Galerie Buchholz: (Fasanenstraße 30, Charlottenburg). Es ist Wolfgang Tillmans’ 13. Einzelausstellung in der Galerie; die letzte ist acht Jahre her. Zuletzt eröffnete der 1968 in Remscheid geborene Tillmans eine große Retrospektive – „To look without fear“ - im MoMA, New York. Letztes Jahr wurde er außerdem in die Times-Liste der „100 Most Influential People of 2023“ aufgenommen. Seit 2006 betreibt der in Berlin und London lebende Turner-Preisträger den Non-Profit-Ausstellungsort Between Bridges, seit zwei Jahren in der Adalbertstraße in Kreuzberg. Höchst gespannt darf man sein, was für fotografische Stillleben und technisch-poetische Bildexperimente der Künstler zeigen wird. Eines weiß man schon: Es wird auch um Regentropfen gehen. Begleitet wird die Ausstellung von der Veröffentlichung von Tillmans’ zweitem Musikalbum „Build from Here“.

Galerie BQ (Weydingerstraße 10, Mitte). Jochen Lempert aus Hamburg, der wie kaum ein anderer in seinen analogen Schwarz-Weiß-Fotografien zwischen Wissenschaft und Poesie oszilliert, widmet sich zum Frühlingsbeginn dem Mauersegler, oder dessen Ankunft. „Ende April, pünktlich zum Gallery Weekend, treffen die Mauersegler nach neunmonatigem Dauerflug aus Afrika ein und kündigen mit ihrem lauten Srih-srih-Zwitschern und akrobatischen Flugpirouetten den kommenden Sommer an ...“, heißt es bei BQ vortrefflich. Lempert, geboren 1958, dringt tief unter die Oberfläche, er ist ein Zauberer der Grundstoffe, kümmert sich um Wolken, Pilze, Spinnenweben, und nun um den eleganten Vogel. Man sollte das nicht verpassen.

Die Galerien Esther Schipper (Potsdamer Str. 85 e) und Alexander Levy (Alt-Moabit 110) richten dem Berliner Konzeptkünstler und Bildhauer Julius von Bismarck im besten Einvernehmen jeweils eine Schau aus. Wer bei dem markanten Namen aufhorcht und nachfragt: Ja, er ist der Urururgroßneffe Otto von Bismarcks, des „Eisernen“, des ersten Kanzlers des Deutschen Reichs, Vollender der deutschen Einigung, Begründer des Sozialstaates, aber auch der Sozialistengesetze. Julius von Bismarcks Medien sind Fotografie, Video, Installation, Aktionen. Und Versuchsanordnungen mit Ideen für die Rettung unserer Ökosysteme. Dem einstigen UdK-Schüler des Künstler-Ingenieurs Olafur Eliasson geht es in seiner Kunst um die Verortung des Menschen in seiner Umwelt und um das, was gesellschaftlich als Natur verhandelt wird. Und er mischt mit Leidenschaft und Ironie unsere allzu oft denkfaule, bequem vereinfachte Wahrnehmung und die Klischees auf. Er bedient sich der Dekonstruktion, weil er hinterfragen will, wie wir als Gesellschaft Natur in Form von Landschaft bewerten, und wer in diesem Bewertungsprozess die Deutungshoheit besitzt.

•vor 8 Std.

•gestern

•vor 55 Min.

Galerie Barbara Thumm (Markgrafenstraße 68, Kreuzberg). Wir dürfen uns wie in einer Santeria fühlen zwischen der erzählerischen Malerei, den Videobildern und der Installation aus dekorativen Porzellanvasen der in den USA lebenden Exil-Kubanerin María Magdalena Campos-Pons, geboren in der Provinz Matanzas. Es ist ein Synkretismus der Kunst, der im Galerieraum dargeboten wird. Es geht um Spiritualität, Identität, Rasse, Geschlecht. Und um die Geschichte ihrer Vorfahren mit nigerianischen, chinesischen und spanischen Wurzeln. Ihr betont sinnliches Werk verwebt persönliche Erfahrungen, die gleichzeitig universelle und kollektive Themen ansprechen, wie die afrikanische und chinesische Diaspora in der Karibik. Für Campos-Pons ist die Kunst ein Mittel, um die Wunden und Risse durch Kolonialismus, Unterdrückung, Unrecht, Migration und Exil mit sanfter Kraft zu heilen.

