Charité, der Schriftzug ist am rechten Rand des Bildschirms zu erkennen. Die Ampel im Hintergrund springt auf Grün, in die Szenerie vor der Windschutzscheibe kommt Bewegung. Die Kamera überträgt live. Sie zeigt eine vierspurige Straße, begrünter Mittelstreifen, parkende Autos am Rand, stockender Verkehr voraus. Christoph Markgraff sitzt am Steuer des Krankentransportwagens, neben ihm Angelina Sipeer. Auf dem Bildschirm sind sie unten links eingeblendet. Zwischen ihnen hockt ein Plüschlöwe im weißen T-Shirt mit einem Logo auf der Brust: „Krankentransport Roske“.

Sie haben vorhin eine Patientin in einer Rettungsstelle abgeliefert. Jetzt erzählt Christoph Markgraff, auf wie viele Fahrten sie am Tag kommen. „Zwischen neun und zwölf, manchmal 13“, sagt er. Diese Frage hat jemand in dem Chat gestellt, der rechts außen auf dem Bildschirm durchläuft. Eine Computerstimme liest die Kommentare vor. „Wie viele Kilometer fahrt ihr so im Durchschnitt?“, fragt sie. Markgraff sagt: „Wir schaffen heute locker 160 Kilometer. Minimum sind 60, oft liegen wir so bei 200.“ Es ist nach eins, sie befinden sich irgendwo im Norden Berlins. Noch gut zwei Stunden werden sie unterwegs sein, dann geht es zurück zum Firmensitz nach Falkensee, danach ist Feierabend.

Angelina Sipeer und Christoph Markgraff sind die Besatzung eines Krankentransporters. Und sie sind die Hauptdarsteller einer Art Doku-Soap auf der Videoplattform Twitch. Von Dienstag bis Freitag zwischen 7 und 15.30 Uhr senden sie aus dem Cockpit ihres knallgelben Wagens. Am Wochenende übernehmen zwei Kollegen. Montags ist Sendepause.

Seit Anfang November ist das interaktive Format online. Und immer mehr Menschen schauen zu. „Der Rekord liegt bei 411 Leuten über 20 Minuten“, sagt Markgraff. Weihnachten war der Wendepunkt, da gingen die Zahlen hoch. In guten Zeiten halten sich rund 300 Menschen gleichzeitig im Stream auf. Sie erleben eine Mischung aus Stadtrundfahrt, Gesundheitsaufklärung und Sozialstudie, gelegentlich sogar einen Hauch von Kochstudio; das Thema Essen steht hoch im Kurs.

•gestern

28.02.2024

29.02.2024

•vor 8 Std.

29.02.2024

Am Anfang stand ein Experiment. Der Firmenchef Rene Roske wollte seine Branche bekannter machen und entdeckte offenbar eine mediale Marktlücke. Menschen in ganz Deutschland schalten sich mittlerweile zu, aber auch in Österreich, der Schweiz und Luxemburg haben Markgraff und Sipeer ihr Publikum. Dass die Reichweite steigt, können sie an der Kommentarspalte ablesen.

Dort rutschen gerade die Nachrichten im Sekundentakt herunter. Diskutiert wird über die Voraussetzungen für einen Job im KD. Das ist die Abkürzung für Krankentransportdienst. Jemand schreibt: „Ich befürchte, als Pflegefachkraft kann man keine verkürzte Ausbildung zum Rettungssanitäter machen. Ich denke öfter drüber nach, mal im KD zu arbeiten. Eine Kollegin schwärmt davon.“ Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauert vollzeit regulär drei Monate, Angelina Sipeer sagt: „Ich werde mal nachhaken, ob Ausnahmen möglich sind.“ Rocket1207 schreibt, er schicke ihr eine Privatnachricht mit Infos zur Umschulung. Die Kamera zeigt Berliner Stop-and-go.

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Rund 80 Firmen machen in der Hauptstadt den Markt der Krankentransporte unter sich aus, hinzu kommen Rotes Kreuz, Caritas und Co. Sie teilen sich die 950.000 Einsätze pro Jahr, befördern Menschen, die während der Fahrt betreut werden müssen, verlegen Patienten in Krankenhäuser, bringen sie zur Dialyse, zum Arzt. Künftig sollen private Anbieter auch die überlastete Berliner Feuerwehr stärker unterstützen. Deren Rettungsdienst bleibt zwar für die schweren, die lebensbedrohlichen Fälle zuständig, doch dem KD erschließt sich ein weiteres Betätigungsfeld.

