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Madeleine Jaques' Vermächtnis

Die ehemalige Baselbieter Politikerin hat mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz viele Spuren hinterlassen – politische und persönliche.

Susanne Leutenegger Oberholzer* 14.11.2023, 05.00 Uhr

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Tramschienen-Besetzung im Jahr 1968 in Basel.

Archivbild: Peter Schnetz

Es gibt Menschen, die in ihrem Leben entscheidende Wegmarken setzen. Das gilt insbesondere für die ehemalige Baselbieter Politikerin Madeleine Jaques, die kürzlich nach einer langen Leidenszeit verstorben ist. Mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz, eine solidarische Linke und die Frauen hat sie viele Spuren hinterlassen – persönlich und politisch. Davon zeugte auch die beeindruckende Abschiedsfeier in Basel vor zwei Wochen.

Madeleine Jaques war eine prägende Figur in der Baselbieter Politik. Zusammen mit dem verstorbenen Landrat Adrian Müller wurde sie 1975 als erste Vertreterin der Poch Baselland in den Landrat gewählt. Sie hatte das Amt mit grossem Engagement, Seriosität, Zivilcourage, aber auch mit Witz und Charme ausgeübt. 1979 kam die tückische Wende. Das neue Wahlgesetz hatte ihren Sitz innerhalb der Wahlregion von Allschwil nach Oberwil verschoben. Jaques wurde abgewählt, und ich wurde ungeplant zur Landrätin.

Diese Sitzverschiebungen waren und sind für die Wählerinnen und Wähler kaum nachvollziehbar und unverständlich. Die auf 2027 geplante Revision des Wahlgesetzes ist daher dringend nötig.

Die junge Landrätin Madeleine Jaques war eine Frau der 68er-Bewegung. Wie viele von uns war sie ohne eidgenössisches Stimmrecht volljährig geworden. Das hat uns alle politisiert. Auch in der eigenen Partei galt es, die Position der Frauen zu stärken. Davon profitieren heute die Frauen (fast) aller Parteien.

Im Baselbiet kämpften wir gemeinsam mit einer Initiative für die Schaffung eines Frauenbüros. Dank diesem Anstoss und der Unterstützung vieler Frauenorganisationen hatte das Baselbiet dann als erster Kanton der deutschen Schweiz und als zweiter Kanton nach dem Jura eine Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann geschaffen.

Madeleine kämpfte auch unermüdlich und konkret für soziale Fortschritte. Mit vollem Einsatz kämpfte sie für die eidgenössische Mutterschaftsversicherung. Der Auftrag dazu stand seit 1945 in der Bundesverfassung, blieb aber über Jahrzehnte Papier. Erst nach mehreren Anläufen wurde er am 1. Juli 2005 umgesetzt. Mutterschaft und Kinder sind für viele Frauen noch immer ein Armutsrisiko. Ein wichtiger Schritt war deshalb die von Madeleine initiierte Bevorschussung ausstehender Alimente durch den Kanton. Auch heute noch dringend nötig ist der Kampf um zahlbare Kindertagesstätten und existenzsichernde Löhne und Renten.

Neben ihrer Landratstätigkeit war Madeleine Jaques ab 1977 während vier Jahren im Job Sharing mit Susanne Lauterbach als Baselbieter Kindergarteninspektorin tätig. Danach hat sie ihre pädagogischen Fähigkeiten und ihr Engagement im Werkjahr in Pratteln und nach ihrem Umzug in der Schule für Brückenangebote in Basel eingesetzt. Madeleines Jaques Einsatz galt immer den Menschen. Sie engagierte sich politisch und persönlich für eine lebenswerte Zukunft, nicht nur für ihre drei Kinder und sechs Enkelkinder. Für sie war klar, es kann in der Schweiz auf Dauer keinen Wohlstand geben ohne eine sichere Zukunft für die Menschen überall in der Welt.

Madeleine war in Vielem eine Vorkämpferin. Das ist ihr Vermächtnis.

*Susanne Leutenegger Oberholzer politisierte 23 Jahre im ­Nationalrat (für Poch und SP). Die Juristin und Ökonomin lebt in Augst.

Die ehemalige Baselbieter Politikerin hat mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz viele Spuren hinterlassen – politische und persönliche.

Es gibt Menschen, die in ihrem Leben entscheidende Wegmarken setzen. Das gilt insbesondere für die ehemalige Baselbieter Politikerin Madeleine Jaques, die kürzlich nach einer langen Leidenszeit verstorben ist. Mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz, eine solidarische Linke und die Frauen hat sie viele Spuren hinterlassen – persönlich und politisch. Davon zeugte auch die beeindruckende Abschiedsfeier in Basel vor zwei Wochen.

