielen weinenden und trauernden Menschen im Saal gesehen. Das habe ihn schockiert.

Er erklärte auch, er müsse nun damit kämpfen, dass er zwei Menschen umgebracht habe. „Das war eine Tragödie, für die es keine passenden Worte gibt. Mir tut das alles schrecklich leid.“ Er sei als Fahrer der einzig Verantwortliche im Auto gewesen, der etwas hätte anders machen können.

Seit dem Unfall hatte sich Jan M. nicht bei den Hinterbliebenen seiner Freunde gemeldet und erst im Prozess Worte der Entschuldigung gefunden. Er habe Angst vor einem Zusammentreffen gehabt, begründete er sein langes Schweigen.

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Mit dem Urteil folgt die Richterin dem Antrag des Staatsanwalts. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Thomas Lehmann, der Anwalt von Jan M., hatte in seinem Plädoyer einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert. Er sagt nach dem Richterspruch, er erwäge nicht, Rechtsmittel einzulegen. Das Urteil sei ausgewogen und vertretbar.

Georg C. Schäfer vertrat im Prozess die Eltern der getöteten Laura F. Er hatte eine Verurteilung nach dem Erwachsenenstrafrecht gefordert. Nach dem Urteil sagt er, es habe keinen Grund gegeben, Jan M. als Jugendlichen anzusehen. Er prüfe, das Urteil anzufechten.

Zu den Türen, die sich wegen des Stromausfalls an dem Unfallwagen nicht öffnen ließen, sagt Schäfer: Das spiele erst einmal keine Rolle. Denn dieses Auto von Tesla sei zugelassen. Das sei sicherlich misslich und da müsse sich etwas ändern. „Aber im Moment gilt es als rechtlich unbedenklich im Straßenverkehr.“ Was nicht richtig sei, „wie wir gesehen haben“.

QOSHE - Zwei Freunde verbrannten im Tesla: Drei Monate Fahrverbot für 20-Jährigen - Katrin Bischoff
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Zwei Freunde verbrannten im Tesla: Drei Monate Fahrverbot für 20-Jährigen

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07.03.2024

Als das Urteil gesprochen wird, ist es an diesem Donnerstag sehr still im Saal des Amtsgerichts in Potsdam. Kein Schluchzen ist zu hören, als Richterin Constanze Rammoser-Bode den Angeklagten Jan M. wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verwarnt. Der Schuldspruch erfolgt nach dem Jugendstrafrecht, weil Jan M. zur Tatzeit 19 Jahre alt war.

Die Richterin verhängt gegen den heute 20-Jährigen zudem ein Fahrverbot von drei Monaten, Jan M. muss auch ein Fahrsicherheitstraining absolvieren und sich, so die Familie der Verunglückten es wollen, mit den Hinterbliebenen treffen.

Es sei ein ganz tragischer Fall, den sie als Richterin selbst noch nicht erlebt habe, erklärt die Richterin. Jan M. hat nach ihrer Ansicht zwei Freunde in den Tod gerissen und zwei weitere schwer verletzt, als er mit seinem Tesla S von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte.

In einer Linkskurve war das Auto durch einen Fahrfehler des Angeklagten zunächst mit einem Rad gegen einen Bordstein geprallt. Das Fahrzeug wurde weggedrückt und krachte gegen einen Baum. Der Angeklagte hat, so sagt es Rammoser-Bode, einen ganz kleinen Fehler mit ganz, ganz großen Folgen begangen. Eine Sekunde habe er im Straßenverkehr nicht aufgepasst.

Am 16. August 2022 wollte Jan M. mit seinen vier Freunden eine Spritztour machen. Die zwei jungen Frauen und drei jungen Männer aus Beelitz (Potsdam-Mittelmark) hatten gerade das Abitur bestanden. Es war ein schöner Sommertag und Jan M. holte seine Freunde mit einem Tesla S ab.

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