Es ist ein umkämpfter Markt. Wer sich behaupten will, muss bei potenziellen Auftraggebern auf sich aufmerksam machen: bei Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen, Patienten. Aber auch bei potenziellen Mitarbeitern. Knapp 50 Beschäftigte hat Roske im Moment, 18 Fahrzeuge gehen täglich auf Tour. Weitere sollen angeschafft werden. In der Nähe zum Kudamm eröffnet demnächst ein zweiter Stützpunkt. Sie rücken näher an die Kundschaft in Charlottenburg-Wilmersdorf heran, neben Spandau und Wedding gehört der Bezirk zu ihrem hauptsächlichen Einzugsgebiet. Doch wie überall im Gesundheitswesen herrscht im KD ein Mangel an Fachkräften und ein Wettbewerb ums Personal.

Es gibt grundsätzlich keine Aufzeichnungen. Weder wir noch Twitch haben die Möglichkeit, die Videos zu speichern.

Mathias Rabener sitzt an diesem Nachmittag im ersten Stock in Falkensee an einem Konferenztisch. Die Firmenzentrale liegt versteckt in einem Gewerbegebiet hinter Lagerhallen. Rabener kann durch die verglaste Bürotür in eine Autowerkstatt hinabschauen, sieht unten einen gelben Transporter auf einer Hebebühne. Bei Roske ist er für die sozialen Netzwerke zuständig, für die Auftritte bei Facebook, Instagram, X und Twitch. In seiner Mail-Signatur steht: Social Media und Bewerbungen.

„Wir hatten schon Bewerber, die unseren Stream gesehen haben, das waren Rettungssanitäter auf Jobsuche. Aber ursprünglich hatten wir nicht den Plan, damit Personal zu gewinnen“, sagt Rabener. Und dann erzählt er, wie alles begann, im Frühjahr 2022, kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine, mit Hilfstransporten. Zunächst in den Westen des Landes nach Lwiw, dann an die Front nach Charkiw. Firmenchef Roske fuhr selbst, die Bilder übertrug er ins Internet. „Das haben sich fünf bis zehn Leute angeschaut“, erzählt Rabener. „Es ist noch viel Videomaterial auf YouTube und Instagram davon vorhanden.“ Ein medialer Durchbruch war das nicht.

Irgendwann haben sie die Hilfstransporte eingestellt, denn die Spenden blieben aus. Doch die Idee vom Livestream ließ sie nicht los. Sie tüftelten an der Technik, ließen sich beraten, informierten sich über Datenschutz und legten los. Bilder von den Anfängen existieren nicht. „Es gibt grundsätzlich keine Aufzeichnungen“, sagt Rabener. „Weder wir noch Twitch haben die Möglichkeit, die Videos zu speichern.“

Das ist die eine Besonderheit an diesem Stream. Die andere betrifft die Diskretion. Die Patienten müssen sicher sein, dass niemand sie erkennt, dass sie anonym bleiben. Sie sind im Livestream nicht zu sehen. Diskretion gilt auch sonst: Passanten, Kennzeichen anderer Autos und die Gesichter der Insassen bleiben unscharf. Blur-Effekt heißt das Verfahren. Ein Blur-Nebel lag vorhin auch über dem Platz vor der Rettungsstelle. „Wir kümmern uns um unseren Patienten und sind gleich wieder da“, stand auf dem Bildschirm. Jetzt ist der Schriftzug in gelben Großbuchstaben erneut eingeblendet.

Sipeer und Markgraff haben den Wagen verlassen, diesen vorher neben einer Häuserzeile geparkt, die sich schemenhaft abzeichnet. Im Chat herrscht Betrieb. „Ihr wollt, dass eure Nachricht gelesen wird? Dann setzt ein ? vor eure Nachricht“, schreibt StreamElements, die Firma selbst also, und sie macht Werbung für sich: „Bock aufn Job? Auch Quereinsteiger!“

Ein dumpfes Geräusch unterbricht die Stille, so als würde die Heckklappe ins Schloss fallen. Sipeer und Markgraff steigen ein. Es geht weiter. Wieder eine Straße, wieder Berliner Verkehr. Manche Zuschauer unternehmen mit diesem Stream regelmäßig eine Stadtrundfahrt. Zuschauer aus der Provinz, vom Dorf. Markgraff wird das später erzählen.

