Jede Nacht hat Günter S. den mutmaßlichen Übergriff wieder erlebt, so erzählt er es in einem Video, das in Saal 537 im Berliner Kriminalgericht abgespielt wird. Furchtbar sei es gewesen. „Dann kamen diese großen Hände“, sagt der 85-Jährige in seiner richterlichen Vernehmung, die Anfang November vorigen Jahres aufgenommen wurde.

Der schwerst kranke Mann lag zu Hause in seinem Bett, als er der Richterin für das Video Rede und Antwort stand. Er erzählte, dass er noch immer Schmerzen beim Schlucken habe, weil er gewürgt worden sei. Mittlerweile ist Günter S. gestorben. Somit kann er in diesem Verfahren auch nicht mehr als Zeuge gehört werden und als Nebenkläger auftreten.

Günter S. ist offenbar das widerfahren, was niemand in einem Krankenhaus erleben will. Weil eine Klinik ein Ort der Sicherheit sein soll, in dem man als Kranker gesund werden will.

Wegen einer Tumorerkrankung lag Günter S. am 28. September vergangenen Jahres auf der urologischen Station des Auguste-Viktoria-Klinikums in Schöneberg – und wurde dort offenbar Opfer eines sexuellen Übergriffs. Laut Anklage soll der mutmaßliche Täter versucht haben, Günter S. mit einem Kissen zu ersticken und zu erwürgen, um die Sextat zu verdecken.

Seit Montag sitzt der mutmaßliche Täter auf der Anklagebank. Resul C. muss sich wegen versuchten Mordes und eines sexuellen Übergriffs vor einer Schwurgerichtskammer des Berliner Landgerichts verantworten. Der 62-Jährige schweigt zum Prozessauftakt, will sich jedoch am nächsten Verhandlungstag zu den Vorwürfen äußern.

24.02.2024

gestern

•gestern

•vor 8 Std.

•gestern

Resul C. ist 62 Jahre alt und gelernter Elektriker. Zum Tatzeitpunkt arbeitete der Vater von vier Kindern auch noch in seinem Beruf. Seitdem aber sitzt er in Untersuchungshaft. Der schmale Mann mit den kurzen grauen Haaren und dem ordentlich gebügelten grauen Hemd hat bei den Ermittlungen offenbar angegeben, sich nicht an die Tat erinnern zu können. Am Tattag soll er alkoholisiert gewesen sein und Kokain genommen haben.

Laut Anklage hatte er die im dritten Stock gelegene Station kurz nach 6 Uhr morgens betreten. Dort sollen die Eingangstüren zu dieser Zeit geöffnet worden seien. Der Angeklagte war den Angaben zufolge zunächst in vier anderen Zimmern der urologischen Station.

Ein Zeuge aus diesen Zimmern wurde wegen starken Zigarettenrauchs wach. Er sah offenbar den Angeklagten, der auf einem Stuhl saß – mit einem Kaffeebecher vor sich. Dann habe der Mann das Zimmer wieder verlassen.

Eine Krankenschwester soll bei der Polizei ausgesagt haben, dass sie das Klingeln eines Patienten aus einem dieser vier Patientenräume nicht so ernst genommen habe. Dann ging Resul C. in das Zimmer 28, in dem Günter S. laut Anklage tief geschlafen habe. Wegen einer Tumorerkrankung lag der bettlägerige Senior auf der Station. Er trug ein Nachthemd und Windeln.

Charité-Arzt vor Gericht: Spritzte er die Todesdosis mit den besten Absichten?

22.02.2024

Tochter von Clan-Boss angefahren: Polizei rekonstruiert Unfall vor Remmo-Villa

•gestern

Resul C. soll diesen Umstand ausgenutzt, sich auf das Bett des Mannes gesetzt und ihn am Geschlechtsteil gestreichelt haben. Günter S. sei daraufhin aufgewacht, habe versucht zu klingeln und um Hilfe zu rufen. Daraufhin soll ihm der Angeklagte ein Kissen auf das Gesicht gedrückt haben, um ihn zu töten. Als eine Krankenschwester erschien, habe Resul C. das Zimmer verlassen und versucht, über das Treppenhaus zu fliehen.

Pfleger konnten den Mann in der ersten Etage stellen und bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Dort soll Resul C. einen desorientierten und alkoholisierten Eindruck gemacht und erklärt haben, eigentlich wegen seines schmerzenden linken Fußes in die Rettungsstelle zu wollen.

Günter S. erzählt in dem Video, dass es furchtbar gewesen sei, was er erlebt habe. „Ich habe nur gekämpft“, erzählt er der Richterin. Er habe gedacht, ermordet werden zu sollen und versucht, das Kissen wegzuschieben und die Hände von seinem Hals zu lösen, um Luft zu bekommen. Als er schreien wollte, habe ihm der Mann den Mund zugehalten. Resul C. soll das Kabel des Notrufknopfes aus der Wand gerissen haben.

Dann habe Schwester Marie die Tür aufgerissen und das Licht angemacht, so erzählt es Günter S. in dem Video. Die Krankenschwester, die nach den Hilferufen sofort in das Zimmer kam, habe ihm das Leben gerettet. „Ich werde ihr ewig dankbar sein“, erzählt der 85-Jährige.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

QOSHE - Missbrauchsvorwurf auf Urologie: Hat Resul C. versucht, einen Patienten zu töten? - Katrin Bischoff
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Missbrauchsvorwurf auf Urologie: Hat Resul C. versucht, einen Patienten zu töten?

10 6
26.02.2024

Jede Nacht hat Günter S. den mutmaßlichen Übergriff wieder erlebt, so erzählt er es in einem Video, das in Saal 537 im Berliner Kriminalgericht abgespielt wird. Furchtbar sei es gewesen. „Dann kamen diese großen Hände“, sagt der 85-Jährige in seiner richterlichen Vernehmung, die Anfang November vorigen Jahres aufgenommen wurde.

Der schwerst kranke Mann lag zu Hause in seinem Bett, als er der Richterin für das Video Rede und Antwort stand. Er erzählte, dass er noch immer Schmerzen beim Schlucken habe, weil er gewürgt worden sei. Mittlerweile ist Günter S. gestorben. Somit kann er in diesem Verfahren auch nicht mehr als Zeuge gehört werden und als Nebenkläger auftreten.

Günter S. ist offenbar das widerfahren, was niemand in einem Krankenhaus erleben will. Weil eine Klinik ein Ort der Sicherheit sein soll, in dem man als Kranker gesund werden will.

Wegen einer Tumorerkrankung lag Günter S. am 28. September vergangenen Jahres auf der urologischen Station des Auguste-Viktoria-Klinikums in Schöneberg – und wurde dort offenbar Opfer eines sexuellen Übergriffs. Laut Anklage soll der mutmaßliche........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play