Geist & Reichlin

Freiheit ist unsere grösste Stärke

Je grösser die Unsicherheit, umso kleiner die Freiheit – das hat man in den vergangenen Jahren gut beobachten können. Dennoch ist es wichtig, sich immer wieder auf die Freiheit zurückzubesinnen.

Naomi Reichlin* Jetzt kommentieren 11.03.2024, 19.30 Uhr

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In der Pandemie sahen viele ihre persönliche Freiheit bedroht.

Bild: Urs Flueeler/Keystone

Sie lesen hiermit meine vorerst letzte Kolumne in der aktuellen Kolumnenserie für diese Zeitung. Als die erste Kolumne im Juli 2021 veröffentlicht wurde, war die Covid-19-Pandemie noch mitten in der gesellschaftlichen, gesundheitlichen und politischen Aufarbeitung: Der Fokus lag auf der Durchimpfung der Bevölkerung, und die Debatten liefen heiss. Im Nachhinein bin ich der Meinung, dass wir es in der Schweiz – anders als in anderen Ländern – gerade noch so geschafft haben, Anreize zur Impfung und die persönliche Freiheit in einer Balance zu halten. Und noch mehr realisiere ich, wie eine politische Angelegenheit kaum persönlicher sein kann als eine den eigenen Körper betreffende Impfung.

Seither hat sich das Verhältnis von persönlicher Freiheit und Staat weiter verändert. Eine grosse Zäsur war der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022, der eine Art Schockwelle durch die Schweizer Bevölkerung verursachte. Plötzlich schien der lange währende Friede in Europa nicht mehr so sicher. Das grundsätzliche Gefühl von Sicherheit und Stabilität wurde infrage gestellt und hat sich seither nicht mehr vollständig erholt. Im Gegenteil, die Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft hat sich eher verstärkt angesichts der politischen Entwicklungen in den USA, der Scharmützel zwischen den Weltmächten, Putins Machtdemonstrationen und zahlreicher ökonomisch kränkelnder Länder.

Ursprüngliches Bedürfnis wird noch schlechter befriedigt

Wenn immer sich Unsicherheit ausbreitet, nimmt üblicherweise auch der Ruf nach freiheitseinschränkenden staatlichen Massnahmen zu. Während der Covid-Pandemie ist die persönliche (und wirtschaftliche) Freiheit weltweit so stark gesunken wie seit 20 Jahren nicht mehr – wenn man dem vom kanadischen Thinktank Fraser Institute veröffentlichten Human Freedom Index Glauben schenkt. Obwohl die Schweiz auf Platz 1 landet, ist der Trend auch hierzulande negativ, die Freiheiten nehmen ab.

Dass Einschränkungen in die politische und persönliche Freiheit bei der Bevölkerung manchmal sehr willkommen sind, zeigt sich auch immer wieder bei politischen Volksentscheiden in Basel. Ein Beispiel ist der Wohnschutz. Aus einer nachvollziehbaren Unsicherheit – dem Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf – wird nach staatlicher Hilfe gerufen. Dass jedoch diese Hilfe in der Praxis den Effekt hat, das ursprüngliche Bedürfnis noch schlechter zu erfüllen, wird dabei erst zeitversetzt festgestellt und von den verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern nicht vollständig anerkannt. Wer möchte schon zugeben, dass das so einfach klingende Rezept in Wirklichkeit eine versalzene Suppe ergibt?

Für die Zukunft unserer Region und besonders für meine Generation wünsche ich mir, dass wir angesichts aktueller Entwicklungen Ruhe bewahren und uns darauf besinnen, dass Freiheit unsere grosse Stärke ist, ganz besonders in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Abwärtstrends und Unsicherheiten. Danke für Ihre Treue und bis bald.

*Naomi Reichlin leitet die Unternehmens­kommunikation eines lokalen KMU und war Vizepräsidentin der FDP Baselland von 2017 bis 2020.

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Seither hat sich das Verhältnis von persönlicher Freiheit und Staat weiter verändert. Eine grosse Zäsur war der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022, der eine Art Schockwelle durch die Schweizer Bevölkerung verursachte. Plötzlich schien der lange währende Friede in Europa nicht mehr so sicher. Das grundsätzliche Gefühl von Sicherheit und Stabilität wurde infrage gestellt und hat sich seither nicht mehr vollständig erholt. Im Gegenteil, die Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft hat sich eher verstärkt angesichts der politischen Entwicklungen in den USA, der Scharmützel zwischen den Weltmächten, Putins Machtdemonstrationen und zahlreicher ökonomisch kränkelnder Länder.

Wenn immer sich Unsicherheit ausbreitet, nimmt üblicherweise auch der Ruf nach freiheitseinschränkenden staatlichen Massnahmen zu. Während der Covid-Pandemie ist die persönliche (und wirtschaftliche) Freiheit weltweit so stark gesunken wie seit 20 Jahren nicht mehr – wenn man dem vom kanadischen Thinktank Fraser Institute veröffentlichten Human Freedom Index Glauben schenkt. Obwohl die Schweiz auf Platz 1 landet, ist der Trend auch hierzulande negativ, die Freiheiten nehmen ab.

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Für die Zukunft unserer Region und besonders für meine Generation wünsche ich mir, dass wir angesichts aktueller Entwicklungen Ruhe bewahren und uns darauf besinnen, dass Freiheit unsere grosse Stärke ist, ganz besonders in Zeiten zunehmender wirtschaftlicher Abwärtstrends und Unsicherheiten. Danke für Ihre Treue und bis bald.

*Naomi Reichlin leitet die Unternehmens­kommunikation eines lokalen KMU und war Vizepräsidentin der FDP Baselland von 2017 bis 2020.

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Bild: Urs Flueeler/Keystone

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