Jetzt kommt erst einmal der nächste Auftrag herein, die Ambulanzleitstelle Berlin meldet sich. Sie arbeitet mit mehreren Anbietern von Krankentransporten zusammen und vermittelt die Fahrten. Der Name der Klienten, ihre Anschrift, alle persönlichen Informationen sind nicht zu hören. Diskretion, das oberste Gebot: „Auch der Patient hinten im Wagen bekommt nicht mit, dass wir streamen und worüber wir vorne sprechen“, sagt Markgraff. „Und wenn meine Kollegin mit einem Patienten mal etwas lauter reden muss, weil der schwerhörig ist, drehe ich das Radio auf, sodass man nichts versteht.“

Sind Klienten an Bord, sitzt Markgraff allein vorn, beantwortet allein die Fragen. Doch auch bei einer Leerfahrt, wenn sie zu zweit den Livestream bestreiten, kommen sie mit den Antworten auf all die Fragen manchmal kaum hinterher. „Das ist aber kein Problem“, sagt Markgraff. „Wir erziehen uns die Leute so, dass sie geduldig sind, sonst geht das ja alles durcheinander.“

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Die Computerstimme meldet sich: „Echtabsurd“, verliest sie den Namen eines Teilnehmers: „Hallo ihr Lieben, Chris ist einfach immer am Essen, wenn ich einschalte, einfach ausnahmslos immer, haha.“ Markgraff hat gerade eine Brötchentüte hervorgekramt, er sagt: „Irgendwann muss man schließlich was essen.“ Die Computerstimme sagt: „Thedunkenmod: Mahlzeit.“ Im Chat kullern die Fragen herunter: „Wo seid ihr jetzt gerade?“, möchte jemand wissen. Jemand anderes fragt: „Was ist ein Splitterbrötchen?“

Das Duo unten links auf dem Bildschirm antwortet. Zwischendurch liefert es sich ein kurzes Wortduell. Die Computerstimme sagt: „Ich brauche bald eine Windel, wenn ihr so weitermacht. Lache ohne Ende.“ Der Umgangston ist vertraulich, man kennt sich. Angelina Sipeer sagt: „Wir sind wie eine kleine Familie.“ Alle Altersgruppen sind in dieser virtuellen Verwandtschaft vertreten. Das Alter spielt immer wieder eine Rolle im Chat.

Für den Stream interessieren sich viele Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen, wie offenbar Rocket1207 mit den Infos zur Umschulung zum KD. Sie springen schon mal ein, wenn eine Fachfrage aufkommt. Etwa danach, was einen qualifizierten von einem unqualifizierten Krankentransport unterscheidet. Ob der Fahrer außer dem P-Schein für die Personenbeförderung auch medizinische Kenntnisse benötigt. Welche Qualifikation eine Rettungssanitäterin vorweisen muss.

„Außerdem haben wir im Chat viele Angehörige von Kranken“, sagt Markgraff. „Oft werden wir gefragt, an wen man sich mit einem bestimmten Problem wenden kann.“ Andere suchen nach einem Platz im Pflegeheim. „Leute hier aus der Region bitten uns, ihnen eine Einrichtung zu empfehlen. Wir arbeiten ja mit vielen Pflegeheimen zusammen.“

Würde ein Soziologe den Livestream verfolgen, er könnte Material zu Studienzwecken sammeln. Die täglichen Geschichten aus dem Krankentransporter spiegeln ein Stück Lebenswirklichkeit in Berlin. Vielleicht macht das den Reiz der Übertragung aus. Erfolgreiche Formate wie „100% Berlin“ im RBB oder „Feuer und Flamme“ im WDR funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip, zeigen Retter im täglichen Einsatz aus ungewöhnlicher Perspektive.

