Die Tage von Bringmeister sind gezählt. Seit Jahren gehören die zumeist grünen Transporter des Lebensmittellieferdienstes zum Berliner Straßenbild. Doch nachdem der Online-Supermarkt von einem tschechischen Lieferdienst übernommen wurde, der Bringmeister an sein deutsches Tochterunternehmen Knuspr weitergab, wird die Marke in nicht einmal mehr zwei Wochen verschwunden sein. „Ab dem 22. April werden wir in Berlin als Knuspr operieren“, sagt Firmenchef Mark Hübner.

Damit geht tatsächlich ein Pionier des Online-Lebensmittelgeschäfts. Denn mehr als zehn Jahre bevor man bei Zalando erstmals Flip-Flops per Mausklick bestellen konnte, hatte Kaisers Tengelmann den Lieferdienst Bringmeister gegründet. Als Ende 2016 Edeka und Rewe die Berliner Kaisers-Märkte unter sich aufteilten, landete Bringmeister bei Edeka, passte dort aber offenbar nicht so recht ins Portfolio.

2021 wurde der Lieferdienst an die tschechische Investmentgruppe Rockaway Capital verkauft. Die gab Bringmeister dann an den ebenfalls tschechischen Lieferdienst Rohlik ab, der hierzulande bereits in Bayern und der Rhein-Main-Region mit dem Lieferdienst Knuspr unterwegs ist. Dem soll die Kundenkartei von Bringmeister nun auch den Weg auf den Berliner Online-Lebensmittelmarkt ebnen, wo derzeit immerhin ein Umsatzvolumen von einer halben Milliarde Euro zu verteilen ist. Tendenz: steigend.

Zum Einstand verkündete der neue Eigentümer mit Sitz in München allerdings erst einmal einen Stellenabbau. In der Berliner Verwaltung wurden im Oktober 70 Jobs gestrichen. Zugleich investierte Knuspr in den Umbau des 16.000 Quadratmeter großen Logistikzentrums von Bringmeister in Schönefeld zu einem nahezu voll automatisierten Lager.

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Es ist der einzige Warenumschlagplatz in der Hauptstadtregion. Von dort aus will Knuspr Kunden in ganz Berlin sowie im Umland bis Oranienburg, Fürstenwalde, Zossen und Potsdam beliefern. Weitere Lager seien „in absehbarer Zeit“ auch nicht geplant, heißt es. Wie viele Kunden das Unternehmen durch die Bringmeister-Übernahme bereits hat, will man nicht verraten. „Wir werden über vier Millionen Berliner und Brandenburger beliefern können“, sagt Knuspr-Chef Hübner.

Etwa 250 Mitarbeiter arbeiten im Schönefelder Logistikzentrum. Dort lagern 15.000 Supermarkt- und Drogerieartikel sowie 4000 Apothekenprodukte. Ebenfalls 250 Boten sind für die Auslieferung zuständig. In drei Stunden ab Bestelleingang könne der Kurier mit dem Einkauf vor der Tür stehen, verspricht Knuspr. Langfristiger geht auch. Davon hängt die Liefergebühr ab. Laut Knuspr variiert sie zwischen 0 und 3 Euro. Der Mindestbestellwert beträgt 40 Euro.

Während die Tschechen also von Schönefeld aus den Neuanfang versuchen, treibt der niederländische Lieferdienst Picnic seine Expansionspläne für Berlin weiter voran. 2015 wurde das Unternehmen gegründet und war gewissermaßen der Grund, weshalb Edeka einst das Interesse an Bringmeister verlor. Denn bereits 2018 hatte die Supermarktkette Picnics Deutschlandstart maßgeblich mitfinanziert und ist heute zu etwa einem Drittel an Picnic-Deutschland beteiligt. In Berlin werden somit in Kürze Edekas neuer Partner und die einst verstoßene Tochter direkt miteinander konkurrieren.

Dass Picnic diesen Wettbewerb auch gegen Konkurrenten wie Flaschenpost, Wolt, Amazon Fresh und natürlich den Lieferdienst von Rewe gewinnen will, daran lässt dessen Deutschland-Chef Frederic Knaudt keinen Zweifel. „Wir wollen die Nummer eins in Berlin werden“, sagt er und setzt dabei vor allem auf den Preis. Das Unternehmen verspricht Supermarktpreise ohne Aufschlag. Zwar gibt es ebenfalls einen Mindestbestellwert von 40 Euro, doch ist jede Lieferung gratis. Für Knaudt ist der Verzicht auf Versandkosten der Schlüssel zum Kunden. Tatsächlich bietet das außer Picnic niemand.