Galerie Crone (Fasanenstraße 29/Höfe, Charlottenburg). Zwei starke Frauen mit ihrer frühen Kunst auf Papier werden bei Crone zusammengebracht. Darum heißt die Schau der die Öffentlichkeit eher scheuenden Wahlberlinerin Rosemarie Trockel (vormals Düsseldorferin) und der bereits 2009 verstorbenen Hanseatin Hanne Darboven auch „Early Birds“. Zu erleben ist ein so feiner, poetischer wie spannender Dialog der Bildsprache dieser beiden wichtigen deutschen Konzeptualistinnen. Prägende Intentionen lassen sich an den Bildern der Siebziger-, Achtzigerjahre lesen. Von Darboven ist eine wandfüllende, 120 Blätter umfassende Zahlenschreibarbeit von 1973 zu sehen. Das Tableau war Hauptteil ihrer ersten Einzelschau im New Yorker MoMA. Daneben hängen minimalistische Diagramme und eine Hommage an Dostojewski. Trockel wählte zwölf Blätter aus ihrer berühmten Buchtitelserie und gestaltete zudem eine Wand mit Aquarellen, Gouachen und Tuschezeichnungen, von denen etliche 1988 in ihrer ersten MoMA-Soloausstellung zu sehen waren.

Galerie Sprüth Magers (Oranienburger Str. 18, Mitte). Fünf chinesische Künstlerinnen markieren mit ihrer Gemeinschaftsschau „territory“ die großen lichten Galerieräume. Mire Lee, Liu Yujia, Gala Porras-Kim, Tan Jing und Zhang Ruyi machen in ihren von Shi-ne Oh kuratierten Arbeiten bildhaft, was ihnen auf den Augen und auf der Seele brennt: Sie thematisieren auf subtil asiatische Weise aggressive politische Maßnahmen und Verhaltensweisen in unserer zerrissenen, krisen- und kriegsgeschüttelten Welt zwischen Demokratie, Autokratismus und Diktatur, zwischen Tradition und Moderne. Sie hinterfragen aus weiblicher Sicht die weitreichende Definition von Grenzen und Abgrenzungen, von den Sehnsüchten der Gesellschaften, und definieren den Begriff Freiheit. Es geht in den korrespondierenden Werken um Körperlichkeit, Moral und auch Ekel, um die Beschränkungen von Sprache, Geschichte und Erinnerung. Dies ist übrigens die erste Gruppenshow der Galerie.

Galerie Plan B (Strausberger Platz 1, Mitte). Mircea Cantor aus dem rumänischen Oradea, Absolvent der transsilvanischen Kunsthochschule Cluj Napoca und Protagonist der sogenannten Cluj-Connection (Künstler, die schon seit Ende der 1990er-Jahre in Berlin und in westlichen Kunstgefilden ausstellten), arbeitet als Bildhauer, Zeichner, Maler, Konzeptualist und Videofilmer im (dadaistisch) ironischen Readymade-Stil des französischen Avantgardisten Marcel Duchamp. Er reflektiert die Absurditäten der kommunistischen Ära im Ostblock, insbesondere in Rumänien unter dem Diktator und Neostalinisten Ceaușescu, und untersucht anhand persönlicher Geschichten die diversen Ideologien und deren Wirkungen und Auswüchse in der vermeintlich freien Gegenwart mit ihren gespaltenen Gesellschaften, Kriegsschauplätzen und Krisen. In seinen Arbeiten mischen sich Zukunftsvisionen und Zeitkritik. Sarkastisch macht er fatale Rückschritte nach den mühsam errungenen gesellschaftlichen Fortschritten bildhaft: etwa mit einem Brunnen, dessen Wasser rückwärts fließt.

Galerie EIGEN+ART (Auguststr. 26, Mitte). In den farbintensiven Bildern der Leipziger Malerin Kristina Schuldt geht es um Gemeinschaft, um innigen Austausch – und um die Gleichzeitigkeit von Denken, Konsequenz, Korrektur, Chaos, Weinen, Panik und Witz. Jedes Motiv ist ein Komplott mit der Welt, wie sie sein sollte – und gegen die Welt, wie sie derzeit ist: geteilt, zerrissen, bedroht durch Hass, Gier, Machtstreben, Gewalt und Eigensucht. Die einstige Meisterschülerin von Neo Rauch an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst schafft in ihrer körperverschlungenen, von Lebenstropfen überzogenen Malerei eine so sinnliche wie denkwürdige Einigung der Tumulte, der Gegensätze, der Konflikte unserer Gegenwart. Sie setzt in den Lärm die Stille, dehnt die Augenblicke, sodass Zeit entsteht, dazu Ideen und Verbundenheit. Bei ihr kann alles gerettet werden, was kaputtzugehen, zu verschwinden droht. Diese Bilder sagen uns Betrachtern: Es geht hier nicht um euch, um jeden Einzelnen und seine privaten Interessen! Es geht um das Leben auf unserem Planeten, um die Zukunft unserer Erde, die einzige im Weltall.

