Andreas G. fixiert den Angeklagten regelrecht. Dann sagt er mit einem sarkastischen Unterton: „Keine tolle Nummer.“ Der angesprochene Björn R. senkt den Blick, schaut den Zeugen nicht mehr an. Er ist ebenso groß und kräftig wie Andreas G., der nun wieder äußerlich gelassen auf die nächste Frage des Vorsitzenden Richters wartet.

Andreas G. ist 43 Jahre alt und arbeitet in einer Firma, die Feuerwehrfahrzeuge wartet. Er ist der große Bruder von Carolin G., die im Mai des vergangenen Jahres in ihrem Auto, vermutlich nach einem fingierten Autounfall, auf der Autobahn 9 zwischen den Anschlussstellen Beelitz und Brück erschossen wurde.

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Seit Mitte Januar müssen sich die mutmaßlichen Mörder der Lehrerin vor einer Schwurgerichtskammer des Potsdamer Landgerichts verantworten. Björn R., der Ex-Partner von Carolin G., soll den gewaltsamen Tod der 40-Jährigen geplant und in Auftrag gegeben haben. Der Mitangeklagte Benjamin K. erschoss die Frau laut Anklage. Beide sind 42 Jahre alt.

Hintergrund der Tat soll ein erbitterter Sorgerechtsstreit von Carolin G. und Björn R. um den gemeinsamen Sohn gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Kindesvater seiner einstigen Partnerin die Erziehungskompetenz abgesprochen und Carolin G. als „Störfaktor der Vater-Sohn-Beziehung“ empfunden hat.

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Andreas G. erzählt, dass seine Schwester immer eine kleine Familie haben wollte, ein Kind und einen Mann, der sie liebt. „Sie hatte kein Glück damit“, sagt er. Nach mehreren gescheiterten Beziehungen habe ihm Carolin dann aber mitgeteilt, dass sie schwanger sei. Im Februar 2021 kam ihr Sohn zur Welt. Carolin sei eine wundervolle Frau und Mutter gewesen, sagt ihr Bruder.

Von Niemegk (Potsdam-Mittelmark) zog Carolin G. nach Berlin-Zehlendorf zu Björn R., dem Kindesvater. In dem Haus des Elektrikers wohnten auch seine Eltern. Andreas G. spricht davon, dass seine Schwester in einer Kellerwohnung gelebt habe, in der es sehr clean gewesen sei. Nichts Persönliches habe es dort von Carolin gegeben. Kein Souvenir ihrer vielen Reisen, kein gemaltes Bild der künstlerisch begabten Frau.

„Ich habe in der Wohnung meine Schwester nicht wiedergefunden“, berichtet der Zeuge. Nie habe er gesehen, dass Björn R. seine Schwester geküsst habe. Stattdessen, so ist der Bruder des Opfers überzeugt, sei Carolin von dem Angeklagten peu à peu kleingemacht, regelrecht kaputtgespielt worden.

„Meine Schwester ist 16.000 Kilometer mit dem Fahrrad die Ostküste Amerikas entlanggefahren, ganz allein“, erzählt der Zeuge. Am Ende ihres Lebens habe sie wegen jedem Murks gezittert. Zudem habe sich die Mutter von Björn R. in alles eingemischt.

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Am Telefon hatte Andreas G. einmal seiner Schwester geraten, das Kind zu schnappen und Björn R. zu verlassen. Sie aber habe sich unheimlich schwergetan. Im Juli 2022 floh Carolin G. mit ihrem Sohn ins Frauenhaus. Danach zog sie zurück in das Haus ihres Vaters nach Niemegk.

Andreas G. berichtet, wie Björn R. seiner Schwester Vorwürfe gemacht habe, weil das Kind einmal eine Tasse Tee umgestoßen und sich den Fuß verbrüht habe. So habe es ihm Carolin erzählt. Ein andermal sei der kleine Junge im Wohnmobil aus dem Hochbett gefallen. Auch nur, weil der Angeklagte mit seinen „geliebten Dackeln unbedingt unten schlafen musste“, ist Andreas G. überzeugt.

Nach Ansicht des Zeugen hat Björn R. diese Unfälle ausgenutzt, um seine Schwester im Sorgerechtsstreit in schlechtem Licht dastehen zu lassen. Heute glaube er, dass Carolin für den Angeklagten nur eine Gebärmaschine war, um dieses Kind zu bekommen. Danach sei sie überflüssig gewesen.

Am 1. März vergangenen Jahres sprach das Amtsgericht Berlin-Schöneberg dem Vater des Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Vier Wochen später legte Carolin G. Beschwerde ein. „Meine Schwester hat ihren Sohn geliebt, sie hat um ihn gekämpft. Und sie wäre für dieses Kind gestorben. Ist sie ja auch“, sagt Andreas G.

Auch der Neffe der Toten lässt an dem Angeklagten kein gutes Haar. Er sei seiner Mutter hörig gewesen, habe eine sehr auffällige und intensive Beziehung zu seinen Hunden gepflegt und Carolin G. psychisch terrorisiert, sagt Jan-Niklas G. Seine Tante beschreibt der 20-Jährige als „total offenen, liebevollen Menschen“. Sie sei wie eine große Schwester für ihn gewesen. In der Zehlendorfer Wohnung habe sie ihm Nachhilfe in Mathematik gegeben. Dort habe er auch öfter Björn R. gesehen.

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„Es war ein komisches, angespanntes Verhältnis“, berichtet der Zeuge. In der Wohnung habe alles auf Zack sein müssen. Nichts habe er anfassen dürfen, „damit nichts kaputtgeht“. Carolin sei regelrecht panisch geworden, aus Angst, etwas falsch zu machen. „Das war nicht mehr meine Tante“, erinnert sich Jan-Niklas G. Das Verhältnis zwischen Carolin G. und ihrem Sohn bezeichnet der Zeuge als liebevoll. „Sie hätte niemals aufgehört, um ihn zu kämpfen. Das wusste der Angeklagte.“

Nur einer aus der Familie der getöteten Frau soll zu Björn R. halten – die Mutter von Carolin G. Ihr Verhältnis war wohl seit langem angespannt. Sie wird, wie auch die Verwandten des Angeklagten, zu einem späteren Zeitpunkt gehört. Axel Weimann, der Anwalt von Björn R., hatte schon zu Prozessbeginn kritisiert, dass die Verwandten seines Mandanten erst viel später als Zeugen möglicherweise eine andere Sicht darlegen würden. Bis dahin sollten die Richter nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Wie immer im Leben sei nicht alles schwarz oder weiß.

Die beiden Angeklagten haben schon zu Prozessbeginn beteuert, nichts mit dem Mord zu tun zu haben.

QOSHE - Prozess im Fall der erschossenen Lehrerin: Familie des Opfers spricht von Psychoterror - Katrin Bischoff
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Prozess im Fall der erschossenen Lehrerin: Familie des Opfers spricht von Psychoterror

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