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Der Lieferdienst ist ebenfalls recht neu in der Stadt. Seit dem Frühsommer vorigen Jahres wird geliefert. Picnic betreibt dafür in Ludwigsfelde ein Zentrallager. Von dort aus gelangen die Kundenbestellung in Verteilzentren in der Stadt und werden dann mit Elektro-Transportern zum Besteller gebracht. Geordert werden kann bis 23 Uhr. Geliefert wird am nächsten Tag, der Liefertermin am Morgen bis auf 20 Minuten eingegrenzt.

Bislang hatte Picnic vier solcher Verteilzentren. Nachdem der Lieferdienst im Februar einen ehemaligen Baumarkt in Tempelhof bezogen hatte, um von dort aus Haushalte in umliegenden Ortsteilen zu beliefern, soll nun der Osten Berlins erobert werden. Am Mittwoch wurde dafür der Umbau einer Halle in einem Gewerbegebiet bei Hoppegarten abgeschlossen, die zuvor ein Modegroßhandel gemietet hatte. Von dort aus sollen der Bezirk Marzahn-Hellersdorf und angrenzende Gebiete Brandenburgs entlang der Linie von Altlandsberg im Norden über Eggersdorf bis Rüdersdorf im Süden versorgt werden.

Picnic-Manager Knaudt ist hoffnungsvoll. Denn der Familienanteil in der Region ist hoch. Und Familien, die nicht länger wöchentlich zweieinhalb Stunden für den Lebensmittelkauf in Supermärkten verschwenden wollen, sind für sein Unternehmen die Hauptzielgruppe. Insgesamt gibt es laut firmeneigener Marktforschung in dem neu erschlossenen Gebiet knapp 170.000 Haushalte. Nach einem Jahr, so schätzt Knaudt, werden sich etwa 20 bis 30 Prozent der Haushalte bei Picnic anmeldet haben, fünf Prozent als Kunden bleiben. Das wären wenigstens 8000 Haushalte.

Noch im Sommer soll im Nordosten der Stadt ein weiteres Lieferzentrum in Betrieb genommen werden, um dann auch Haushalte in Hohenschönhausen, Lichtenberg und Pankow beliefern zu können. Spätestens Ende des kommenden Jahres soll es auf der Berlin-Karte von Picnic keinen weißen Fleck mehr geben. Bis Ende dieses Jahres sollen noch weitere 400 Leute eingestellt werden.

QOSHE - Bringmeister bringt’s nicht mehr: Ausländische Lieferdienste teilen Berliner Markt neu auf - Jochen Knoblach
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Bringmeister bringt’s nicht mehr: Ausländische Lieferdienste teilen Berliner Markt neu auf

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11.04.2024

Die Tage von Bringmeister sind gezählt. Seit Jahren gehören die zumeist grünen Transporter des Lebensmittellieferdienstes zum Berliner Straßenbild. Doch nachdem der Online-Supermarkt von einem tschechischen Lieferdienst übernommen wurde, der Bringmeister an sein deutsches Tochterunternehmen Knuspr weitergab, wird die Marke in nicht einmal mehr zwei Wochen verschwunden sein. „Ab dem 22. April werden wir in Berlin als Knuspr operieren“, sagt Firmenchef Mark Hübner.

Damit geht tatsächlich ein Pionier des Online-Lebensmittelgeschäfts. Denn mehr als zehn Jahre bevor man bei Zalando erstmals Flip-Flops per Mausklick bestellen konnte, hatte Kaisers Tengelmann den Lieferdienst Bringmeister gegründet. Als Ende 2016 Edeka und Rewe die Berliner Kaisers-Märkte unter sich aufteilten, landete Bringmeister bei Edeka, passte dort aber offenbar nicht so recht ins Portfolio.

2021 wurde der Lieferdienst an die tschechische Investmentgruppe Rockaway Capital verkauft. Die gab Bringmeister dann an den ebenfalls tschechischen Lieferdienst Rohlik ab, der hierzulande bereits in Bayern und der Rhein-Main-Region mit dem Lieferdienst Knuspr unterwegs ist. Dem soll die Kundenkartei von Bringmeister nun auch den Weg auf den Berliner Online-Lebensmittelmarkt ebnen, wo derzeit immerhin ein Umsatzvolumen von einer halben Milliarde Euro zu verteilen ist. Tendenz: steigend.

Zum Einstand verkündete der neue Eigentümer mit Sitz in München allerdings erst einmal einen Stellenabbau. In der Berliner Verwaltung wurden im Oktober........

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