Madeleine Jaques war eine prägende Figur in der Baselbieter Politik. Zusammen mit dem verstorbenen Landrat Adrian Müller wurde sie 1975 als erste Vertreterin der Poch Baselland in den Landrat gewählt. Sie hatte das Amt mit grossem Engagement, Seriosität, Zivilcourage, aber auch mit Witz und Charme ausgeübt. 1979 kam die tückische Wende. Das neue Wahlgesetz hatte ihren Sitz innerhalb der Wahlregion von Allschwil nach Oberwil verschoben. Jaques wurde abgewählt, und ich wurde ungeplant zur Landrätin.

Diese Sitzverschiebungen waren und sind für die Wählerinnen und Wähler kaum nachvollziehbar und unverständlich. Die auf 2027 geplante Revision des Wahlgesetzes ist daher dringend nötig.

Die junge Landrätin Madeleine Jaques war eine Frau der 68er-Bewegung. Wie viele von uns war sie ohne eidgenössisches Stimmrecht volljährig geworden. Das hat uns alle politisiert. Auch in der eigenen Partei galt es, die Position der Frauen zu stärken. Davon profitieren heute die Frauen (fast) aller Parteien.

Im Baselbiet kämpften wir gemeinsam mit einer Initiative für die Schaffung eines Frauenbüros. Dank diesem Anstoss und der Unterstützung vieler Frauenorganisationen hatte das Baselbiet dann als erster Kanton der deutschen Schweiz und als zweiter Kanton nach dem Jura eine Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann geschaffen.

Madeleine kämpfte auch unermüdlich und konkret für soziale Fortschritte. Mit vollem Einsatz kämpfte sie für die eidgenössische Mutterschaftsversicherung. Der Auftrag dazu stand seit 1945 in der Bundesverfassung, blieb aber über Jahrzehnte Papier. Erst nach mehreren Anläufen wurde er am 1. Juli 2005 umgesetzt. Mutterschaft und Kinder sind für viele Frauen noch immer ein Armutsrisiko. Ein wichtiger Schritt war deshalb die von Madeleine initiierte Bevorschussung ausstehender Alimente durch den Kanton. Auch heute noch dringend nötig ist der Kampf um zahlbare Kindertagesstätten und existenzsichernde Löhne und Renten.

Neben ihrer Landratstätigkeit war Madeleine Jaques ab 1977 während vier Jahren im Job Sharing mit Susanne Lauterbach als Baselbieter Kindergarteninspektorin tätig. Danach hat sie ihre pädagogischen Fähigkeiten und ihr Engagement im Werkjahr in Pratteln und nach ihrem Umzug in der Schule für Brückenangebote in Basel eingesetzt. Madeleines Jaques Einsatz galt immer den Menschen. Sie engagierte sich politisch und persönlich für eine lebenswerte Zukunft, nicht nur für ihre drei Kinder und sechs Enkelkinder. Für sie war klar, es kann in der Schweiz auf Dauer keinen Wohlstand geben ohne eine sichere Zukunft für die Menschen überall in der Welt.

Madeleine war in Vielem eine Vorkämpferin. Das ist ihr Vermächtnis.

*Susanne Leutenegger Oberholzer politisierte 23 Jahre im ­Nationalrat (für Poch und SP). Die Juristin und Ökonomin lebt in Augst.

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14.11.2023

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Die ehemalige Baselbieter Politikerin hat mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz viele Spuren hinterlassen – politische und persönliche.

Susanne Leutenegger Oberholzer* 14.11.2023, 05.00 Uhr

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Tramschienen-Besetzung im Jahr 1968 in Basel.

Archivbild: Peter Schnetz

Es gibt Menschen, die in ihrem Leben entscheidende Wegmarken setzen. Das gilt insbesondere für die ehemalige Baselbieter Politikerin Madeleine Jaques, die kürzlich nach einer langen Leidenszeit verstorben ist. Mit ihrem Einsatz für eine soziale Schweiz, eine solidarische Linke und die Frauen hat sie viele Spuren hinterlassen – persönlich und politisch. Davon zeugte auch die beeindruckende Abschiedsfeier in Basel vor zwei Wochen.

Madeleine Jaques war eine prägende Figur in der Baselbieter Politik. Zusammen mit dem verstorbenen Landrat Adrian Müller wurde sie 1975 als erste Vertreterin der Poch Baselland in den Landrat gewählt. Sie hatte das Amt mit grossem Engagement, Seriosität, Zivilcourage, aber auch mit Witz und Charme ausgeübt. 1979 kam die tückische Wende. Das neue Wahlgesetz hatte ihren Sitz innerhalb der Wahlregion von Allschwil nach Oberwil verschoben. Jaques wurde abgewählt, und ich wurde ungeplant zur Landrätin.

Diese Sitzverschiebungen waren und sind für die Wählerinnen und Wähler kaum nachvollziehbar und unverständlich. Die auf 2027 geplante Revision des Wahlgesetzes ist daher dringend nötig.

Die junge Landrätin Madeleine Jaques war eine Frau der 68er-Bewegung. Wie viele von uns war sie ohne eidgenössisches Stimmrecht volljährig geworden. Das hat uns alle politisiert. Auch in der eigenen Partei galt es, die Position der Frauen zu stärken. Davon........

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