Die Geschichten aus dem KD schildern keine spektakuläre Action. Sie erzählen vom Berliner Alltag aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Vom Alleinsein zum Beispiel inmitten einer Millionenmetropole. „Wir haben viele im Chat, die einsam sind“, sagt Angelina Sipeer. „Die verbringen den ganzen Tag mit uns. Einige schreiben uns, dass sie froh sind, morgens einen Grund zum Aufstehen zu haben. Und das sind längst nicht nur alte, sondern auch junge Leute.“

Mit steigender Reichweite zieht der Stream allerdings ungebetene Gäste an, die aus der Deckung einer verschleierten Identität bösartige Kommentare einstellen. „Leute, die nicht ganz sauber sind“, so nennt Markgraff die problematische Klientel. „Leute, die Bemerkungen machen, die nicht in den Chat gehören, die beleidigend und ausfallend werden.“ Sie haben jedoch keine Chance, sich zu entfalten.

Den Stream überwacht jederzeit ein Moderator, zwei Ehrenamtliche teilen sich die Aufgabe. Ein grünes Schwert kennzeichnet ihre Kommentare. Sie schalten sich ein, wenn die Situation zu entgleisen droht. Die Moderatoren entfernen deplatzierte Posts, blocken deren Urheber, falls nötig. In manchen Fällen reicht es bereits, die Querulanten zu ignorieren, damit sie das Interesse verlieren.

In diesen Minuten geht es auf dem Bildschirm entspannt zur. Im Livestream dreht sich mal wieder alles ums Essen. Chinesische Küche ist das Thema, die Sauerscharf-Suppe. Gehört Glutamat hinein? Glutamat ist doch ungesund, oder? Die Computerstimme liest vor: „Ich mache sie immer ohne, und es schmeckt prima.“ Die Frage, ob es Shangsu-Suppe heiße, geht irgendwie unter.

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Rückstau an einer Ampel. Es ist noch nicht lange her, da wurden die Streamer an einer Kreuzung von zwei Männern im Lieferwagen nebenan erkannt, der Beifahrer hielt sein Handy ans Seitenfenster – als Zeichen: „Wir schauen euch zu!“ Gelegentlich werden Sipeer und Markgraff auf ihren Stream angesprochen. Wenn sie zum Beispiel Patienten in einer Klinik abliefern, in einer Praxis. Oder in der Mittagspause an einem Imbiss. Neulich haben sich die beiden einen Döner gekauft. „Da schrieb uns einer, wir sollten ihm unser Paypal schicken, er würde den Döner bezahlen“, sagt Markgraff, „das hat er dann tatsächlich auch gemacht.“ Ein andermal steckte ein Zehn-Euro-Schein hinter dem Scheibenwischer, als sie nach einem Transport zum Auto zurückkehrten. Ein Dankeschön offenbar.

Auch das könnte ein Effekt des Streams sein: Verständnis wecken für Leute, die schwachen, kranken Mitmenschen helfen. Dafür, dass man Rettungskräfte und Sanitäter nicht attackiert, wie es in Berlin schon mal passiert. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte der Jahreswechsel 2022/2023, als Böller auf Einsatzfahrzeuge flogen. Zum zurückliegenden Silvester haben die Livestreamer ein Video ins Netz gestellt, haben sich mit Helm und Schutzweste präsentiert und gefragt, ob sie künftig so ihrer Arbeit nachgehen sollen. Die Ausrüstung hatten sie damals für die Hilfstransporte in die Ukraine angeschafft.

Es ist Nachmittag geworden. Grau und schwer hängt der Himmel über Falkensee. Der gelbe Krankentransporter biegt auf den Betriebshof ein, fährt langsam vorbei an Stapeln aus Europaletten, stoppt vor einer Remise. Feierabend. Am nächsten Morgen machen sie sich wieder sehr früh auf den Weg. Am Wochenende haben sie frei, am Montag ist ja Sendepause. Drei Tage ohne Streaming, ohne Öffentlichkeit. „Das vermissen wir dann richtig“, erzählt Christoph Markgraff. Angelina Sipeer sagt: „Wenn wir am Dienstag wieder unsere Zuschauer begrüßen können, sind wir froh.“ Und die Zuschauer sind es wahrscheinlich auch, die machen so lange auf einem Discord-Kanal weiter. Die kleine Familie bleibt in Kontakt. Wenn es sein muss auch ohne Livebild.

