Am Sonntagmorgen war Andreas Rettig der Diskussionsrunde im Fußballstammtisch „Doppelpass“ bei Sport1 zugeschaltet. Der DFB-Geschäftsführer hatte sich vorschriftsgemäß eine weiße Trainingsjacke übergestreift, auf der das Abzeichen des in zweieinhalb Jahren scheidenden DFB-Partners Adidas nicht übersehen werden konnte. Rettig übersteuerte sein Mikrofon derart, dass seine Ausführungen zum heftig debattierten 800-Millionen-Euro-Deal von Anfang 2027 bis Ende 2034 mit US-Ausrüster Nike von schrillen Pieptönen gestört waren. Umso deutlicher verschaffte sich der vormals profilierte Kommerzkritiker Luft.

Rettig ärgerte sich nicht minder als tags zuvor DFB-Präsident Bernd Neuendorf über die Statements von Politikern verschiedenster Couleur, die sich dabei als Fußballromantiker gerierten. Neuendorf hatte vor dem Länderspiel in Lyon seinen SPD-Parteifreund Karl Lauterbach ungeschoren davon kommen lassen, der die Nike-Vereinbarung des DFB als „Fehlentscheidung“ bezeichnet hatte, „wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet“. Dafür bekam Robert Habeck Saures vom Fußballchef. Dem Wirtschaftsminister hatte beim Entscheid des DFB gegen die Heimatmarke Adidas der „Standortpatriotismus“ gefehlt. Neuendorf fand die Einlassung „sehr eigenartig“. Er stünde gleichwohl für ein Gespräch bereit. Habeck konterte Sonntag via dpa: „Reden immer gern – dann vielleicht auch über Sport, Tradition und Kapital und über die Förderung des Jugendsports.“

Rettig seinerseits befand verständnislos, die Statements vieler Politiker hätten sich so angehört, „als hätten wir das Vaterland verraten“. Dabei handele es sich um den „besten und größten Vertrag der Verbandsgeschichte – für den sollen wir uns jetzt entschuldigen? Das versteht bei uns im Hause niemand.“

Mehr als zehn Interessenten haben laut DFB-Bulletin in einem transparenten, diskriminierungsfreien Prozess bis 15. März ihr Angebot abgeben können. Es sei, so Rettig „eine unglaubliche Differenz der Angebote“ herausgekommen, zudem handele es sich bei den Nike-Millionen „nicht um Kapital aus einem Schurkenstaat“, also „kein schmutziges Geld“.

Dem Vernehmen nach hat Adidas lediglich rund die Hälfte geboten. DFB-Schatzmeister Stephan Grunwald sagte im Magazin Capital, das Angebot von Adidas sei „nicht wettbewerbsfähig“ gewesen. „Wegen einer Differenz von zwei Millionen Euro pro Jahr hätte der DFB Adidas nicht verlassen.“

Seinem heiligen Zorn ließ auch der in Lyon ebenfalls anwesende DFL-Aufsichtratschef Hans-Joachim Watzke freien Lauf, unverkennbar Richtung Habeck. „Es gibt Leute, die haben vor fünf Jahren noch gesagt: ,Vaterlandsliebe kotzt mich an’ und entdecken jetzt auf einmal den Patriotismus“, so CDU-Mitglied Watzke im Interview mit Sky.

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Ex-DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff, der 2007 mit einem wirtschaftlich deutlich besseren Angebot seines damaligen Partners Nike beim DFB noch abgeblitzt war, äußerte sich in der Karriereplattform Linkedin: „Natürlich sind Tradition und langfristige Partnerschaften wichtig. Die Zeiten, aus Patriotismus bei einem Sponsoringpartner zu bleiben, sind allerdings vorbei. Das können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten.“

Außerdem machte er darauf aufmerksam, Nike sei „aufgrund seiner amerikanischen Wurzeln sehr stark an der Entwicklung des Frauen-Fußballs interessiert“. Er „erwarte hier neue Impulse“. Der wirtschaftsliberale Bierhoff schloss mit einer Breitseite: „Wo ist der Standortpatriotismus der deutschen Wirtschaftspolitik? Stattdessen verlassen uns Unternehmen wegen hoher Energiekosten, hoher Steuern und zu viel Bürokratie.“

QOSHE - Nike statt Adidas: Der DFB macht sich gegenüber Kritikern wie Robert Habeck Luft - Jan Christian Müller
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Nike statt Adidas: Der DFB macht sich gegenüber Kritikern wie Robert Habeck Luft

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24.03.2024

Am Sonntagmorgen war Andreas Rettig der Diskussionsrunde im Fußballstammtisch „Doppelpass“ bei Sport1 zugeschaltet. Der DFB-Geschäftsführer hatte sich vorschriftsgemäß eine weiße Trainingsjacke übergestreift, auf der das Abzeichen des in zweieinhalb Jahren scheidenden DFB-Partners Adidas nicht übersehen werden konnte. Rettig übersteuerte sein Mikrofon derart, dass seine Ausführungen zum heftig debattierten 800-Millionen-Euro-Deal von Anfang 2027 bis Ende 2034 mit US-Ausrüster Nike von schrillen Pieptönen gestört waren. Umso deutlicher verschaffte sich der vormals profilierte Kommerzkritiker Luft.

Rettig ärgerte sich nicht minder als tags zuvor DFB-Präsident Bernd Neuendorf über die Statements von Politikern verschiedenster Couleur, die sich dabei als Fußballromantiker gerierten. Neuendorf hatte vor dem Länderspiel in Lyon seinen SPD-Parteifreund Karl Lauterbach ungeschoren davon kommen lassen, der die Nike-Vereinbarung des DFB........

© Berliner Zeitung


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