Manche Sensationen ereignen sich quasi im Verborgenen, und bei so manch einer Sensation wissen wir erst mal gar nicht, dass es eine solche ist. So erging es uns gerade zu Hause in Berlin-Friedrichshain. Wir kamen von einem Ausflug nach Hause, und in der Wohnung duftete es sehr intensiv.

Das Essen, das wir am Morgen gekocht hatten, konnte es nicht sein, denn es roch stechend süß. Wir fahndeten in der gesamten Wohnung, fanden aber nichts. Ich ging auch auf den Balkon und schaute mir die Bäume vor dem Haus an, ob dort etwas blühte, das einen solch intensiven Geruch verströmte. Nichts.

Dann fand ich in meinem Zimmer an einem fast zwei Meter hohen Baum ein paar dicke Blüten. Wenn die Angaben aus dem Internet und die Realität in unserer Wohnung übereinstimmen, dann ist es eine Art des Duftenden Drachenbaums. Den hat uns mein Vater vor sehr vielen Jahren geschenkt, und er hat noch nie geblüht.

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Wir dachten, es könnte ähnlich sein wie bei Agaven, die viele Jahrzehnte benötigen, bis sie mal eine Blüte ausbilden – und dann sterben sie leider. Im Internet steht, dass unser Baum nicht stirbt. Aber beim Drachenbaum ist es wie bei vielen anderen Wesen in Gefangenschaft: Sie verhalten sich nicht mehr natürlich. Draußen in ihrer Heimat, in den afrikanischen Tropen, blüht dieses Bäumchen von März bis Mai. „Bei Zimmerpflanzen kommt es jedoch äußerst selten vor, dass sich Blütenknospen bilden“, steht im Internet.

Wir haben also eine Sensation in unserer Wohnung. So weit, so gut. Aber es gibt da noch etwas, was die Sache ziemlich schlecht macht: der Geruch. Die Blüten dufteten schon am ersten Tag so sehr, dass sich der Geruch bereits in jeder Ecke der Wohnung festgesetzt hatte.

•heute

gestern

gestern

Die einen sprechen von einem betörenden Duft, der an Jasmin erinnert, andere sprechen von einem „intensiven Geruch“. Wir finden, die süßlich-faulige Note ist eher Gestank als Duft.

Im Internet steht: „Weil der Geruch nicht jedermanns Geschmack ist, greifen viele zur Schere und schneiden die Blüte ab. Aufgrund ihrer Seltenheit ist diese Handlung fast schon eine Freveltat.“ Der Baum solle lieber in ein separates Zimmer verbannt werden.

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Vorbildlich, wie wir immer zur Natur sein wollen, taten wir es. Doch die Ausdünstung kriecht durch jede Ritze. Also ab auf den Balkon damit. Als wir nachts im benachbarten Schlafzimmer das Fenster öffneten, kam keine frische Luft herein, sondern süße Fäulnis.

Was nun? Umziehen? Der Baum soll wochenlang blühen. Das ist die Lösung: Irgendwann kommen die Eisheiligen und könnten Frost mitbringen. Da würde der Baum auf dem Balkon erfrieren. Und sterben soll er nicht. Also: Sensation hin oder her – wo ist die Schere?

QOSHE - Exotische Pflanzen in der Großstadt: Noch Duft oder schon Gestank? - Jens Blankennagel
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Exotische Pflanzen in der Großstadt: Noch Duft oder schon Gestank?

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13.04.2024

Manche Sensationen ereignen sich quasi im Verborgenen, und bei so manch einer Sensation wissen wir erst mal gar nicht, dass es eine solche ist. So erging es uns gerade zu Hause in Berlin-Friedrichshain. Wir kamen von einem Ausflug nach Hause, und in der Wohnung duftete es sehr intensiv.

Das Essen, das wir am Morgen gekocht hatten, konnte es nicht sein, denn es roch stechend süß. Wir fahndeten in der gesamten Wohnung, fanden aber nichts. Ich ging auch auf den Balkon und schaute mir die Bäume vor dem Haus an, ob dort etwas blühte, das einen solch intensiven Geruch verströmte. Nichts.

Dann fand ich in meinem Zimmer an einem fast zwei Meter hohen Baum ein paar dicke Blüten. Wenn die Angaben aus dem Internet und die Realität in unserer........

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