Nach dem Abbruch des sogenannten Palästina-Kongresses hatte die Polizei in Berlin am Wochenende alle Hände voll zu tun: Bei propalästinensischen Demonstrationen am Sonnabend und Sonntag gab es zahlreiche Festnahmen und Verletzte.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) verteidigte am Montag das Verbot des Palästina-Kongresses, der von Freitag bis Sonntag an der Germaniastraße in Berlin-Tempelhof stattfinden sollte.

„Anhand der Veröffentlichungen verschiedener Beteiligter bestätigte sich unsere Befürchtung, dass das wesentliche Ziel nicht Kritik an der Politik Israels, sondern die weitere strategische Vernetzung israelfeindlicher und antisemitischer Personen und Gruppierungen war“, sagte Spranger am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Ihr zufolge war gegen einen angekündigten Teilnehmer ein Einreiseverbot verhängt und gegen drei Teilnehmer ein politisches Betätigungsverbot gemäß Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes ausgesprochen worden.

Berlin: Tumult und Festnahmen beim Protest gegen Verbot von Palästina-Kongress

13.04.2024

Verbot von Palästina-Kongress: Handelte die Berliner Polizei rechtswidrig?

13.04.2024

Einer dieser Teilnehmer hatte seine Ansichten auch über einen von der Veranstaltung übertragenen Livestream geäußert. Dieser wurde deshalb durch die Polizei abgeschaltet. Eine rechtliche Handhabe, „diese beschämende Veranstaltung“ im Vorfeld zu verbieten, hat es laut Spranger nicht gegeben. Sie lobte das Vorgehen der Polizei und sagte: „Wer Hass und Hetze verbreitet, muss den Rechtsstaat fürchten.“

Die Polizei wertete den Kongress als „öffentliche Versammlung im geschlossenen Raum“. Deshalb war sie in diesem Raum auch anwesend, zusammen mit einem Staatsanwalt und einem Dolmetscher. Die Polizei gewährleistete auch den Zugang von Medienvertretern. Denn die Organisatoren, die ihrerseits die Meinungs- und Versammlungsfreiheit betonten, hatten nur Medien zugelassen, die ihnen genehm waren.

•gestern

•vor 7 Std.

•gestern

„Nach eingehender Prüfung wurde die Gefahrenprognose gestellt, dass wiederholt Redner zugeschaltet werden, die sich bereits in der Vergangenheit antisemitisch oder gewaltverherrlichend öffentlich äußerten“, begründete Polizei-Vizepräsident Marco Langner am Montag das Verbot. „Aus diesem Grund erfolgte um 17.20 Uhr durch die Polizei die Auflösung der Versammlung sowie die Mitteilung an den Versammlungsleiter, dass diese Auflösung auch für die weiteren Tage und etwaige Ersatzveranstaltungen gilt.“

Im Zusammenhang mit dem Palästina-Kongress wurden zum Wochenende insgesamt 20 Versammlungen angemeldet. Die Polizei war deshalb an allen Tagen mit Großaufgeboten im Einsatz – am Freitag mit 850, am Sonnabend mit 920 und am Sonntag mit 800 Dienstkräften. Unterstützt wurden die Berliner von Einheiten aus Sachsen, NRW, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und der Bundespolizei. Nach Angaben von Marco Langner galt für die Beamten eine „niedrige Einsatzschwelle“. Das Erkennen von antisemitischen Äußerungen habe oberste Priorität gehabt.

Palästina-Kongress in Berlin: Polizei verbietet Anti-Israel-Veranstaltung am Wochenende

•gestern

Iran überzieht Israel mit Großangriff: Es ist Zeit für Verhandlungen im Nahen Osten

vor 8 Std.

Insgesamt erstattete die Polizei am Wochenende 55 Strafanzeigen, unter anderem wegen Beleidigung, Volksverhetzung und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte. 44 Personen wurden festgenommen. Das Verbot des Kongresses durch die Polizei befeuerte auch die Protestdemonstration, die am Sonnabend vom Neptunbrunnen zur Kreuzung Unter den Linden und Friedrichstraße zog. Laut Langner wurden dabei verbotene Parolen gerufen, weshalb die Polizei entsprechende Strafverfahren gegen Unbekannt einleitete. Die Polizei zählte etwa 1900 Teilnehmer. Bei der Demonstration kam es zu Rangeleien mit der Polizei und zu Festnahmen.

Zu Auseinandersetzungen kam es am Sonntagabend auch in der Heinrich-von-Gagern-Straße in der Nähe des Reichstags: Dort hatten mehrere Hundert Demonstranten ein Ende deutscher Waffenlieferungen nach Israel gefordert. Als Polizisten einen 29-Jährigen festnahmen, der im Rahmen einer Rede wiederholt eine verbotene Parole gerufen hatte, solidarisierte sich die Menge mit ihm und bedrängte und bespuckte die Beamten. Polizisten versprühten Pfefferspray. Ein Feuerwehrmann wurde durch einen Fußtritt verletzt, als er am Boden hockte, um einen verletzten Demonstranten zu versorgen. „Der Veranstalter schaffte es nicht, auf die Teilnehmer mäßigend einzuwirken“, sagte Langner.

Die Polizei stellt sich darauf ein, dass der Nahostkonflikt und die propalästinensischen Demonstrationen in Berlin auch ein großes Thema bei möglichen Gewaltausbrüchen am 1. Mai sein werden. Laut Iris Spranger geht man „sehr sensibel mit der aktuellen Lage um“.

QOSHE - Nach Verbot des Palästina-Kongresses: Rangeleien, Pfefferspray und Festnahmen - Andreas Kopietz
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Nach Verbot des Palästina-Kongresses: Rangeleien, Pfefferspray und Festnahmen

11 1
15.04.2024

Nach dem Abbruch des sogenannten Palästina-Kongresses hatte die Polizei in Berlin am Wochenende alle Hände voll zu tun: Bei propalästinensischen Demonstrationen am Sonnabend und Sonntag gab es zahlreiche Festnahmen und Verletzte.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) verteidigte am Montag das Verbot des Palästina-Kongresses, der von Freitag bis Sonntag an der Germaniastraße in Berlin-Tempelhof stattfinden sollte.

„Anhand der Veröffentlichungen verschiedener Beteiligter bestätigte sich unsere Befürchtung, dass das wesentliche Ziel nicht Kritik an der Politik Israels, sondern die weitere strategische Vernetzung israelfeindlicher und antisemitischer Personen und Gruppierungen war“, sagte Spranger am Montag im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Ihr zufolge war gegen einen angekündigten Teilnehmer ein Einreiseverbot verhängt und gegen drei Teilnehmer ein politisches Betätigungsverbot gemäß Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes ausgesprochen worden.

Berlin: Tumult und Festnahmen beim Protest gegen Verbot von Palästina-Kongress

13.04.2024

Verbot von Palästina-Kongress: Handelte die Berliner Polizei........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play