Als Martina R. im vergangenen Jahr erstmals Geld ihrer Firma auf ihr eigenes Konto überwies, war sie gerade eine Woche lang als Office Managerin in dem Wilmersdorfer Immobilienunternehmen beschäftigt. Mit rund 890 Euro fing sie an, dann gingen die Beträge in die Tausende. Mehrfach überwies sie sich 9398 Euro. Nach vier Monaten hatte sich die Betriebswirtin rund 130.000 Euro ergaunert.

Am Mittwoch steht die untersetzte 49-jährige einstige Büroleiterin vor einer Strafkammer des Berliner Landgerichts. Sie trägt Kapuzenjacke, Jeans und Turnschuhe. Dabei sehnte sie sich immer nach teuren Klamotten, wollte mit ihrer Chefin mithalten, die nach ihren Worten „wunderschön und reich“ gewesen sei.

Martina R. hat das Nacheifern auf kriminelle Weise versucht. Deswegen muss sie sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 25 Fällen verantworten. Sie hat gestanden, von Mai bis Anfang September vorigen Jahres ordnungsgemäße Rechnungen von langjährigen Geschäftspartnern manipuliert und sie der Chefin unter einem Vorwand zur wiederholten Zahlungsfreigabe vorgelegt zu haben. Dabei sei es klar gewesen, dass man die Spur des Geldes habe nachverfolgen können, sagt die Staatsanwältin.

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Die Angeklagte, Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, hat nicht zum ersten Mal in die Kasse ihres Arbeitgebers gegriffen. In ihrem Bundeszentralregisterauszug stehen elf Vorstrafen wegen Betrugs und Untreue. Demnach wurde sie erstmals vor 20 Jahren verurteilt. Geldstrafen, Bewährungsstrafen, ja sogar die rund zwei Jahre Haft, die sie seitdem verbüßen musste, hielten die aus Baden-Württemberg stammende Frau nicht vor weiteren Straftaten ab.

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Sie sei 2016 in Baden-Württemberg aus der Haft entlassen worden und habe in Berlin ein neues Leben anfangen wollen, erzählt die Angeklagte. Doch sie sei wieder und wieder straffällig geworden. Damals habe sie sich gefragt, warum sie immer so selbstzerstörerisch sei und „alles flattern lasse“.

Sie begann in einer Berliner Klinik eine Therapie. Dort sei ihr klar geworden, dass sie viel über Geld, über Luxusgüter kompensiere und damit ihr geringes Selbstwertgefühl stärke. Es habe immer das Teuerste sein müssen. „Ich dachte: Wenn ich all das habe, ist mir die Aufmerksamkeit sicher.“ Die Therapie habe sie gelehrt, Risikofaktoren aus dem Weg zu gehen. Kudamm und Tauentzien habe sie gemieden.

Doch nicht das Immobilienunternehmen. Sie hätte dort niemals anfangen dürfen, sagt Martina R. unter Tränen. Anfangs sollte sie nur Struktur ins Büro bringen. Doch schon nach kurzer Zeit kamen die Bankgeschäfte hinzu. „Was ich getan habe, tut mir sehr, sehr leid. Ich kann mich selbst nicht verstehen.“

Ihrer Chefin wirft die Angeklagte vor, sie habe sich jeden Tag Unmengen Pakete mit Chanel-Täschchen und Chanel-Schnäppchen ins Büro liefern lassen und die Sachen dann den Angestellten gezeigt.

Die einstige Chefin ist 37 Jahre alt und als einzige Zeugin geladen. Sie bestreitet, im Büro Luxusklamotten gezeigt zu haben. Über die Einstellung einer Office Managerin sagt sie, Martina R. habe ganz gut gepasst. Zunächst sei auch alles in Ordnung gewesen. Als die Angeklagte erzählt habe, ihr sei bei einem Einbruch der Computer aus der Wohnung gestohlen worden, habe ihr die Firma einen neuen Rechner gekauft. „Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis“, erzählt die Zeugin.

Das änderte sich, als Martina R. Anfang September im Urlaub war. Auf dem Server fiel ein Arbeitsvertrag auf, nach dem die Büroleiterin ein Gehalt von monatlich 5000 Euro bezog. „Ich war mir sicher, dass 4000 Euro abgemacht waren“, so die Zeugin. In der Papierakte habe sie den Originalvertrag gefunden – mit einem Gehalt von 4000 Euro. Erschrocken sei sie die Konten durchgegangen. Sie habe nur Namen von Kunden gelesen.

Als Martina R. Mitte September aus dem Urlaub kam, wurde sie wegen des falschen Arbeitsvertrags zur Rede gestellt. Sie könne sich das nicht erklären, soll sie gesagt und eine Kollegin der Manipulation beschuldigt haben. „Sie beteuerte, ein ehrlicher Mensch zu sein und schwor auf das Leben ihrer Kinder, dass sie nichts mit dem falschen Arbeitsvertrag zu tun hat“, sagt die Zeugin. Martina R. wurde gekündigt.

Erst zweieinhalb Wochen später fielen die falschen Überweisungen auf. Die Namen der Kunden stimmten, doch die IBAN waren falsch. Sie gehörten zu Konten von Martina R. Einen Tag später schon unterschrieb sie ein Schuldeingeständnis.

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Der psychiatrische Sachverständige spricht im Prozess von einer zwanghaft dependenten Persönlichkeitsstörung. Es gebe bei der Angeklagten eine leicht abrufbare Unzufriedenheit. Die Betrugstaten seien ein Ritual, ihre Bedürfnisse auf diese Weise zu befriedigen. Die Einsichtsfähigkeit sei aber in keiner Weise beeinträchtigt gewesen.

Martina R. sitzt seit dem 10. Januar in Untersuchungshaft. Ein Haftrichter sah Wiederholungsgefahr. Die dürfte in den nächsten Jahren ausgeschlossen sein. Nach vierstündiger Verhandlung verurteilt Manfred Seiffe, der Vorsitzende Richter, die Angeklagte wegen Betrugs in 25 Fällen zu einer Haftstrafe von vier Jahren. Zudem ordnet er die Einziehung des bei den Taten erlangten Betrags ein.

Nicht nur der Gesamtschaden und die vielen Vorstrafen sprächen gegen die Angeklagte, sagt Seiffe. Als Martina R. das Immobilienunternehmen um Geld brachte, waren bereits zwei Anklagen wegen anderer Betrugstaten am Landgericht Berlin anhängig.

QOSHE - Betriebswirtin lässt das Mausen nicht: Jetzt muss sie vier Jahre ins Gefängnis - Katrin Bischoff
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Betriebswirtin lässt das Mausen nicht: Jetzt muss sie vier Jahre ins Gefängnis

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© Berliner Zeitung


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