QOSHE - Livestream vom Krankentransport: Deswegen sendet eine Berliner Firma auf Twitch - Christian Schwager
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Livestream vom Krankentransport: Deswegen sendet eine Berliner Firma auf Twitch

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02.03.2024

Charité, der Schriftzug ist am rechten Rand des Bildschirms zu erkennen. Die Ampel im Hintergrund springt auf Grün, in die Szenerie vor der Windschutzscheibe kommt Bewegung. Die Kamera überträgt live. Sie zeigt eine vierspurige Straße, begrünter Mittelstreifen, parkende Autos am Rand, stockender Verkehr voraus. Christoph Markgraff sitzt am Steuer des Krankentransportwagens, neben ihm Angelina Sipeer. Auf dem Bildschirm sind sie unten links eingeblendet. Zwischen ihnen hockt ein Plüschlöwe im weißen T-Shirt mit einem Logo auf der Brust: „Krankentransport Roske“.

Sie haben vorhin eine Patientin in einer Rettungsstelle abgeliefert. Jetzt erzählt Christoph Markgraff, auf wie viele Fahrten sie am Tag kommen. „Zwischen neun und zwölf, manchmal 13“, sagt er. Diese Frage hat jemand in dem Chat gestellt, der rechts außen auf dem Bildschirm durchläuft. Eine Computerstimme liest die Kommentare vor. „Wie viele Kilometer fahrt ihr so im Durchschnitt?“, fragt sie. Markgraff sagt: „Wir schaffen heute locker 160 Kilometer. Minimum sind 60, oft liegen wir so bei 200.“ Es ist nach eins, sie befinden sich irgendwo im Norden Berlins. Noch gut zwei Stunden werden sie unterwegs sein, dann geht es zurück zum Firmensitz nach Falkensee, danach ist Feierabend.

Angelina Sipeer und Christoph Markgraff sind die Besatzung eines Krankentransporters. Und sie sind die Hauptdarsteller einer Art Doku-Soap auf der Videoplattform Twitch. Von Dienstag bis Freitag zwischen 7 und 15.30 Uhr senden sie aus dem Cockpit ihres knallgelben Wagens. Am Wochenende übernehmen zwei Kollegen. Montags ist Sendepause.

Seit Anfang November ist das interaktive Format online. Und immer mehr Menschen schauen zu. „Der Rekord liegt bei 411 Leuten über 20 Minuten“, sagt Markgraff. Weihnachten war der Wendepunkt, da gingen die Zahlen hoch. In guten Zeiten halten sich rund 300 Menschen gleichzeitig im Stream auf. Sie erleben eine Mischung aus Stadtrundfahrt, Gesundheitsaufklärung und Sozialstudie, gelegentlich sogar einen Hauch von Kochstudio; das Thema Essen steht hoch im Kurs.

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28.02.2024

29.02.2024

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Am Anfang stand ein Experiment. Der Firmenchef Rene Roske wollte seine Branche bekannter machen und entdeckte offenbar eine mediale Marktlücke. Menschen in ganz Deutschland schalten sich mittlerweile zu, aber auch in Österreich, der Schweiz und Luxemburg haben Markgraff und Sipeer ihr Publikum. Dass die Reichweite steigt, können sie an der Kommentarspalte ablesen.

Dort rutschen gerade die Nachrichten im Sekundentakt herunter. Diskutiert wird über die Voraussetzungen für einen Job im KD. Das ist die Abkürzung für Krankentransportdienst. Jemand schreibt: „Ich befürchte, als Pflegefachkraft kann man keine verkürzte Ausbildung zum Rettungssanitäter machen. Ich denke öfter drüber nach, mal im KD zu arbeiten. Eine Kollegin schwärmt davon.“ Die Ausbildung zum Rettungssanitäter dauert vollzeit regulär drei Monate, Angelina Sipeer sagt: „Ich werde mal nachhaken, ob Ausnahmen möglich sind.“ Rocket1207 schreibt, er schicke ihr eine Privatnachricht mit Infos zur Umschulung. Die Kamera zeigt Berliner Stop-and-go.

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04.02.2024

Rund 80 Firmen machen in der Hauptstadt den Markt der Krankentransporte unter sich aus, hinzu kommen Rotes Kreuz, Caritas und Co. Sie teilen sich die 950.000 Einsätze pro Jahr, befördern Menschen, die während der Fahrt betreut werden müssen, verlegen Patienten in Krankenhäuser, bringen sie zur Dialyse, zum Arzt. Künftig sollen private Anbieter auch die........

© Berliner Zeitung


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