Galerie Capitain Petzel (Karl-Marx-Allee 48, Mitte). Die chinesische Malerin Xie Nanxing aus der Stadt Chongqing füllt den Pavillon am Ost-Berliner Boulevard mit den acht Gemälden zum Werkkomplex „f o r a d e c a s a“. Der Titel ist eine Abstraktion des portugiesischen „jogo fora de casa“ (Auswärtsspiel). Bei einem Besuch in Lissabon fiel Xie ein Notizbuch in die Hände, dessen leuchtend grüne Seiten jeweils mit den Linien eines Fußballfeldes versehen waren. Vielleicht ein lustiges Geschenk für ein Kind, dessen Zimmerwände mit Postern von Fußballspielern verziert sind, vielleicht auch ein nützliches Werkzeug für einen Taktiker, der jedes Spiel wie besessen verfolgt. Die Markierungen des Fußballfeldes – besonders markant vor einem ähnlich grünen Hintergrund – bilden den Ausgangspunkt dieser Serie, sowohl als lose interpretierte formale Struktur für jede neue Arbeit als auch als Katalysator für deren Inhalt.

Galerie KLEMM’S (derzeit und bis zum Sommer im Umzug an die Leipziger Straße 57/58, Mitte). Den bereits sanierten Teil des neuen Domizils bespielt der Bildhauer Jonas Roßmeißl. Er stammt aus Erlangen und studierte an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, lebt und arbeitet seither in Leipzig. In seinen figuralen wie abstrakten Skulpturen spiegelt sich der heftige Widerstreit der Kräfte in Gesellschaft, Politik und Natur. Roßmeißl betrachtet und untersucht die Konstellationen stets simultan und macht kulturtechnische (Über-)Formung und Ausdeutung im Kontext sozialer und ideologischer Aufladung deutlich. In der Kreuzberger Stammgalerie (Prinzessinnenstr. 29) ist zum Gallery Weekend quasi als Abschied vom Ort eine Rückschau des Künstlerprogramms der letzten zehn Jahre zu sehen.

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Diese Ausstellungen sollte man beim 20. Gallery Weekend Berlin nicht verpassen!

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26.04.2024

Galerie Buchholz: (Fasanenstraße 30, Charlottenburg). Es ist Wolfgang Tillmans’ 13. Einzelausstellung in der Galerie; die letzte ist acht Jahre her. Zuletzt eröffnete der 1968 in Remscheid geborene Tillmans eine große Retrospektive – „To look without fear“ - im MoMA, New York. Letztes Jahr wurde er außerdem in die Times-Liste der „100 Most Influential People of 2023“ aufgenommen. Seit 2006 betreibt der in Berlin und London lebende Turner-Preisträger den Non-Profit-Ausstellungsort Between Bridges, seit zwei Jahren in der Adalbertstraße in Kreuzberg. Höchst gespannt darf man sein, was für fotografische Stillleben und technisch-poetische Bildexperimente der Künstler zeigen wird. Eines weiß man schon: Es wird auch um Regentropfen gehen. Begleitet wird die Ausstellung von der Veröffentlichung von Tillmans’ zweitem Musikalbum „Build from Here“.

Galerie BQ (Weydingerstraße 10, Mitte). Jochen Lempert aus Hamburg, der wie kaum ein anderer in seinen analogen Schwarz-Weiß-Fotografien zwischen Wissenschaft und Poesie oszilliert, widmet sich zum Frühlingsbeginn dem Mauersegler, oder dessen Ankunft. „Ende April, pünktlich zum Gallery Weekend, treffen die Mauersegler nach neunmonatigem Dauerflug aus Afrika ein und kündigen mit ihrem lauten Srih-srih-Zwitschern und akrobatischen Flugpirouetten den kommenden Sommer an ...“, heißt es bei BQ vortrefflich. Lempert, geboren 1958, dringt tief unter die Oberfläche, er ist ein Zauberer der Grundstoffe, kümmert sich um Wolken, Pilze, Spinnenweben, und nun um den eleganten Vogel. Man sollte das nicht verpassen.

Die Galerien Esther Schipper (Potsdamer Str. 85 e) und Alexander Levy (Alt-Moabit 110) richten dem Berliner Konzeptkünstler und Bildhauer Julius von Bismarck im besten Einvernehmen jeweils eine Schau aus. Wer bei dem markanten Namen aufhorcht und nachfragt: Ja, er ist der Urururgroßneffe Otto von Bismarcks, des „Eisernen“, des ersten Kanzlers des Deutschen Reichs, Vollender der deutschen Einigung, Begründer des Sozialstaates, aber auch der Sozialistengesetze. Julius von Bismarcks Medien sind Fotografie, Video, Installation, Aktionen. Und Versuchsanordnungen mit Ideen für die Rettung unserer Ökosysteme. Dem einstigen UdK-Schüler des Künstler-Ingenieurs Olafur Eliasson geht es in seiner Kunst um die Verortung des Menschen in seiner Umwelt und um das, was gesellschaftlich als........

© Berliner Zeitung


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